Trendwende nach zwei Jahren Transformation erkennbar

von Hubert Hunscheidt

thyssenkrupp macht beim Umbau zu einer leistungsstarken Unternehmensgruppe deutliche Fortschritte: Im Geschäftsjahr 2020/2021 hat das Unternehmen wichtige strategische Weichenstellungen vorgenommen und sich operativ gegenüber dem pandemiebedingt schwächeren Vorjahr spürbar verbessert. Von Oktober 2020 bis September 2021 verzeichnete die Unternehmensgruppe Auftragseingänge[1] von insgesamt 39,6 Mrd €, was einem Plus von 41 Prozent entspricht. Der Umsatz verbesserte sich um 18 Prozent auf 34,0 Mrd €. Das Bereinigte EBIT stieg auf 796 Mio € (Vorjahr: -1.759 Mio €). Zu dieser positiven Entwicklung haben alle Segmente mit zum Teil deutlichen Ergebnisverbesserungen beigetragen. Insbesondere die Materialgeschäfte profitierten von steigenden Verkaufsmengen und Preisen. Entsprechend konnte thyssenkrupp die im Mai angehobene Ergebnisprognose am oberen Ende der Bandbreite erfüllen.

Martina Merz, Vorstandsvorsitzende der thyssenkrupp AG: „Nach gut zwei Jahren intensiver Transformation können wir heute sagen: Die Trendwende ist erkennbar, es geht in die richtige Richtung bei thyssenkrupp. Unsere Performance verbessert sich deutlich, das spiegelt sich auch in den Zahlen wider. Diesen Schwung wollen wir mitnehmen in die nächste Phase unserer Transformation, um in unseren Geschäften auch wieder profitabel zu wachsen. Trotzdem bleiben insbesondere aufgrund des Halbleitermangels und der Unsicherheiten wegen der Corona-Pandemie noch große Herausforderungen.“

Zuversichtliche Prognose für das laufende Geschäftsjahr

Vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Erholung und der weiter erwarteten strukturellen Verbesserung der Geschäfte blickt thyssenkrupp insgesamt zuversichtlich auf das laufende Geschäftsjahr 2021/2022. Unsicherheiten und damit eine nur eingeschränkt verlässliche Planbarkeit bestehen insbesondere in Bezug auf die weitere Entwicklung der Lieferengpässe bei Halbleitern und anderen Vorprodukten. Das wird im laufenden Geschäftsjahr temporär zu Belastungen führen. Der Umsatz der Gruppe soll im gesamten Geschäftsjahr 2021/2022 in einem mittleren einstelligen Prozentbereich wachsen. Das Bereinigte EBIT soll gegenüber dem Vorjahr auf einen Wert zwischen 1,5 und 1,8 Mrd € in etwa verdoppelt werden. Darin berücksichtigt sind eine signifikante Ergebnisverbesserung bei Steel Europe und ein deutlich verringerter Verlust bei Multi Tracks. Für den Jahresüberschuss rechnet thyssenkrupp mit einem Wert von mindestens 1 Mrd €, der höchste Jahresüberschuss seit dem Geschäftsjahr 2007/2008. Bei weiteren Auszahlungen für Restrukturierungen und Beibehaltung der derzeit hohen Investitionsausgaben in die Zukunftsthemen von thyssenkrupp wird für den Free Cashflow vor M&A eine signifikante Steigerung in den Bereich eines ausgeglichenen Wertes prognostiziert.

Klaus Keysberg, Finanzvorstand der thyssenkrupp AG: „Unsere konsequent umgesetzten Performance- und Portfoliomaßnahmen zeigen Wirkung. Dieses Momentum wollen wir nutzen. Nachhaltige Profitabilität und ein stabil positiver Cashflow – das sind die Maßstäbe, an denen wir uns messen lassen wollen. Wir sind zuversichtlich, dass wir uns im laufenden Geschäftsjahr in Schlagweite dieser Ziele bringen werden.“

Fortschritte bei Portfolio- und Performancemaßnahmen

Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat thyssenkrupp wie angekündigt im Segment Multi Tracks wichtige Entscheidungen getroffen und damit die Fokussierung seines Portfolios weiter vorangetrieben.
Im Juli wurde der Verkauf des Mining-Geschäfts unterschrieben, kurz darauf der Verkauf von Infrastructure. Im August wurde der Geschäftsbereich Carbon Components veräußert. Zuletzt hatte thyssenkrupp Mitte September den Verkauf des italienischen Edelstahlwerks AST vereinbart. Als weitere Portfoliomaßnahme wurde das Grobblechwerk in Duisburg planmäßig zum Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres geschlossen.

