Die Rolle von Stahl in der Medizintechnik

von Hubert Hunscheidt

Medizintechnik kann Leben retten, Lebensqualität deutlich verbessern und Daten zum aktuellen Gesundheitszustand liefern. Es gibt mittlerweile Zehntausende von Instrumenten und Geräten, die bei all ihrer Vielfältigkeit eines jedoch gemeinsam haben: Sie müssen hochzuverlässig, leicht und gründlich zu reinigen und problemlos zu desinfizieren sein.

Daher ist für viele Anwendungen Stahl der Werkstoff der Wahl. Die Medizintechnik stellt in Bezug auf Stahl ihre eigenen spezifischen Anforderungen, und die Einsatzgebiete sind vielfältig:

  • Externe Ausrüstungen - Dialysesysteme, Beatmungsgeräte, bildgebende Systeme usw.
  • Implantierbare Medizinprodukte - Orthopädische, traumatologische und vaskuläre Implantate
  • Medizinprodukte - Instrumente und Werkzeuge (Chirurgie, orthopädisches und endoskopisches Zubehör usw.)
  • Zahnmedizinische Produkte - Geräte, Bohrer, Werkzeuge usw.

 

 

Stahllösungen für höchste medizinische Anforderungen

Medizinprodukte sind Produkte mit medizinischer Zweckbestimmung, die vom Hersteller für die Anwendung beim Menschen bestimmt sind und primär physikalisch wirken (z.B. Implantate, Herzschrittmacher, etc.). Sie werden entsprechend ihrer Risikoklasse (I-III, gering bis sehr hoch) eingestuft und geprüft.

Die Swiss Steel Group fertigt maßgeschneiderte Produkte und individuelle Lösungen aus Stahl für die Medizintechnik und das Gesundheitswesen, die exakt auf spezielle Anforderungen zugeschnitten sind. Dieser Stahl zeichnet sich durch außergewöhnliche Langlebigkeit sowie besondere Eigenschaften in Bezug auf Verschleiß, Festigkeit und Flexibilität aus.

In modernsten Umschmelzanlagen, ob unter Schlacke oder im Vakuum, entstehen Stähle in gleichbleibender Spitzenqualität, die höchsten Ansprüchen gerecht werden. Durch bewährte Verfahren garantiert die Unternehmensgruppe Lösungen, die sämtlichen essenziellen medizinischen Qualitätsanforderungen entsprechen.

Stähle können unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt sein und werden für verschiedenste Anwendungsbereiche eingesetzt. Die Swiss Steel Group achtet vor allem auf die Zuverlässigkeit und Reinheit ihrer Stähle, die nach ISO und ASTM zertifiziert sind. Mit ihren implantierbaren Güten (UGIPURE 4441, UGIPURE 4472, martensitische und austenitische Nebenprodukte) hat sie sich in den anspruchsvollsten Märkten für besondere Eigenschaften wie Verschleißfestigkeit, Festigkeit oder Flexibilität bewährt.

Forderungen an alle Implantatwerkstoffe

  1. Unschädlichkeit
    - nicht krebserregend
    - ungiftig
    - antigenfrei
  2. biologische Kompatibilität
    - keine Fremdkörperreaktion
    - Einbeziehung in den Lagerstoffwechsel
    - biologische Stabilität
  3. mechanische Kompatibilität
    - ausreichende mechanische Festigkeit
    - elektrochemische Stabilität (Korrosionsfestigkeit)
    - isoelastische Beziehung zum Lagergewebe
  4. Funktionalität
    - ästhetisch annehmbar
    - Reinigungsmöglichkeit
    - röntgenologische Stabilität
  5. Handhabung
    - Sterilisierbarkeit
    - Entfernbarkeit
    - Bearbeitbarkeit

Stahl ist nicht gleich Stahl

Denn jede einzelne Legierung weist unterschiedliche mechanische und chemische Eigenschaften auf, die sie für den Einsatz in einem bestimmten Bereich geeignet machen. Dieser Grundsatz gilt für die Medizin im Besonderen. Es gibt zwei Kategorien des medizinischen Stahls: Werkstoffe für Instrumente und Werkstoffe für Prothesen: Stahl für medizinische Geräte, auch Chirurgenstahl oder einfach Medizinstahl genannt, gehört meistens zu den martensitischen Edelstählen. Dieser Stahl ist oft mit Chrom legiert, hinzu kommen nicht selten größere Anteile an Nickel und Molybdän.

