Vorstand/Geschäftsführer

Von Andreas Hecker, LL.M. oec., Rechtsanwalt/Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

Gemäß § 88 AktG unterliegen Vorstandsmitglieder während ihrer Amtszeit einem Wettbewerbsverbot. Sie dürfen insbesondere während ihrer Amtszeit ohne Einwilligung des Aufsichtsrates weder ein „Handelsgewerbe betreiben“ noch im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder für fremde Rechnung Geschäfte machen. Auch dürfen sie nicht ohne Einwilligung des Aufsichtsrates Vorstand, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Gesellschaft sein. Verstößt der Vorstand dagegen, kann die Gesellschaft Schadenersatz fordern oder einen Gewinnabschöpfungsanspruch geltend machen. Daneben kommt auch die Abberufung bzw. fristlose Kündigung des Vorstandsdienstvertrags aus wichtigem Grund in Betracht. Eine § 88 AktG entsprechende Norm gibt es im GmbH-Gesetz nicht. Dennoch ist allgemein anerkannt, dass auch der Geschäftsführer einem umfassenden Wettbewerbsverbot während der Dauer des Anstellungsvertrags unterliegt.

Ergänzt wird das gesetzliche Wettbewerbsverbot, welches sich auf den Geschäftsbereich der jeweiligen Gesellschaft bezieht, durch das Verbot, Geschäftschancen anstelle der Gesellschaft selbst wahrzunehmen. So kann im Einzelfall ein Geschäft für die Gesellschaft von Interesse sein, welches aber mit der sonstigen Unternehmenstätigkeit nicht unmittelbar zu tun hat und bei dessen Abschluss der Vorstand oder Geschäftsführer daher nicht dem Wettbewerbsverbot unterliegen würde. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Produktions- oder Handelsunternehmen zu Zwecken der Kapazitätserweiterung ein neues Grundstück sucht und der Vorstand/Geschäftsführer eine geeignete Fläche entdeckt und selbst erwirbt. Im Hinblick auf den Geschäftsbereich des Unternehmens würde der Vorstand/Geschäftsführer zwar nicht in den Wettbewerb zum Unternehmen treten, wohl aber eine Geschäftschance des Unternehmens selbst nutzen. Auch im Falle eines Verstoßes gegen das Verbot der Geschäftschancennutzung kommen einerseits ein Schadensersatz/Gewinnabschöpfungsanspruch und andererseits eine fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags und ein Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund in Betracht.

Das Landgericht Münster hat sich in seinem Urteil vom 12.12.2016 mit einem Fall befasst, in welchem der Vorstand eine zunächst begonnene Softwareentwicklung des Unternehmens, welche im Unternehmen nicht fortgesetzt wurde, selbst weiterentwickelte und zur Marktreife brachte, um sie in einer von seiner Frau gegründeten GmbH zu vertreiben. Nachdem der Aufsichtsrat der Gesellschaft hiervon Kenntnis erlangte, widerrief er die Bestellung des Vorstandsmitgliedes aus wichtigem Grund und kündigte den Anstellungsvertrag fristlos. Das Vorstandsmitglied klagte gegen die Abberufung und den Widerruf der Bestellung. Diese Klage wurde durch das LG Münster abgewiesen. In diesem Zusammenhang stellte das Landgericht fest, dass die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags gemäß § 626 BGB regelmäßig nur unter engeren Voraussetzungen zulässig ist als der Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund gemäß § 84 Abs. 3 AktG. Soweit – wie im vorliegenden Fall – ein ausreichender Grund für die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags vorgelegen habe, seien danach auch die Voraussetzungen für die Abberufung aus wichtigem Grund nach § 84 Abs. 3 AktG erfüllt. Zudem ging das Gericht auf die Kündigungsfrist im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB ein. Diese Zwei-Wochen-Frist beginnt nach den Ausführungen des Gerichts grundsätzlich erst zu laufen, wenn sämtliche Aufsichtsratsmitglieder Kenntnis von den Tatsachen haben, die einen wichtigen Grund zur Kündigung begründen. Allerdings kann unter Umständen die Kenntnisnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden ausreichend sein, jedenfalls darf die Unterrichtung der weiteren Mitglieder des Aufsichtsrates nicht unangemessen verzögert werden. 

 

Praxishinweis:

Die Rechtsprechung ist leider bei Verfahren zu Wettbewerbsverboten/Geschäftschancen und daraus resultierenden Kündigungen/Abberufungen leider nicht einheitlich. Dies kann je nach Einzelfall zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Beispiel hierfür ist die im Fall des LG Münster relevante Frage des richtigen Fristbeginns für die zweiwöchige Ausschlussfrist bei der Kündigung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund.

Die Thematik Wettbewerbsverbot/Geschäftschancen wird zudem durch den zusätzlichen Aspekt „nachvertragliches Wettbewerbsverbot“ ergänzt. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind vom Gesetz weder für den Vorstand noch den Geschäftsführer vorgesehen, sodass es hierfür gesonderter Regelungen in den Anstellungsverträgen bedarf. Im Hinblick auf die richtige Gestaltung und Geltendmachung dieser Wettbewerbsverbote gibt es zahlreiche weitere Fallstricke zu beachten.

Information zum Autor:

Andreas Hecker, LL.M. oec., Rechtsanwalt/Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

Herr Hecker berät Unternehmen und Unternehmensgruppen bei gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Fragen. Er veröffentlicht regelmäßig zu gesellschaftsrechtlichen Themen sowie zur Corporate Governance in ausgewählten Fachzeitschriften und Branchenmagazinen und wirkt an Gründerwettbewerben für Startups mit.

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