Bei Uhde Chlorine Engineers (UCE) sieht thyssenkrupp großes Potenzial im Bereich der Wasserelektrolyse und will von der starken Nachfrage nach grünem Wasserstoff profitieren. Das Unternehmen prüft deshalb intensiv, wie das Wasserstoffgeschäft bestmöglich weiterentwickelt werden kann. Aktuell plant thyssenkrupp einen Börsengang als Vorzugslösung. In jedem Falle würde thyssenkrupp eine Mehrheit am Geschäft behalten.

Neben gezielten Investitionen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Geschäfte hat thyssenkrupp auch bei der notwendigen Anpassung der Beschäftigung weitere Fortschritte gemacht. Von den angekündigten mehr als 12.000 Stellen bis zum Geschäftsjahr 2023/2024 hat thyssenkrupp in den vergangenen zwei Geschäftsjahren rund 7.800 Stellen sozialverträglich abgebaut. Dabei konnten viele Mitarbeitende in neue Beschäftigungsverhältnisse vermittelt werden.

Oliver Burkhard, Personalvorstand und Arbeitsdirektor der thyssenkrupp AG: „Auch im größten Restrukturierungsprogramm in der Geschichte von thyssenkrupp sind wir stets verantwortungsvoll und anständig mit unseren Mitarbeitenden umgegangen – das werden wir auch weiterhin tun. Die Menschen und ihre Fähigkeiten sind der entscheidende Erfolgsfaktor von thyssenkrupp. Und je weiter unser Umbau voranschreitet, desto mehr können wir uns auch wieder den Themen widmen, die Innovationen und Wachstum ermöglichen, Menschen im Unternehmen begeistern und Talente von außerhalb anziehen.“

Entwicklung in den Segmenten im Geschäftsjahr 2020/2021

Materials Services konnte im Jahresverlauf von einer deutlich gestiegenen Nachfrage und höheren Materialpreisen profitieren. Der Auftragseingang stieg um 29 Prozent, der Umsatz um 24 Prozent. Auch das Bereinigte EBIT lag mit 587 Mio € deutlich über dem Vorjahr (-85 Mio €). Neben Mengen und Preisen wirkten sich auch die eingeleiteten Maßnahmen für Innovationen und Optimierungen – insbesondere im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung – positiv auf die Marge des Segments aus.

Industrial Components konnte Auftragseingang und Umsatz um 22 bzw. 20 Prozent steigern. Bei den Großwälzlagern verzeichnete insbesondere der Bereich Baumaschinen Zuwächse. Auch die anderen Marktsegmente konnten die Nachfragerückgänge des vergangenen Jahres überwinden.
Im Schmiedegeschäft zeigte sich ebenfalls eine deutliche Erholung in allen Anwendungsbereichen. Das Bereinigte EBIT im Segment Industrial Components lag mit 322 Mio € deutlich über Vorjahr (139 Mio €).

Automotive Technology konnte ebenfalls von einer Markterholung profitieren. Auftragseingang und Umsatz verbesserten sich jeweils um 11 Prozent, nachdem im Vorjahr die Produktion bei Kunden pandemiebedingt zeitweise stillstand. Das operative Ergebnis verbesserte sich deutlich, wozu alle Business Units beigetragen haben. Besonders dynamisch entwickelte sich die Nachfrage in der ersten Jahreshälfte. Ab dem dritten Quartal bekam Automotive Technology die zunehmenden Lieferengpässe bei Halbleitern sowie Kostensteigerungen bei Material und Logistik zu spüren. Das Bereinigte EBIT lag mit 264 Mio € dennoch signifikant über dem Vorjahr (-166 Mio €).

Steel Europe steigerte Auftragseingang und Umsatz im Vergleich zum pandemiebedingt schwachen Vorjahr deutlich um 31 bzw. 27 Prozent. Das Bereinigte EBIT verbesserte sich auf 116 Mio € (Vorjahr: -820 Mio €). Positiv schlugen die Belebung der Nachfrage bei gleichzeitig steigenden Marktpreisen und die eingeleiteten Performancemaßnahmen im Zuge der Umsetzung der Stahlstrategie 20-30 zu Buche. Bis zum Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres wurde mehr als die Hälfte des bis 2026 vorgesehenen Abbaus von 3.750 Stellen bei Steel Europe sozialverträglich bewältigt. Dämpfend wirkten dagegen die stark steigenden Rohstoffkosten sowie temporäre Einschränkungen in der Produktion – im Wesentlichen durch die notwendige Neuzustellung des Hochofens 1 in Duisburg.

Nach wie vor ist thyssenkrupp davon überzeugt, dass eine eigenständige Aufstellung Steel Europe bestmögliche Zukunftsperspektiven eröffnet. Eine Verselbstständigung des Stahlbereichs ist jedoch ein sehr komplexes Vorhaben, das wirtschaftlich herausfordernd und von zahlreichen Unwägbarkeiten geprägt ist. Eine finale Entscheidung hängt von einer Vielzahl – auch externer – Faktoren ab. Unter anderem braucht es Planungssicherheit bei den regulatorischen Rahmenbedingungen, gerade hinsichtlich der grünen Transformation. Neben der Vorbereitung der üblichen Carve-out-Themen prüft thyssenkrupp im Rahmen einer Machbarkeitsstudie, unter welchen Bedingungen der Stahlbereich in die Eigenständigkeit überführt werden kann.

