Auftragseinbruch im Wohnungsbau verstärkt Wohnungsnot
von Hubert Hunscheidt
„Die ZDB-Frühjahrsumfrage bestätigt die schlechte Auftragslage im Baugewerbe. Der giftige Cocktail aus Fehlern in der Förderpolitik zu Beginn der Legislaturperiode, steigenden Bauzinsen und steigenden Materialpreisen führt bei 76 % der Unternehmen zu keiner positiven Konjunktureinschätzung im Wohnungsbau. Die heute veröffentlichten Baufertigungszahlen von 295.300 Wohnungen im Jahr 2022 sind zwar knapp 2.000 Wohnungen mehr als im Vorjahr. Die politische Zielgröße von 400.000 Wohnungen wurde damit jedoch weiter deutlich verfehlt. Hinzu kommt, dass die Fertigstellungszahlen 2022 die aktuelle Auftragslage nicht abbilden, sondern ein Bild aus dem Vorjahr zeigen. Im Jahr 2023 rechnen wir mit rund 245.000 neu fertig gestellten Wohnungen. Kurzarbeit und Beschäftigungsabbau, aber auch Wohnungsnot und hohe Mieten drohen. Es leben immer mehr Menschen in Deutschland, aber der Wohnungsbau hält nicht Schritt.
Angebot und Nachfrage passen nicht mehr zusammen. Bauwillige sind verunsichert und können es sich schlichtweg nicht leisten, zu bauen. Auch Investoren können in der aktuellen Situation ihre Kosten durch die Mieten nicht mehr decken. So können die Wohnungsbauziele nicht erreicht werden.“
Nicht nur im Wohnungsbau, sondern auch insgesamt erwarten die Bauunternehmen in den kommenden Monaten eine weiter sinkende Nachfrage nach Bauleistungen mit negativen Auswirkungen auf die Investitionsabsichten der Betriebe. Demnach beurteilen nur noch rund 22 % der Unternehmen ihre Lage als gut (2022: 42 %), rund 40 % urteilen mit befriedigend und ca. 35 % schätzen ihre Lage als schlecht ein. Das Urteil „schlecht“ hat sich im Vergleich zum Vorjahr (17 %) damit mehr als verdoppelt.
Auch die Stimmung im Wirtschaftsbau und im öffentlichen Bau sinkt gegenüber dem Vorjahr deutlich. Im Frühjahr 2022 bewerteten noch über 30 % im Wirtschaftsbau und über 20 % im öffentlichen Hochbau ihre Lage positiv, heute sind es im Wirtschaftsbau nur noch 16 % und im öffentlichen Hochbau 13 %.
Entsprechend fallen auch die Umsatzerwartungen gegenüber dem Vorjahr zurück. Rund 60 % der Unternehmen erwarten rückläufige Umsätze. Im Wohnungsbau rechnen fast 70 % und im Wirtschaftsbau und öffentlichen Bau gut 60 % der Unternehmen mit Umsatzrückgängen.
Dennoch wollen laut der ZDB-Konjunkturumfrage über 70 % der Unternehmen ihren Beschäftigtenstand halten. Präsident Quast: „Dieses Ergebnis ist natürlich positiv in der aktuellen Situation, es wundert mich aber nicht. Die Unternehmen wissen, dass sie die Fachkräfte nicht von heute auf morgen zurückbekommen, wenn die Nachfrage wieder anzieht. Im Bauhauptgewerbe haben wir in den letzten 10 Jahren über 200.000 Arbeitsplätze geschaffen. Das war eine unglaubliche Kraftanstrengung. Leider kommt dieser kontinuierliche Aufbau jetzt mindestens zum Erliegen. Die Zahl derer, die noch Kapazitäten aufbauen können (14 %) deckt sich mit der Zahl der Unternehmen, die mit einem Abbau rechnen. Das ist angesichts des großen Bedarfs an Bauleistungen in allen Bereichen vom Wohnungsbau, über den Klima-und Umweltsektor bis hin zum Ausbau und Erhalt unserer Infrastruktur keine gute Entwicklung.“
Als bemerkenswert stuft Präsident Quast den großen Anteil der Unternehmen ein, die die Anzahl der Lehrlinge erhöhen wollen: „Immerhin 26 % wollen mehr Lehrlinge einstellen und rund 62 % der Unternehmen wollen den Lehrlingsbestand halten. Das ist mit Blick auf den absehbaren Renteneintritt vieler Mitarbeiter eine kluge Investition in die Zukunft.
Wie können die Probleme im Wohnungsbau gelöst werden?
Zur Frage, wie die Probleme im Wohnungsbau gelöst werden können, fordert Präsident Quast mehr Augenmaß und Realismus: „Weniger ist oftmals mehr. Überbordende und zu detaillierte Auflagen und Vorschriften verhindern, dass Architekten und Planer sowie Bauunternehmen gute und kostengünstige Lösungen entwickeln.
Verschiedene Studien der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen zeigen, dass die Entwicklung der Baukosten und der Energieeinsparpotenziale nicht linear verlaufen und dass ein immer weiterwachsendes energetisches Anforderungsniveau im Bestand und auch im Neubau in keiner Weise ökonomisch ist.
Deswegen muss das enge Korsett der hohen und zu detaillierten Anforderungen, vor allem der technischen Normen und der allgemeinen anerkannten Regeln der Technik überprüft und angepasst werden, wo es baulich sinnvoll und technisch machbar ist. Die Bestandsgebäude, rund 70 % Wohngebäude in Deutschland, zeigen, dass es früher auch mit weniger ging. In den letzten Jahren müssen wir aber eine deutliche Inflation an kostentreibenden Vorschriften feststellen.
So führen immer detailliertere Reglungen auch zu weniger Nachhaltigkeit: Alleine durch veränderte Schallschutzanforderungen können erhebliche Mengen Baustoffe gespart und der CO2-Verbrauch vermindert werden. Hier müssen neue Wege gegangen werden und die Möglichkeit eröffnet werden, dass Bauherren, Architekten und Bauunternehmen individuell vom Normenwerk abweichen können. Sowohl Neubau als auch Sanierung müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Umwelt- und Klimazielen stehen.“
Quelle: Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. / Foto: marketSTEEL