Warum Chinas Stahl zum Dauerproblem wird

von Hans Diederichs

„Ich habe keinen guten Nachrichten für Sie“, sagte Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director für das Segment Industrie bei der IKB-Bank, anlässlich des MBI-Stahltags in Frankfurt vergangene Woche. Gemeint waren damit die gewaltigen Mengen an Stahl, die die chinesische Wirtschaft unablässlich auf den Weltmarkt wirft. „Wir werden noch lange mit diesen chinesischen Exporten leben müssen“, fügte Büchner hinzu. Und er war mit seiner Einschätzung keineswegs der einzige Referent auf der Veranstaltung.

„China dürfte 2013 die Sättigung bei der Stahlnachfrage erreicht haben“, sagte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident und Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Eine Erholung der chinesischen Nachfrage sei daher nicht zu erwarten, fügte Kerkhoff hinzu und ergänzte: „Wir glauben, dass die Schwäche, die wir in China sehen, dauerhaft ist.“ Den Stahl, den die Chinesen selber nicht benötigen, leiten sie aber auf den Weltmarkt – und damit nach Europa.

Chinesische Baunindustrie hat massiv überinvestiert

Eugen Weinberg, Leiter der Rohstoffanalyse bei der Commerzbank, illustrierte die massive Überinvestition der chinesischen Bauindustrie mit dem Bild einer langen Brücke, auf der ein einziges Auto fährt – und mit Trabantenstädten, die für Millionen von Menschen gebaut wurden, aber momentan nur von wenigen hunderttausend bewohnt werden.

„China hat in nur zwei Jahren mehr Beton verbaut als die USA im ganzen 20. Jahrhundert“, erläuterte Weinberg. Einschränkend fügte er hinzu, dass China eine viermal so große Bevölkerung hat und betonlastigere Bauweisen bevorzugt als in den Vereinigten Staaten üblich.

Dennoch ist offensichtlich, dass sich eine solch massive Investition in die Infrastruktur nicht dauerhaft halten lässt. China besitzt zurzeit einen der höchsten pro-Kopf-Anteile bei der Stahlverwendung, wie Henrik Adam ausführte, Chief Commercial Officer bei Tata Steel Niederlande.

Mit 477 Kilogramm pro Kopf und Jahr verwendet China derzeit rund 70 Prozent mehr Stahl als die USA oder Europa. Wenn eine Ökonomie aber reift und die Infrastruktur einmal steht, pendelt sich die Stahlnachfrage wieder auf niedrigerem Niveau ein. Genau das passiert gerade in China. „Die chinesische Regierung hat erkannt, dass sie sich in der Kapazitätsauslastung leicht verschätzt hat“, setzte Adam trocken hinzu.

China ist keine Marktwirtschaft

Nun würde man vielleicht erwarten, dass die Chinesen einfach Kapazitäten schließen – doch was schon in Europa schwierig ist, ist in China nahezu unmöglich. „Wir werden sehen, dass die Stahlproduktion in China nur geringfügig zurückgefahren wird“, sagte Heinz Jürgen Büchner. Zu viele Jobs hängen an der Industrie, bei Massenentlasssungen fürchten die mächtigen Regionalregierungen Unruhen in der Bevölkerung. „Der Umgang mit Überkapazitäten ist in staatswirtschaftlichen Ländern anders als in marktwirtschaftlichen Ländern – und China ist keine Marktwirtschaft“, führte Hans Jürgen Kerkhoff aus.

Der Umbau der chinesischen Wirtschaft zu einer mehr vom privaten Konsum getriebenen Ökonomie wird Zeit brauchen, darin sind sich die Stahlexperten einig. Zwar wird die chinesische Nachfrage nach Baustahl nicht komplett einbrechen. Noch immer liegt Chinas Urbanisierungsgrad mit rund 50 Prozent deutlich unter den 80 bis 90 Prozent, der in reifen Industrienationen erreicht wird, wie Heinz-Jürgen Büchner erklärte.

Doch wenn der chinesische Drache in ein gemächlicheres Tempo wechselt und die Stilllegung von Überkapazitäten im Reich der Mitte politisch nicht möglich ist, dürfte sich an der weltweiten Stahlschwemme auf absehbare Zeit in der Tat nur wenig ändern.

Quelle: marketSTEEL; Vorschau-Foto: fotolia; Beitragsbild: Hauptstraße in Peking (Foto: Jerzy  / pixelio.de)

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