Marine Systems konnte den Auftragseingang deutlich auf 6,7 Mrd € (Vorjahr: 2,2 Mrd €) steigern. Darin enthalten ist neben dem Auftrag zum Bau von sechs U-Booten für Norwegen und Deutschland mit einem Auftragsvolumen von 5,5 Mrd € auch ein Auftrag für die italienische Marine im Unterwasserbereich. Auch der Umsatz war mit 2 Mrd € besser als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum (1,8 Mrd €). Gründe waren im Wesentlichen die Übergabe der dritten Fregatte F125 an die deutsche und die Übergabe von insgesamt vier Korvetten an die israelische Marine. Das Bereinigte EBIT lag mit 26 Mio € über Vorjahr (20 Mio €).

Das Segment Multi Tracks[2] verzeichnete mit einem Auftragsplus von 34 Prozent insgesamt eine sehr dynamische Neugeschäftsentwicklung. Der Umsatz blieb auf Niveau des Vorjahres stabil (+2 Prozent). Entsprechend ihrer spezifischen Herausforderungen weisen die bei Multi Tracks zusammengefassten Geschäfte im Einzelnen sehr unterschiedliche Entwicklungen aus: Das Edelstahlgeschäft steigerte Auftragseingang sowie Umsatz deutlich. Auch der Anlagenbau verzeichnete höhere Auftragseingänge in allen Geschäftsfeldern. Insbesondere wurden erste Projekte im wichtigen Wachstumsmarkt Wasserstoff gewonnen. Im Umsatz machten sich dagegen die niedrigeren Auftragseingänge im Vorjahr bemerkbar. Bei Grobblech war die Geschäftsentwicklung vor der zum Ende des Geschäftsjahres erfolgten Schließung rückläufig. Das Bereinigte EBIT des Segments belief sich auf insgesamt -298 Mio €. Damit hat sich der Verlust gegenüber dem Vorjahr (-593 Mio €) etwa halbiert.

Im Corporate Headquarters konnte das Bereinigte EBIT weiter auf -194 Mio € verringert werden (Vorjahr: -221 Mio €).

Geschäftsjahr 2020/2021: Kennzahlen Gruppe insgesamt (inkl. nicht fortgeführter Aktivitäten)

Für das Geschäftsjahr 2020/2021 weist thyssenkrupp ein nahezu ausgeglichenes Ergebnis mit einem Jahresfehlbetrag von -25 Mio € aus. Im Vorjahr lag der Wert bei 9,6 Mrd € und enthielt den erzielten Gewinn aus dem Verkauf des Aufzuggeschäfts. Ohne diesen Effekt, d. h. auf fortgeführter Basis, hat sich der Jahresfehlbetrag von -5,5 Mrd € auf -19 Mio € deutlich verbessert. Das Ergebnis je Aktie betrug -0,18 € (Vorjahr: 15,40 €); auf fortgeführter Basis -0,17 € (Vorjahr: -8,91 €).

Das Eigenkapital hat sich gegenüber dem Vorjahresstichtag von 10,2 Mrd € auf 10,8 Mrd € erhöht. Hauptursache war das gestiegene Zinsniveau und die daraus folgende Neubewertung der Pensionsverpflichtungen. Damit verbesserte sich die Eigenkapitalquote leicht auf über 29 Prozent (Vorjahr: 28 Prozent).

Der Free Cashflow vor M&A lag im Geschäftsjahr 2020/2021 deutlich über Vorjahr (-4,8 Mrd €) und mit -1,3 Mrd € im prognostizierten Bereich. Positive Effekte kamen aus den starken Ergebnisverbesserungen der Segmente, belastend wirkte insbesondere der preisbedingte Aufbau des Nettoumlaufvermögens. Hinzu kamen die anhaltenden Auszahlungen für Restrukturierungen und über den Abschreibungen liegende Investitionen in die Zukunftsthemen von thyssenkrupp. Das Netto-Finanzguthaben der Gruppe verringerte sich entsprechend auf 3,6 Mrd € (30. September 2020: 5,1 Mrd €). Mit flüssigen Mitteln und freien zugesagten Kreditlinien von insgesamt 10,5 Mrd € verfügt thyssenkrupp weiterhin über eine sehr gute Liquiditätssituation.

Da im Einzelabschluss der thyssenkrupp AG ein Bilanzverlust ausgewiesen wird, wird der Hauptversammlung für das Geschäftsjahr 2020/2021 kein Dividendenvorschlag zur Beschlussfassung vorgelegt.

Quelle: thyssenkrupp AG / Foto: marketSTEEL

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