Die Anforderungen an Medizinstahl sind hoch

  • Härte:  Durch die martensitische Umwandlung des Stahls entsteht ein Werkstoff von ausgezeichneter Härte und Festigkeit. Sollte es während einer Operation also mal rabiater zugehen oder der Arzt mit dem Skalpell auf einen Knochen treffen, bricht sein Instrument nicht ab und gefährdet  womöglich das Leben des Patienten.
  • Steifheit: Dank Chirurgenstahl werden Klingen steif und ihr Schliff bleibt über lange Zeit scharf. Nur so ist es Chirurgen möglich, auch längere Schnitte präzise auszuführen oder kleinste Ritzer zu setzen, wie wir sie von minimalinvasiven Operationen her kennen.
  • Hitze- und Säurebeständigkeit:    Nach, vor und manchmal sogar während einer OP werden alle Instrumente gründlich gereinigt. Dabei kommen nicht nur große Hitze, sondern auch aggressive Substanzen auf Basis organischer Säuren zum Einsatz. Werkzeuge aus medizinischem Stahl dagegen überstehen dank ihrer Hitze- und Säurebeständigkeit zahlreiche Sterilisationen und arbeiten für lange Zeit präzise und zuverlässig.
  • Korrosionsschutz:     Der menschliche Körper ist nun einmal ein wahres Feuchtbiotop    , denn wir bestehen aus bis zu 80 Prozent Wasser, unser Blutplasma sogar zu 91 Prozent. Medizinische Geräte sind während der Arbeit also einer starken Feuchtigkeit ausgesetzt; von der anschließenden Reinigung ganz zu schweigen. Es ist gut, dass Edelstahl nicht rostet.
  • Kratzfeste Oberfläche:     Chrom verleiht medizinischen Instrumenten eine kratzfeste Oberfläche. Das ist deshalb wichtig, da bereits die kleinste Furche in einem Werkzeug zu einer Brutstätte von Bakterien werden kann, die miten im Material vor einer Sterilisation ziemlich sicher sind.
  • Hygiene:  Apropos Bakterien    – die haben auf der Oberfläche von Chirurgenstahl kaum eine Chance, denn die Legierung wirkt antibakteriell.

Für medizinische Instrumente kommt also auf keinen Fall jeder beliebige Stahl in Betracht, sondern immer nur Spezialstähle, die den hohen Anforderungen der Medizintechnik gerecht werden.

Auch die Anforderungen an Implantatstahl sind hoch

Für viele Implantate und Prothesen werden ebenfalls Edelstähle eingesetzt, durchlaufen allerdings anders als der Chirurgenstahl ein austenitisches Herstellungsverfahren. Die Werkstoffe werden von zahlreichen metallischen Verunreinigungen befreit und sind daher besonders gut für ihren Einsatz geeignet:

  • Festigkeit: Festigkeit bedeutet in diesem Fall die Widerstandkraft gegen mechanische Belastung. Ein Gelenkersatz muss gute Festigkeitswerte aufweisen, denn einer Bewegung ist das neue Gelenk nahezu ständig ausgesetzt. Prothesenstahl erfüllt eben diese Voraussetzung und ist damit besonders langlebig.
  • Korrosionsschutz:     Wegen der hohen Feuchtigkeit im menschlcien Körper weist Implantatstahl immer hervorragende Korrosionseigenschaften auf.
  • Säurebeständigkeit: Säuren werden nicht nur beim Verdauungsprozess gebildet Sie entstehen auch als Abfallprodukt der zellulären Energieproduktion und ganz besonders beim Abbau von Eiweißen. Zwar werden diese Säuren durch Basen schnell neutralisiert, aber ein Kontakt mit dem Implantat kann nie völlig ausgeschlossen werden. Implantate
    werden in der modernen Medizin mit einer feinen Schicht aus entzündungshemmenden Stoffen überzogen, um die Immunabwehr des Körpers zu drosseln. Säurebeständigkeit ist und bleibt eine entscheidende Eigenschaft von Implantatstahl.
  • Biokompatibilität: Biokompatibel bedeutet, dass der menschliche Körper den Fremdstoff nicht bekämpft und abstößt. Da Prothesenstahl hochgradig biokompatibel ist, wird das neue Körperteil nicht angegriffen.
  • Bioadhäsion: Bioadhäsion bedeutet, wie gut der menschliche Körper eine Prothese in das natürliche Gewebe einarbeiten kann. Rostfreie Edelstähle besitzen geringere Adhäsionseigenschaften und müssen deshalb häufig mit Zement fixiert werden. Es gibt allerdings auch modernere Werkstoffe auf Titanbasis, die eine so hohe Bioadhäsion aufweisen, dass sie bereits nach kurzer Zeit und ganz ohne Zement vollständig in die natürliche Knochenstruktur eingearbeitet werden können.

Implantatstähle sind genauso Spezialstähle, wie die Chirurgenstähle. Sie benötigen ihre besonderen Eigenschaften, um für den Einsatz im menschlichen Körper geeignet zu sein.

Ein historisches Beispiel zum Schluss

Bekanntlich trug Götz von Berlichingen eine Armprothese aus Metall – ein wahrhaftes Meisterwerk der mittelalterlichen Schmiedekunst. Die„Eiserne Faust“ war mit verstellbaren
Fingern, die auf Knopfdruck in ihre Ausgangsposition zurücksprangen, ausgestattet. Noch heute kann man diese eiserne Prothese im Museum zu Jagsthausen bestaunen. Seit damals ist viel Zeit vergangen. Prothesen bestehen schon lange nicht mehr aus Eisen, sondern aus modernen Hochleistungsmaterialien. Ärztinnen und Ärzte sind heutzutage dankenswerterweise in der Lage, ganze Gelenke und Knochen durch Implantate zu ersetzen. Operiert wird auch nicht mehr mit einer rostigen Säge und einem ordentlichen Schluck
Branntwein, sondern mit Hilfe von Präzisionsinstrumenten, die nanometergenau arbeiten können.

Zu verdanken sind diese Fortschritte natürlich nicht nur der Medizin, sondern auch der Metallurgie. Denn zahlreiche Verfahren und Behandlungstechniken wurden erst durch einen
Werkstoff möglich, mit dem sich die Swiss Steel Group besonders gut auskennt: Stahl.

Quelle und Foto: Swiss Steel Holding AG

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