thyssenkrupp und Tata Steel machen Fusion perfekt
von Alexander Kirschbaum
Die beiden Stahlgiganten haben bereits vor über einem Jahr Gespräche angefangen, seit Mittwochmorgen herrscht endlich Klarheit: thyssenkrupp und Tata Steel haben eine Grundsatzvereinbarung („Memorandum of Understanding“) unterzeichnet, um ein führendes, europaweites Stahlunternehmen zu gründen. Hierzu sollen die jeweiligen europäischen Flachstahlgeschäfte der beiden Unternehmen und die Stahlwerksdienstleistungen der thyssenkrupp-Gruppe zusammengeschlossen werden. Das neue Unternehmen würde einen Pro-forma-Umsatz von etwa 15 Mrd € erzielen und etwa 48.000 Mitarbeiter an aktuell 34 Standorten beschäftigen. Die Versandmengen des Joint Ventures würden etwa 21 Mio t pro Jahr betragen.
„Mit dem geplanten Joint Venture geben wir den europäischen Stahlaktivitäten von thyssenkrupp und Tata eine nachhaltige Zukunftsperspektive. Wir gehen die strukturellen Herausforderungen der europäischen Stahlindustrie an und schaffen eine starke Nummer Zwei. Wir haben mit Tata einen Partner gefunden, der strategisch und kulturell sehr gut zu uns passt. Uns verbindet nicht nur eine klare Leistungsorientierung, sondern auch das gleiche Verständnis von unternehmerischer Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Gesellschaft.", sagt Dr. Heinrich Hiesinger, Vorstandsvorsitzender der thyssenkrupp AG.
Neuer Branchenriese "thyssenkrupp Tata Steel“
Das geplante Joint Venture soll den Namen „thyssenkrupp Tata Steel“ tragen und über eine Holding mit Sitz in den Niederlanden geführt werden. Die Gesellschaft soll über eine zweistufige Managementstruktur aus Vorstand und Aufsichtsrat verfügen. Beide Gremien sollen paritätisch mit Vertretern von thyssenkrupp und Tata besetzt werden. Die Mitbestimmungsstrukturen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien bleiben erhalten.
„Sowohl die Tata-Gruppe als auch thyssenkrupp haben eine große Tradition in der weltweiten Stahlindustrie und teilen ähnliche Kultur und Werte. Diese Partnerschaft ist ein Meilenstein für beide Partner. Es soll sich darauf konzentriert werden, ein starkes, europaweites Stahlunternehmen auf- und auszubauen. Die strategische Logik des geplanten Joint Ventures in Europa fußt auf einem sehr starken Fundament. Ich bin zuversichtlich, dass thyssenkrupp Tata Steel eine große Zukunft bevorsteht“, kommentiert Natarajan Chandrasekan, Chairman von Tata Steel, die Absichtserklärung.
thyssenkrupp baut 2.000 Arbeitsplätze ab
Die stets geäußerten Befürchtungen der Gewerkschaften, dass ein Zusammenschluss mit einem Arbeitsplatzabbau einhergeht, scheinen sich zu bestätigen. So sollen im gesamten Gemeinschaftsunternehmen in den kommenden Jahren bis zu 2.000 Stellen in Verwaltungsbereichen und möglicherweise bis zu 2.000 Stellen in der Produktion abgebaut werden. Der Stellenabbau soll sich je zur Hälfte auf die beiden Unternehmen verteilen, also insgesamt etwa 2.000 Stellen auf thyssenkrupp. Der Stahlstandort von thyssenkrupp in Duisburg soll aber erhalten bleiben.
Der Essener Konzern würde nach offizieller Mitteilung den Geschäftsbereich Steel Europe in das geplante Joint Venture einbringen. Es ist außerdem beabsichtigt, die thyssenkrupp MillServices & Systems GmbH, die stahlwerksnahe Dienstleistungen erbringt und zum Geschäftsbereich Materials Services gehört, in das Gemeinschaftsunternehmen zu überführen. Tata würde sämtliche Flachstahlaktivitäten in Europa einbringen.
Joint-Venture bringt Kosteneinsparungen
"Durch die Integration von Vertrieb, Forschung und Entwicklung sowie weiterer Aktivitäten können gemäß ersten Schätzungen Kostensynergien im Bereich von 400 bis 600 Millionen Euro pro Jahr erzielt werden", sagt Koushik Chatterjee, Group Executive Director von Tata Steel.
In den kommenden Monaten wird nun eine so genannte Due Diligence vorgenommen. Dabei gewähren sich die Verhandlungspartner gegenseitig Einblick in vertrauliche Geschäftsunterlagen, soweit zwischen Wettbewerbern zulässig. Auf dieser Grundlage und auf Basis der Gespräche mit dem gesamten Aufsichtsrat wird für Anfang 2018 die Unterzeichnung eines Vertrages angestrebt. Das Closing, also der tatsächliche Vollzug des Zusammenschlusses, könnte dann nach Zustimmung der Fusionskontrollbehörden Ende 2018 erfolgen.
Quelle: thyssenkrupp, Tata Steel Europe Artikelfoto: Heinrich Hiesinger (Foto: thyssenkrupp)