„Treibhausgasneutralität“ bis zum Jahr 2050

von Hubert Hunscheidt

In Brüssel laufen lebhafte Diskussionen über den Vorschlag der EU-Kommission, die europäischen Klimaziele zu verschärfen. Sollte sich die EU tatsächlich dafür entscheiden, „Treibhausgasneutralität“ als neues Ziel für das Jahr 2050 zu vereinbaren, bedeutet dies eine signifikante Erhöhung der EU-Minderungsziele. Statt 80 Prozent müssten bis zur Mitte des Jahrhunderts im Vergleich zu 1990 über 90 Prozent Treibhausgasemissionen eingespart, der Rest wirksam kompensiert werden. In der Industrie läge die erforderliche Einsparung gar bei bis zu 95 Prozent.
 
Für Deutschland würden diese Werte noch höher ausfallen, da es überdurchschnittlich zur Erfüllung der EUZiele beitragen muss. Denn deren Erreichung wird zum Teil über den Emissionshandel gesteuert. Strengere EU-Ziele müssten durch eine schnellere Verknappung der zur Verfügung stehenden Emissionsrechte realisiert werden. Für die betroffenen Unternehmen, die in Deutschland mit über 1.800 emissionshandelspflichtigen Anlagen besonders zahlreich sind, würde jede Tonne CO2 noch teurer. Betriebe in den Bereichen Gewerbe, Gebäude und Verkehr, die nicht vom Emissionshandel erfasst werden, müssten mit strengeren Vorgaben rechnen, da die schärferen europäischen Klimaziele in Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebeneübersetzt werden müssen. Dazu könnten höhere Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden oderdie CO2-Grenzwerte für Pkw gehören.
 
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sichern
 
Die bestehenden Ziele sind bereits ambitioniert. Mit den derzeitigen Maßnahmen würden die Emissionen der EU bis 2050 lediglich um circa 60 Prozent und nicht um 80 Prozent sinken. Im Fokus der politischen Diskussion sollte daher die Frage stehen, wie diese Lücke geschlossen werden kann – und zwar in einer Weise, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen stärkt, statt sie zu gefährden.
 
Antworten darauf finden sich im Strategievorschlag der Kommission nur wenige. Positiv ist die Schlussfolgerung, dass eine Vielzahl von Technologien und Ansätzen notwendig sein wird, um die CO2-Emissionen signifikant zu senken. Dieses Ergebnis spricht für einen technologieoffenen Ansatz, wie ihn der DIHK seit jeher empfiehlt, um die Potenziale zur Treibhausgasminderung dort zu heben, wo dies am kostengünstigsten möglich ist. Die EU und die Mitgliedstaaten sollten auf marktwirtschaftliche Instrumente wie den Emissionshandel setzen. Zusätzliche Belastungen sind für die deutschen Unternehmen kaum tragbar, da viele Betriebe für ihren Strom im europäischen und internationalen Vergleich bereits heute besonders hohe Preise zahlen.
 
Europa ist und bleibt Vorreiter
 
Trotz aller bestehenden Herausforderungen wurde in der EU bereits viel mehr erreicht als anderswo auf der Welt. Europäische und deutsche Unternehmen haben hierzu entscheidend beigetragen. Zwischen 1990 und 2017 wuchs die Wirtschaft in der EU um 58 Prozent, wohingegen die CO2-Emissionen um 22 Prozent sanken. Das 2020er-Klimaziel wird somit voraussichtlich übererfüllt. Selbst wenn sich in Deutschland eine Lücke ergeben sollte, würde dies durch Einsparungen in anderen Ländern der EU mehr als ausgeglichen.
 
Für die Erreichung der 2030er-Ziele müssten allerdings in fast allen EU-Mitgliedstaaten weitergehende Anstrengungen zur Senkung der CO2-Emissionen unternommen werden, die auch deutsche Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Gleichzeitig bieten wachsende Märkte für nachhaltige Technologien
 
Chancen für die deutschen Betriebe
 
Die EU-Klimapolitik sollte schließlich der Tatsache Rechnung tragen, dass letztlich nur internationale Anstrengungen den Klimawandel wirksam begrenzen. Deshalb ist es so bedeutsam, dass die Partner Europas in der Welt ihre oft unverbindlichen Klimaschutzversprechen in konkrete Politik ummünzen. Dies würde zu einer Angleichung der Wettbewerbsbedingungen beitragen. Und es würde gleichzeitig auch neue Chancen für deutsche Unternehmen bieten, die durch den Export innovativer und effizienter Produkte, Technologien und Dienstleistungen weltweit ganz entscheidend zum Klimaschutz beitragen.
 
Quelle: DIHK Brüssel / Vorschaufoto: marketSTEEL

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