Wasserstoff: Problemlöser der Energiewende?
von Hubert Hunscheidt
Die Bundesregierung hat Mitte Juni die lang erwartete Nationale Wasserstoffstrategie vorgelegt. Sie beschreibt, wie Wasserstoff als Energieträger und Rohstoff die Klimaschutzanstrengungen in Deutschland unterstützen und den Industriestandort voranbringen soll.
Denn eines steht fest: Ohne Wasserstoff dürften die ambitionierten Klimaziele Deutschlands und Europas kaum erreichbar sein. Öl, Gas und Kohle werden nicht nur für die Erzeugung von Strom, sondern auch für die Wärmeversorgung und als Einsatzstoffe in Industrieprozessen genutzt.
Gerade hier kann Wasserstoff eine Lösung zur Senkung der Treibhausgasemissionen sein. Zudem bietet Wasserstoff den Herstellern von Maschinen und Anlagen die Chance, neue Geschäftsfelder zu entwickeln und die starke Position von Technologien "made in Germany" auf den Weltmärkten auszubauen. Doch dafür muss zunächst ein effizienter und liquider Markt geschaffen werden.
Wasserstoffstrategie legt Schwerpunkt auf Grünen Wasserstoff
Die Bundesregierung setzt mit ihrer Strategie vor allem auf den Einsatz von "Grünem Wasserstoff". Dieser wird durch die Elektrolyse von Wasser hergestellt, wofür ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt. Ziel der Bundesregierung ist es, dass im Jahr 2030 14 TWh Grüner Wasserstoff hergestellt werden können. Hierfür wären 1.400 zusätzliche Windräder notwendig. Der Wasserstoffbedarf der deutschen Industrie liegt jedoch 2020 schon beim Fünffachen. Die Frage ist also: Wie erhält man CO2-neutralen Wasserstoff in ausreichenden Mengen – und das zu für die Unternehmen bezahlbaren Preisen?
Mehr Technologieoffenheit bei H2-Definition
Damit Wasserstoff für die Betriebe attraktiv wird, bedarf es nach Ansicht des DIHK eines nachfrageorientierten Markthochlaufs. Zentrale Triebfedern sind hierbei die CO2-Bepreisung sowie Technologieoffenheit. Das bedeutet konkret, dass neben Grünem Wasserstoff auch "Blauer" und "Türkiser Wasserstoff" eine Rolle spielen sollten, um den absehbaren Bedarf zu decken. Blauer und Türkiser Wasserstoff werden zwar aus fossilen Rohstoffen erzeugt, das entstehende CO2 beziehungsweise Grafit gelangt jedoch nicht in die Umwelt, sondern wird langfristig gespeichert oder recycelt.
Die Europäische Kommission setzt in ihrer unlängst vorgestellten eigenen EU-Wasserstoffstrategie auf einen solchen – stärker technologieneutralen – Ansatz, auch wenn langfristig erneuerbarer Wasserstoff Priorität hat. Dieser Impuls aus Brüssel sollte bei der Umsetzung der nationalen Wasserstoffstrategie berücksichtigt werden.
Übergangslösung Zertifikatehandel
Deutschland braucht zudem eine geeignete Lieferinfrastruktur, also Pipelines und Tankstellen. Da nicht jeder Betrieb direkt an ein Wasserstoffnetz angeschlossen werden kann, sollte die Politik als Übergangslösung den Handel mit Zertifikaten ermöglichen.
Das Prinzip ist bekannt: Ein Unternehmen kauft ein Zertifikat für klimaneutralen Wasserstoff, bezieht aber bis zum Anschluss an das Wasserstoffnetz weiter zum Beispiel Erdgas. Verbraucht wird der Wasserstoff dann an anderer Stelle, beispielsweise im Verkehr. Ähnlich funktioniert das derzeit beim Ökostrom. Hier kauft der Verbraucher bilanziell grünen Strom – aus der Steckdose kommt aber zunächst der regionale Mix.
Durch den Zertifikatehandel lässt sich feststellen, an welchen Orten der höchste Wasserstoffbedarf besteht. Das hilft, die Infrastruktur sukzessive kundengetrieben auszubauen. Eine stetige Nachfrageentwicklung ist die beste Voraussetzung für Investitionen in Anlagen zur Produktion und zum Transport von Wasserstoff.
Quelle: DIHK | Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V. / Vorschaufoto: marketSTEEL