Betriebliche Altersversorgung

Konzernrecht: Berechnungsdurchgriff zur Betriebsrentenanpassung

(BGH, Urt. v. 27.9.2016 – II ZR 57/15)

 

Bei Zusage einer betrieblichen Altersversorgung hat der Arbeitgeber gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG alle drei Jahre eine etwaige Anpassung der laufenden Leistungen zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Bei dieser Prüfung hat er insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Bei Konzerngesellschaften ist anerkannt, dass für die wirtschaftliche Lage des Arbeitsgebers oftmals nicht allein auf die als Arbeitgeber fungierende Tochtergesellschaft sondern teilweise auch auf die Lage der herrschenden Gesellschaft (Konzernmutter) abzustellen ist. Voraussetzung für diesen Berechnungsdurchgriff ist ein Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu 2015 ausgeführt (BAG 3 AZR 739/13), dass für den Berechnungsdurchgriff allein die Berufung auf das Bestehen eines Beherrschungsvertrags und die Verlustübernahmepflicht nach § 302 Abs. 1 AktG nicht ausreiche. Es bestehe durch einen solchen Vertrag zwar eine Gefahrenlage, diese müsse sich für einen Berechnungsdurchgriff allerdings erst realisieren. Soweit keine Weisungen des herrschenden Unternehmens erteilt worden sind, die das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft außer Acht lassen, und keine Weisungen zu einer Verschlechterung der wirtschaftliche Lage der abhängigen Gesellschaft geführt haben, die eine Betriebsrentenanpassung ausschließen, bestehe kein Grund für einen Berechnungsdurchgriff. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts muss der Versorgungsempfänger allerdings im Prozess ausschließlich das Bestehen des Beherrschungsvertrags als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenlage beweisen und die Realisierung dieser Gefahr darlegen. Das Unternehmen muss hingegen beweisen, dass keine Realisierung der Gefahr stattgefunden hat.

 

Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr über einen Fall zu entscheiden, bei dem der klagende Versorgungsempfänger ehemaliger Vorstand der beklagten (Tochter-)Gesellschaft war.

 

Er bestätigte in seinem Urteil – mit nahezu gleichlautenden amtlichen Leitsätzen – die Positionen des Bundesarbeitsgerichts. Zudem stellte er fest, dass die Aussagen des Bundesarbeitsgerichts auch dann gelten, wenn der Versorgungsempfänger einmal Organmitglied des Versorgungsschuldners war. So ist auch in einer Klage des ehemaligen Vorstands gegen die Gesellschaft durch diese darzulegen, dass sich die im Beherrschungsvertrag angelegte Gefahrenlage nicht verwirklicht hat. Die Gesellschaft kann dies dadurch tun, indem sie darlegt, dass sie auch ohne Weisungen nicht leistungsfähig und damit zur Anpassung der Betriebsrente nicht verpflichtet ist. Hiermit wird den Umständen Rechnung getragen, dass gerade im Vertragskonzern durch die Übertragung von gewinnbringenden Geschäftsbereichen auf andere Konzerngesellschaften oder eine Steuerung der wirtschaftlichen Lage der abhängigen Gesellschaft leicht die Anpassungsprüfungspflicht aus § 16 Abs. 1 BetrAVG unterlaufen werden kann.

 

Der Kläger hatte vorliegend nicht nur – wie erforderlich – behauptet, dass sich die im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag immanente Gefahrenlage realisiert habe, sondern zugleich eine nachteilige Weisung vorgetragen, wonach die Gesellschaft zu einer reinen Abwicklungsgesellschaft gemacht wurde. Der dem Bundesgerichtshof vorliegende Fall war allerdings aufgrund der neuen, geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des BGH noch nicht zur Entscheidung reif. Unter Zurückverweisung wurde den Parteien – anknüpfend an die Ausführungen des ehemaligen Vorstands - ein ergänzender Vortrag ermöglicht. 

 

Praxishinweis: Über die Frage der Gesamtbetrachtung des Vertragskonzerns bei der Betriebsrentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG macht das Urteil deutlich, dass die Bildung eines Vertragskonzerns neben den steuerlichen Folgen (steuerliche Organschaft) erhebliche weitere Auswirkungen für die beteiligten Unternehmen haben kann. Diese Auswirkungen, insbesondere die haftungsrechtlichen Risiken, sind bei Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertragen ebenfalls in den Blick zu nehmen. Für die Anwendung des § 16 Abs. 1 BetrAVG dient das Urteil als Klarstellung, dass es im Hinblick auf die (neue) Beweislastverteilung eine einheitliche Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht gibt.

Information zum Autor:

Andreas Hecker, LL.M. oec., Rechtsanwalt/Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

Herr Hecker berät Unternehmen und Unternehmensgruppen bei gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Fragen. Er veröffentlicht regelmäßig zu gesellschaftsrechtlichen Themen sowie zur Corporate Governance in ausgewählten Fachzeitschriften und Branchenmagazinen und wirkt an Gründerwettbewerben für Startups mit.

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