Wasserstoffhochlauf in Deutschland verliert an Tempo
von Hubert Hunscheidt
Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland verlangsamt sich – auch wenn sich die grundsätzlich positive Entwicklung fortsetzt. Das zeigt die dritte H2-Bilanz, die E.ON heute auf Basis von Daten des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) veröffentlicht hat. Die bis 2030 geplante Wasserstoff-Erzeugungsleistung ist von 8,1 Gigawatt im Februar 2023 auf 8,7 Gigawatt im August 2023 gestiegen. Auch wenn hier weiterhin ein leichter Aufwärtstrend besteht, ist der Anstieg bei weitem nicht so stark wie in den Monaten von Juli 2022 bis Februar 2023. Das Ziel der Bundesregierung in der nationalen Wasserstoffstrategie ist es, bis 2030 mindestens 10 Gigawatt Elektrolyseleistung in Deutschland installiert zu haben.
Bei der H2-Infrastruktur ist die Zahl der in Deutschland betriebenen reinen Wasserstoffleitungen nahezu gleichgeblieben. Eine deutlich positive Entwicklung gibt es bei den Planungen für ein Wasserstoffnetz, dessen geplante Länge sich fast verdoppelt hat: Bis 2035 ist der Bau von 5.708 Kilometern Wasserstoffleitungen angekündigt, im Februar dieses Jahres waren es lediglich 2.813 Kilometer. E.ON führt dies darauf zurück, dass die Errichtung einer Wasserstoffinfrastruktur mit der beschlossenen Schaffung eines Wasserstoff-Kernnetzes in den vergangenen Monaten an Dynamik gewonnen hat.
Für E.ON ist das ein weiterer Hinweis darauf, dass klare politische und regulatorische Rahmenbedingungen den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft unmittelbar beschleunigen. An vielen Stellen sind diese aber derzeit nicht ausreichend, um bestehende Technologie-, Nachfrage- und Infrastrukturrisiken einzugrenzen und die Kosten der Produktion von insbesondere grünem Wasserstoff wettbewerbsfähig zu machen. Daher hat E.ON das Beratungsunternehmen Frontier Economics damit beauftragt, verschiedene Optionen zur Beschleunigung des Wasserstoffhochlaufs in Deutschland zu untersuchen.
Im Fokus der neuen Studie stehen fünf verschiedene Instrumente. Da die Grüngasquote derzeit verstärkt politisch diskutiert wird, hat Frontier Economics diese vertieft analysiert. Zudem schreibt die EU ohnehin Quoten für Wasserstoff in der Industrie und im Verkehrssektor vor, die in den Mitgliedsstaaten erfüllt werden müssen. Für eine Grüngasquote spricht beispielsweise, dass sie ohne den Einsatz von direkten öffentlichen Mitteln umgesetzt werden kann und einen verlässlich planbaren Hochlauf von grünen Gasen ermöglicht. Eine Grüngasquote wäre zudem ein konkretes politisches Signal für die Zukunft grüner Gase als sinnvolle Ergänzung zur Elektrifizierung.
Allerdings weist die Studie auch auf Nachteile hin. So schafft die Grüngasquote lediglich eine relative Mengensicherheit für Grüne Gase, orientiert am gesamten Gasabsatz. Dies gilt insbesondere für grünen Wasserstoff. Außerdem würde eine Quote für die Verpflichteten das Risiko mit sich bringen, nicht ausreichend Wasserstoff beschaffen zu können. Generell wäre die Einführung einer Grüngasquote – wie andere Instrumente auch – mit Mehrkosten verbunden. Das Instrument sollte daher aus Sicht von E.ON zunächst behutsam eingesetzt werden, um die finanziellen Belastungen und Risiken zu minimieren und die Akzeptanz zu fördern.
Die Studie zeigt, dass es kein Patentrezept für einen schnellen Wasserstoffhochlauf gibt. E.ON und Frontier Economics konnten jedoch die Vor- und Nachteile der verschiedenen Instrumente identifizieren und aufzeigen, wie diese ausgestaltet werden müssten, um die Nachteile zu minimieren. Welches Instrument am besten geeignet ist, hängt von den konkreten Prämissen und politischen Zielen ab.
Die E.ON H2-Bilanz
Die H2-Bilanz wird zweimal im Jahr veröffentlicht. Die wissenschaftliche, datenbasierte Herangehensweise soll einen Beitrag dazu leisten, dass an den richtigen Stellschrauben für einen erfolgreichen Wasserstoffhochlauf gedreht wird. In die Analyse fließen die konkreten Projektvorhaben bis 2030 und Indikatoren wie die Erzeugungskapazität von grünem Wasserstoff, Importmengen, Infrastruktur und Anwendungsmöglichkeiten ein. Die Daten der H2-Bilanz und weitere Informationen stehen hier zur Verfügung.
Die Frontier Economics Studie
Das Beratungsunternehmen Frontier Economics hat im Auftrag von E.ON untersucht, welche Optionen es gibt, um den Wasserstoffhochlauf in Deutschland zu beschleunigen. Im Fokus der neuen Studie stehen fünf Instrumente auf Produktions- oder Nachfrageseite. Eine Grüngasquote, Carbon Contracts for Difference (beispielsweise Klimaschutzverträge), feste Prämien (wie die H2Bank), variable Prämien für die Grüngaserzeugung und Steuervergünstigungen. Alle weiteren Informationen sind hier zu finden.
Quelle: E.ON SE / Foto: Fotolia