Unternehmen rechnen nicht mit rascher wirtschaftlicher Erholung
von Hubert Hunscheidt
Die wirtschaftliche Lage in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie ist angespannt, und die Unternehmen rechnen mehrheitlich nicht mit einer schnellen Besserung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. „Das Bild gibt sicherlich Anlass zur Sorge, zumal unsere Industrie nicht nur konjunkturell, sondern auch strukturell vor großen Herausforderungen steht“, sagte der Verbandsvorsitzende Dr. Joachim Schulz am Montag bei der Vorstellung der Umfrage in Stuttgart: „Unsere Industrie ist aber stark und bringt alle Voraussetzungen mit, diese Herausforderungen zu meistern. Dafür ist es allerdings dringend erforderlich, dass in der Politik jetzt die richtigen Prioritäten gesetzt und Rahmenbedingungen geschaffen werden, die unser Land und unsere Industrie nach vorne bringen.“
Laut der Umfrage berichten die Unternehmen mehrheitlich von Rückgängen bei Umsatz, Produktion und vor allem bei den Auftragseingängen. „Auch beim mittelfristigen Blick nach vorne zeigen alle Erwartungen eher eine Abwärtstendenz“, sagte Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Barta bei der Präsentation der Ergebnisse. So rechnen die M+E-Firmen im 2. Halbjahr 2023 mit einer geringeren Produktion, für 2024 mit weniger Umsatz. Vor allem das Geschäft im Inland, aber auch mit Europa und China verläuft holperig. Zudem planen die Unternehmen für das kommende Jahr im Saldo mit weniger Personal und geringeren Investitionen in Deutschland.
Drängendes Problem bleibt das Thema Energie. So berichten fast 90 Prozent der Firmen für 2022 mit gestiegenen Kosten, knapp die Hälfte der Unternehmen hatte deutliche Steigerungen von mehr als 50 Prozent zu verkraften, für knapp jedes sechste Unternehmen hat sich die Energierechnung im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. In diesem Jahr sind die Kosten zwar für das Gros der Unternehmen wieder gesunken, allerdings nicht in dem Maße, wie sie im Vorjahr gestiegen sind. Weiterhin berichtet mehr als ein Drittel der Unternehmen von weiter steigenden Energiepreisen. „Positiv ist, dass sich die Situation bei den Lieferengpässen offenbar entspannt hat“, sagte Barta: „Dafür berichten inzwischen mehr Firmen von Personalengpässen, die die Produktion behindern.“
Der Vorsitzende des Verbands sieht in den Ergebnissen dennoch keinen Grund, Krisen- oder Untergangsszenarien herbeizureden: „Unsere Unternehmen haben hervorragend ausgebildete, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, innovative Produkte mit Weltruf und hinreichend Kreativität, die anstehenden Aufgaben zu bewältigen“, so Schulz: „Wir sehen aber noch erheblichen Handlungsbedarf im Bemühen der Politik, Innovationen und wirtschaftlichen Erfolg zu ermöglichen.“
Konkret benannte er dabei die vier Handlungsfelder Fachkräftesicherung, Bürokratieabbau und schnellere Verfahren, strukturelle Reformen in den Systemen der sozialen Sicherung sowie kurzfristig die Sicherstellung von wettbewerbsfähigen Energiekosten für die Industrie. „Durch die Transformation werden in unserer Industrie zwar manche Tätigkeiten wegfallen. Dennoch bleibt der Bedarf an Fachkräften weiterhin hoch und wird in einigen Bereichen sogar noch weiter wachsen“, sagte Schulz. Um dem entgegenzuwirken, sollte man daher mehrgleisig vorgehen: „Es gilt, die inländischen Potenziale noch besser zu heben, durch Weiterbildung, Qualifizierung oder Inklusion, aber auch, indem wir mehr Menschen eine vollzeitnahe Beschäftigung ermöglichen – wozu eine funktionierende, bedarfsgerechte Kinderbetreuung gehört.“ Zudem gelte es, die Zuwanderung von Fachkräften zu forcieren, indem Verfahren vereinfacht, beschleunigt und digitalisiert werden. Untragbare Zustände wie in der Stuttgarter Ausländerbehörde seien hierfür nicht förderlich.
In Deutschland gehe Vieles nach wie vor viel zu langsam voran, die Bürokratie liege wie Mehltau über dem Land, kritisierte Schulz, „trotz mannigfacher Ankündigungen, dies zu ändern. Wir brauchen hier ein Umd enken in der Politik.“ Sie sollte ihren Leistungsnachweis nicht mehr darin suchen, immer weiter neue Gesetze und Regelungen zu schaffen, sondern darin, Vorgaben wieder abzubauen und Spielräume zu ermöglichen: „Hinter dem Klagelied über zu wenig Personal verbergen sich doch oft schlicht auch zu viel Bürokratie und ineffiziente Strukturen.“ Kritisch bewertete der Südwestmetall-Vorsitzende auch die wieder steigenden Beiträge in die Sozialversicherungen, die die Arbeitskosten weiter nach oben treiben würden: „Statt ständig über erneute Leistungsausweitungen zu diskutieren, brauchen wir hier dringend strukturelle Reformen, die eine nachhaltige Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme gewährleisten.“
Großen Handlungsbedarf sieht Schulz auch beim Thema Energie: „Vor allem energieintensive Bereiche sind unter den aktuellen Bedingungen kaum noch wettbewerbsfähig am Standort Deutschland. Auch drohen uns Zukunftsinvestitionen verlorenzugehen, wenn beispielsweise andere Länder Ansiedlungen von stromintensiven Batteriefabriken mit Strompreisen weit unter den deutschen ködern.“ Der auf dem Tisch liegende Vorschlag eines Industriestrompreises sei zwar ordnungspolitisch schwierig und auch nur befristet als Brückenhilfe denkbar, so Schulz: „Am Ende muss aber eine spürbare Entlastung dieser Wirtschaftsbereiche stehen, die die Wettbewerbsfähigkeit sicherstellt. Die Ausgestaltung ist Sache der Politik.“
Zur Umfrage:
Die Umfrage wurde vom 04. bis zum 14. September 2023 unter den verbandsgebundenen Unternehmen der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie durchgeführt. Daran beteiligt haben sich 405 Unternehmen, die in der Verteilung nach Branchen und Größenklassen einen guten Querschnitt der Mitgliedsunternehmen wiedergeben.
Quelle: Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. (Südwestmetall) / Foto: marketSTEEL