Warum die IG Metall 7 Prozent mehr Geld fordert

von Hubert Hunscheidt

Nach Diskussionen in den Betrieben und einer Befragung von 318.000 Beschäftigten haben die gewählten Tarifkommissionen der IG Metall Ende Juni diese Forderung für die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie beschlossen. Der Vorstand der IG Metall hat diese Forderung Anfang Juli bestätigt. Die gleiche Forderung hat die IG Metall auch für die Tarifverhandlungen bei Volkswagen aufgestellt, wo ein eigener Haustarifvertrag gilt.

In der Metall- und Elektroindustrie will die IG Metall darüber hinaus mit den Arbeitgebern über mehr Flexibilität für Beschäftigte bei der Arbeitszeit sprechen. Zudem soll es eine soziale Komponente für die Beschäftigten in den unteren Entgeltgruppen geben, die besonders von den hohen Preisen betroffen sind.

Inflation geht zurück – doch die hohen Preise bleiben

Durch die hohe Inflation der letzten Jahre ist alles teurer geworden. Die Preissteigerungen haben die Lohnsteigerungen aufgefressen. Zwar ist die Inflationsrate nun mit 1,9 Prozent wieder auf ein normales Maß zurückgegangen – doch das heißt nicht, dass die Preise sinken. Sie steigen nur weniger stark. „Die Inflationsrate mag sinken, aber dennoch bleiben für die Menschen die Preise an der Kasse weiter hoch“, macht Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, deutlich. „Jetzt haben die Beschäftigten mit 7 Prozent mehr Geld einen verlässlichen Dauerausgleich verdient.“

Beschäftigte wollen vor allem mehr Geld

Das sehen die Beschäftigten in den Betrieben genauso: In einer Umfrage unter 318.000 Beschäftigten in 2700 Betrieben der Metall- und Elektroindustrie wollte die IG Metall wissen, was in den Tarifverhandlungen gefordert werden sollte. Das Ergebnis: 58 Prozent wollen ihre gestiegenen Kosten ausgleichen, 14 Prozent ihre Kaufkraft stärken.

Kaufkraft kurbelt die Wirtschaft an

Die Kaufkraft der Beschäftigten ist ein entscheidender Faktor, um die lahmende deutsche Wirtschaft anzukurbeln: 51 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird vom privaten Konsum getragen. Doch der ist durch die Inflation der letzten Jahre eingebrochen, weil die Menschen ihr Geld zusammenhalten und sich mit dem Kaufen zurückhalten. Der schwache private Konsum war die wichtigste Ursache für das mickrige Wachstum in den letzten Jahren.

Die Wirtschaftsforscher setzen auf den privaten Konsum: In ihren Prognosen gehen sie davon aus, dass der private Konsum wieder deutlich anzieht. Also: Nur mit mehr privatem Konsum wird es wieder Wirtschaftswachstum geben.

Das kann jedoch nur funktionieren, wenn die Menschen auch mehr Geld im Portemonnaie und damit mehr Kaufkraft haben. 3,8 Millionen Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie mit ihren Familien haben dabei ein großes Gewicht.

Auszubildende und Studierende leiden besonders unter den Preisen

Beschäftigte mit niedrigen Einkommen sind besonders von den hohen Preisen betroffen. Dazu gehören in der Metall- und Elektroindustrie besonders Auszubildende und dual Studierende in den Betrieben: Ihre Ausbildungsvergütungen reichen nicht mehr aus, um Miete, Essen und Sprit zu bezahlen. Viele sind auf Nebenjobs angewiesen. Und immer weniger Auszubildende wohnen noch bei den Eltern. Und sie sind keine 16 Jahre mehr: Ihr Durchschnittsalter zu Beginn der Ausbildung liegt heute bei 20 Jahren. Und viele müssen für die Ausbildung in eine andere Region umziehen.

Immer weniger Auszubildende – 2,86 Millionen ohne Berufsabschluss

Dazu kommt, dass immer weniger junge Menschen überhaupt eine Ausbildung anfangen. Immer mehr jobben lieber: Mit einem Midijob sind bis zu 2000 Euro brutto drin, fast doppelt so viel Geld wie mit einer Ausbildung in der Metall- und Elektroindustrie.

Das Ergebnis: 2,86 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren waren im Jahr 2022 ohne Berufsabschluss – 2,86 Millionen potenzielle Fachkräfte, die auf dem Arbeitsmarkt fehlen. Zugleich wird die Bevölkerung immer älter. Anders als früher, wo Betriebe sich noch ihre Auszubildenden aussuchen konnten, bleiben heute viele Ausbildungsplätze unbesetzt – und die Betriebe haben zunehmend Probleme, genügend Fachkräfte zu finden.

IG Metall fordert 170 Euro als „Attraktivitätsturbo“ für Ausbildung

Die Zeiten haben sich geändert. In vielen Handwerksbranchen haben die Arbeitgeber das mittlerweile verstanden – und mit der IG Metall deutliche Erhöhungen der Ausbildungsvergütungen ausgehandelt, um attraktiver für junge Menschen zu werden. Auch in anderen Tarifbranchen sind die Ausbildungsvergütungen in den letzten Jahren überdurchschnittlich gestiegen – nicht jedoch in der Metall- und Elektroindustrie.  

Deshalb fordert die IG Metall 170 Euro mehr Geld im Monat für Auszubildende in der Metall- und Elektroindustrie. Damit ein selbständiges Leben von der eigenen Ausbildungsvergütung wieder möglich ist – aber auch, um die Berufsausbildung in der Metall- und Elektroindustrie wieder attraktiver zu machen.

Die Unternehmen können es sich leisten

Die Arbeitgeber jammern natürlich: Die Forderungen der IG Metall sind viel zu hoch. Im Grunde können sie sich gar keine Entgelterhöhungen leisten. Und ja: Die Wirtschaft und besonders die Metall- und Elektroindustrie steckt in der Krise. Die Produktion ist gegenüber 2023 um 7 Prozent gesunken. Und die Aufträge gehen zurück. Und ja: Tatsächlich sind die Tarifentgelte seit 2010 um 50 Prozent gestiegen, während die Preise seitdem nur um 36 Prozent anzogen. Doch in den letzten Jahren hat gab es kaum noch Reallohnsteigerungen, da die Rekordinflation zugeschlagen hat.

Zudem machen viele Betriebe nach wie vor gute Gewinne. Die Umsatzrendite der Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie lag 2023 bei 3,4 Prozent brutto, in den börsennotierten Unternehmen der Metall- und Elektronindustrie sogar bei 8,5 Prozent. Nur 22 Prozent der 318.000 von der IG Metall befragten Beschäftigten schätzen die Lage in ihrem Betrieb als schlecht ein. Und schließlich lag der Anteil der Lohnkosten in der Metall- und Elektroindustrie 2023, wenn auch bedingt durch erhöhte Energiekosten, bei nur noch 16,1 Prozent.

Von daher: 7 Prozent mehr Geld sind bezahlbar – und 170 Euro mehr für Auszubildende nicht übertrieben. „Mit unserer Forderung respektieren wir die unterschiedliche Lage der Unternehmen, denn wir würfeln sie nicht“, betont Nadine Boguslawski, die im IG Metall-Vorstand für Tarifpolitik verantwortlich ist. „Im Gegenzug erwarten wir Respekt der Arbeitgeber für die Lage und die Lebensrealität der Beschäftigten“.

Quelle und Logo: IG Metall

 

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