Trüber Ausblick der deutschen Metallbranche, aber Zahlungsmoral stimmt
von Hubert Hunscheidt
Trotz bzw. wegen dieser Hindernisse ist die Zahl der Insolvenzen im Metallsektor im Jahr 2023 gegen den allgemeinen Trend nicht angestiegen. Darüber hinaus hat sich das Zahlungsverhalten über die Jahre hinweg verbessert. Das sind Erkenntnisse einer Analyse des Kreditversicherers Coface.
Mehrere wirtschaftliche Faktoren haben die deutsche Metallindustrie in den vergangenen Jahren ausgebremst. Der staatlich geförderten Konkurrenz aus China ist es gelungen, europäische Unternehmen mit billigeren Produkten zu überflügeln. Im Laufe der Jahre haben diese Subventionen zu erheblichen Überkapazitäten und einem Überangebot auf dem Weltmarkt geführt, was die Preise für Industriemetalle, insbesondere für Stahl und Aluminium, belastete. „Ein weiterer wichtiger Faktor war und ist der industrielle Wandel hin zu grünen Technologien in Deutschland, besonders in der Automobilindustrie. Der Übergang zur E-Mobilität hat zu einer Rezession in der deutschen Industrie beigetragen, auch im Metallsektor“, sagt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. Seit Mitte 2018 ist die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe mit wenigen Ausnahmen rückläufig. Darüber hinaus hat der Anstieg der Energiepreise die Produktionskosten in die Höhe getrieben. Viele Firmen waren nicht in der Lage, gestiegene Kosten vollständig an ihre Kunden weiterzugeben.
Gegen den Trend: Kein Anstieg der Insolvenzen
Während in der deutschen Gesamtwirtschaft die Insolvenzen langsam wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückkehren, ist dies in der Metallbranche nicht der Fall. Über alle Branchen hinweg stieg die Zahl der Firmenpleiten in den ersten acht Monaten dieses Jahres um 24 Prozent im Vergleich zu 2022. Im selben Zeitraum wurden 169 Metallunternehmen zahlungsunfähig, was einem Rückgang von 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht (vgl. Grafik 1). Ein möglicher Grund dafür ist, dass der Metallsektor während der Pandemie weniger staatliche Unterstützung erhielt als andere Wirtschaftszweige. „Die staatlichen Hilfen waren an die Geschäftsaussichten zu Ende 2019 geknüpft. Unternehmen, die bereits vor dem Pandemieausbruch schlechte Perspektiven hatten, sollten nicht künstlich am Leben gehalten werden. Dies war in der Metallindustrie der Fall und so stiegen die Insolvenzen im Jahr 2020 stärker als in der übrigen deutschen Wirtschaft. Viele schwächelnde Unternehmen sind somit bereits aus dem Metallsektor ausgeschieden. Und das bedeutet weniger Insolvenzen im Jahr 2023“, erklärt Christiane von Berg.
Unternehmen bitten früher zur Kasse
Seit 2016 befragt Coface einmal im Jahr deutsche Unternehmen aus 13 breit gefächerten Branchen nach deren Zahlungserfahrungen.[1] In der Metallindustrie ist es demnach gängige Praxis, dass Firmen ihren Kunden ein Zahlungsziel, also einen Lieferantenkredit, einräumen. Im Jahr 2019 gewährten noch 82 Prozent kurzfristige Zahlungsfristen von bis zu zwei Monaten und immerhin 16 Prozent der Kunden hatten die Möglichkeit, erst nach zwei Monaten zu zahlen. Diese Situation hat sich verändert, denn 2023 versuchen die Metallbetriebe, immer früher an ihr Geld zu kommen: So bittet über die Hälfte der befragten Unternehmen (53 Prozent) um eine Zahlung innerhalb der ersten 30 Tage nach Lieferung und nur noch 5 Prozent gewähren Zahlungsfristen von zwei Monaten oder länger (vgl. Grafik 2). Die durchschnittliche Zahlungsfrist in der Metallbranche ist von 44 Tagen im Jahr 2019 auf 31 Tage im Jahr 2023 zurückgegangen. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum sank das Zahlungsziel in Deutschland branchenübergreifend nur geringfügig von 34 auf 32 Tage.
Zahlungsverzögerungen gängige Praxis, aber sie sind kurz
Im Rahmen der aktuellen Befragung gaben 77 Prozent der Metaller an, dass sie im Jahr 2023 Zahlungsverzögerungen erlebt haben – ein Zuwachs von 15 Prozentpunkten gegenüber 2022. „Das ist zudem eine deutliche Verschlechterung der Zahlungsmoral im Vergleich zu den Pandemiejahren. Für viele Firmen im Metallsektor sind verspätete Zahlungen alltäglich. Jedoch ist der durchschnittliche Zahlungsverzug mit rund 25 Tagen im Vergleich zu anderen Branchen in Deutschland relativ kurz“, sagt Christiane von Berg.
De-Risking gewinnt an Bedeutung
Mit Blick auf das Jahr 2024 schätzen deutsche Metallunternehmen ihre wirtschaftliche Lage im Vergleich zu 2023 negativ ein.[2] Gefragt nach den Hauptrisiken für ihr Business nennen die meisten Firmen schwierige Geschäfts- und Produktionsbedingungen in Deutschland, steigende Rohstoffpreise, den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und politische Risiken. Um geopolitische oder strategische Risiken zu minimieren, streben immer mehr Metallfirmen danach, ihre geschäftliche Abhängigkeit von einzelnen Ländern, Lieferanten oder Kunden zu verringern. 2023 haben sich bereits 13,6 Prozent für De-Risking-Maßnahmen wie eine Verlagerung der Produktion oder die Diversifizierung ihres Lieferanten- und Kundenportfolios entschieden.
Quelle: Compagnie Française d'Assurance pour le Commerce Extérieur SA (Coface) / Foto: marketSTEEL