Wertschöpfungspotenzial der Digitalisierung
von Hubert Hunscheidt
Mitglieder des SEF Smart Electronic Factory e.V. (www.SmartElectronicFactory.de) beleuchten, welche Voraussetzungen in produzierenden Unternehmen für eine wertschöpfende Digitalisierung gegeben sein müssen. Zudem zeigen sie auf, an welchen Stellen digitale Lösungen entlasten können und welche Trends sich aktuell herauskristallisieren.
An der Digitalisierung führt kein Weg vorbei. Doch stehen gerade mittelständische Produktionsbetriebe häufig vor der Frage, welche Schritte sie diesbezüglich wann und wie unternehmen sollten. Denn digitale Transformation ist kein einmaliges Projekt, sondern fortlaufend und mehrstufig umzusetzen.
Steffen Rattke, Leiter PreSales bei German Edge Cloud, hält Unternehmen dazu an, schnell herauszufinden, wo das Wertschöpfungspotenzial liegt, und weist darauf hin, dass ohne Digitalisierung der Produktivitätsfortschritt stagnieren wird und die Wettbewerbsfähigkeit nur schwerlich aufrecht zu erhalten ist. „Ebenso werden ohne digitale Prozesse, die insbesondere für größere Unternehmen ab 2024 verpflichtenden Nachhaltigkeitsnachweise (ESG) nicht umsetzbar sein“, sagt Steffen Rattke und fährt fort: „Transformations-Prozess bedeutet jedoch, dass die Digitalisierung kein Big Bang-Projekt ist, sondern Step by Step und somit in gezielten, kalkulierbaren Projekten erfolgen sollte. Vereine wie der SEF können hier wertvolle Unterstützung leisten.“
Jonas Barth, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW), unterstreicht: „Grundsätzlich ist es wichtig, dass Prozesse zunächst schlank und stabil sind, bevor sie digitalisiert werden. Ansonsten hat man einen schlechten digitalen Prozess. Somit ist eine systematische Überlegung wichtig, wo Digitalisierung einen Mehrwert liefern kann.“
Das Ziel sollte dabei nicht aus den Augen verloren und gezielte Kosten-Nutzen-Überlegungen sollten angestellt werden. Es ist eine schlanke Digitalisierung in der Produktion anzustreben und auch auf die Akzeptanz der Mitarbeitenden zu achten. Jonas Barth sagt: „Der größte Mehrwert kann durch Digitalisierung geschöpft werden, wenn der Prozess fähig ist und wenn Mitarbeitende die digitalen Lösungen verstehen und helfen, diese weiterzuentwickeln.“
Ines Thurner, CEO der CONVANIT GmbH & Co. KG empfiehlt, dass sich Verantwortliche in Unternehmen genau überlegen, an welchen Stellen eine Digitalisierung am meisten Sinn ergibt. Die Expertin erklärt: „Digitalisierung ist dann richtig, wenn sie Probleme löst oder Prozesse nachhaltig vereinfacht, nicht um einem Digitalisierungstrend zu folgen." Ines Thurner betont, dass sich digitale Technologien in Unternehmen auf Bereiche mit dem größten Wertschöpfungspotenzial fokussieren sollten.
Mit Digitalisierung dem Fachkräftemangel begegnen
Das größte Wertschöpfungspotenzial der Digitalisierung sieht Prof. Dr. Gerrit Sames der Technische Hochschule Mittelhessen (THM) im weitesten Sinne in der Nutzung digitaler Technologien in den administrativen Bereichen: „Durchgängige medienbruchfreie Geschäftsprozesse durch schon heute vorhandene Software-Lösungen reduzieren Aufwände, minimieren Fehler und erhöhen die Reaktionsgeschwindigkeit. Routineaufgaben im Front- und im Back-Office lassen sich durch Robotic Process Automation effizient erledigen und tragen zur Linderung des Fachkräftemangels bei.“
Produzierende Betriebe stehen der Herausforderung gegenüber, dass es zu wenig verfügbare Arbeitskräfte für diverse Tätigkeiten gibt. „Für unseren Bereich, die Elektronikindustrie, sehe ich daher großes Potenzial im Bereich der Automatisierung. Wir müssen den Fokus darauf legen, um den Fachkräftemangel auszugleichen. Gleichzeitig hilft uns die Automatisierung, die Produktivität in der heute sehr dynamischen, von Schnelligkeit und Veränderungen geprägten Fertigung hochzuhalten“, sagt Gerd Ohl, Geschäftsführer der Limtronik GmbH.
Heike Vocke, Geschäftsführerin der iSAX GmbH & Co. KG, unterstreicht, dass produzierende Unternehmen im Mittelstand vor der Herausforderung stehen, ihre Wettbewerbsfähigkeit auch bei steigender Variantenvielfalt und einem wachsenden Fachkräftemangel zu sichern. Hierfür sind transparente, durchgängige und effiziente Prozesse unerlässlich. „In unserem Verständnis ist digitale Transformation kein Selbstzweck. Sie sollte einem langfristigen Ziel dienen und sowohl ökonomische, ökologische und technologische als auch soziale Ressourcen berücksichtigen“, sagt Heike Vocke.
Nachhaltige Digitalisierungsstrategie und Energiewende
Bei vielen Industrieunternehmen rücken Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zunehmend in den Blickpunkt. Dabei ist es wichtig, eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie zu verfolgen. Dies umfasst beispielsweise die Optimierung von Infrastrukturen und die Implementierung von Technologien, die zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks beitragen. Für diese Aufgabenstellungen entwickelt und testet der SEF innerhalb des Vereins verstärkt entsprechende Lösungen, wie zum Beispiel zum Energie-Monitoring und Energie-Management.
„Das Thema Nachhaltigkeit muss fest in der Unternehmensstrategie verankert und mit operativen Maßnahmen vorangetrieben werden. Das fängt mit der Umsetzung von energieeinsparenden Maßnahmen an. Zudem gehören die Nutzung erneuerbarer Energien, die Reduktion der Verschwendung von Energie und Ressourcen in Fertigungsprozessen, Recycling und weitere Maßnahmen mit auf die Agenda von Unternehmen“, sagt Andor Prohaszka, Geschäftsführer der Pfeifer und Seibel GmbH.
Der SEF Smart Electronic Factory e. V. unterstützt dabei, diese und weitere Herausforderungen zu lösen. Gerd Ohl empfiehlt: „Unternehmen sollten sich Gleichgesinnte suchen und herausfordernde Aufgabenstellungen nicht allein angehen. Oftmals haben andere schon wertvolle Erfahrungen gesammelt, von denen alle profitieren können.“
Quelle und Foto: SEF Smart Electronic Factory e.V.