Im Zuge der Globalisierung wird die „just-in-time-Anlieferung“ immer öfter durch – am Produktionsgelände des Herstellers befindliche – Konsignationslager abgelöst, aus denen der Abnehmer die benötigten Komponenten je nach Produktionsbedarf entnehmen kann. Durch ein aktuelles Schreiben hat die Finanzverwaltung nun ihre restriktive umsatzsteuerliche Sichtweise entschärft.
Hintergrund
Beim Konsignationslager handelt es sich um ein Warenlager, das vom Zulieferer in unmittelbarer Nähe zum Abnehmer (häufig auf dessen Werksgelände) errichtet und mit den vom Abnehmer turnusmäßig benötigten Komponenten befüllt wird. Dabei bleibt der Zulieferer bis zur Warenentnahme durch den Abnehmer Eigentümer.
Bisherige Sichtweise der Verwaltung
Wird die Ware aus einem anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland in das Lager verbracht, handelt es sich um ein innergemeinschaftliches Verbringen durch den liefernden Unternehmer, in dessen Folge der Unternehmer im Inland einen innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt. Daneben erbringt der Unternehmer eine im Inland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung an den Abnehmer, sobald die Ware dem Lager entnommen wird.
Beachten Sie | Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer muss sich in Deutschland umsatzsteuerlich registrieren.
Neue Rechtsprechung und neue Verwaltungsauffassung
In seiner Rechtsprechung aus 2016 differenziert der Bundesfinanzhof danach, ob der Abnehmer zu Beginn der Versendung feststeht oder nicht.
Steht der Abnehmer bereits bei Beginn der Versendung fest, wird
- die Lieferung grundsätzlich bereits bei Beginn der Versendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführt (= steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung) und
- unterliegt beim inländischen Abnehmer ggf. der Erwerbsbesteuerung mit korrespondierendem Vorsteuerabzug.
Die Finanzverwaltung hat hierauf nun reagiert und ihre kompromisslose Haltung aufgegeben:
- Bei Einlagerungstransporten aus einem anderen EU-Land in ein inländisches Lager liegt mit Transportbeginn im Ausland bereits dann eine innergemeinschaftliche Lieferung vor, wenn der Abnehmer der Ware bei Transportbeginn feststeht, d. h. verbindlich bestellt oder bezahlt hat.
- In diesen Fällen steht es der Annahme einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen, dass sich durch Zwischenlagerung in einem (auf Initiative des Abnehmers eingerichteten) Konsignationslager eine kurzfristige Transportunterbrechung (von einigen Tagen oder Wochen) ergibt, wenn der Abnehmer bereits vertraglich ein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Ware im Lager hat.
- Eine bei Transportbeginn nur wahrscheinliche Abnehmerstellung ist den Fällen des „feststehenden Abnehmers“ nicht gleichzusetzen. Daher stellt der Einlagerungstransport in das inländische Konsignationslager in diesen Fällen weiterhin ein innergemeinschaftliches Verbringen dar. Bei späterer Warenentnahme erfolgt dann eine Inlandslieferung des Zulieferers an den Abnehmer, was die Registrierung des ausländischen Zulieferers in Deutschland erforderlich macht.
PRAXISHINWEISE | Die Finanzverwaltung hat den Konsignationslager-Beteiligten nun erstmals die Möglichkeit eröffnet, eine innergemeinschaftliche Lieferung zu gestalten, sodass sich der ausländische Zulieferer nicht mehr im Inland registrieren lassen muss. Entsprechende Gestaltungen sollten auch mit Blick auf die Übergangsregelung sorgfältig geplant werden. Nach der Übergangsregelung wird es nicht beanstandet, wenn der leistende Unternehmer für vor dem 1.1.2019 ausgeführte Lieferungen und innergemeinschaftliche Erwerbe nach den bisherigen Grundsätzen verfährt. Diese „Direktlieferungs-Annahme“ haben viele EU-Länder bereits seit vielen Jahren per nationaler Vereinfachungsregelung geschaffen. Die EU-Kommission hat allerdings jüngst angekündigt, diesen „nationalen Wildwuchs“ zeitnah durch eine EU-einheitliche Regelung zu ersetzen. Die weitere Entwicklung sollte also aufmerksam verfolgt werden. |
Quelle | BMF-Schreiben vom 10.10.2017, Az. III C 3 – S 7103-a/15/10001; BMF-Schreiben vom 14.12.2017, Az. III C 3 – S 7103-a/15/10001; BFH-Urteil vom 20.10.2016, Az. V R 31/15; BFH-Urteil vom 16.11.2016, Az. V R 1/16; RL-Vorschlag der EU-Kommission vom 4.10.2017