Stuttgarter Oberflächentechnik-Preis 2020: Die Sieger stehen fest
von Hubert Hunscheidt
In normalen Zeiten wird der Stuttgarter Oberflächentechnik-Preis »DIE OBERFLÄCHE« auf der internationalen Fachmesse Surface Technology Germany verliehen. Weil diese 2020 aber zunächst verschoben und dann abgesagt werden musste, hat die Jury die Preisverleihung heute per Videokonferenz nachgeholt.
Die Oberflächentechnik ist maßgeblich am Innovationsgrad und Fortschritt zahlreicher Branchen beteiligt. In der Öffentlichkeit wird das aber kaum wahrgenommen. »Der Stuttgarter Oberflächentechnik-Preis ›DIE OBERFLÄCHE‹ hat deshalb das Ziel, diese allgegenwärtige und dennoch oft übersehene Querschnitts- und Schrittmachertechnologie zu würdigen und neuartige Anwendungen aus diesem Bereich voranzutreiben«, sagt Martin Metzner. Er leitet die Abteilung Galvanotechnik am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und hat den Preis 2012 ins Leben gerufen. Bis heute ist er Mitglied der interdisziplinären Jury, die die Auszeichnung alle zwei Jahre vergibt.
Metzner hat zusammen mit den anderen beiden Juroren, Michael Hilt und Martin Riester, anhand der Kriterien Innovationsgrad, Nachhaltigkeit, Enabler-Qualitäten und industrielle Machbarkeit die drei Preisträger aus 23 Bewerbungen ausgewählt. Die Preisverleihung fand heute Nachmittag per Videokonferenz statt. Die Pokale haben die Preisträger vorab zugesandt bekommen, durften die Pakete aber erst während der Siegerehrung öffnen, um zu erfahren, welchen Platz sie belegt haben.
1. Platz
Daimler Truck AG
Integrierter Lackierprozess für Lkw-Fahrerhäuser
Mit »Eco Paint Process Trucks« (EP-T) ist es den Ingenieuren um Thomas Steigleder von der Daimler Truck AG gelungen, einen umweltfreundlichen und flexiblen Lackierprozess für Lkw-Fahrerhäuser zu entwickeln. Dabei werden die Lackmaterialien in einer Box vollautomatisiert aufgetragen. Zusätzlich konnte eine energieeffiziente und ressourcenschonende Trockenabscheidung des Lackoversprays realisiert werden. Das Temperaturniveau der Decklacktrocknung ist von 140 Grad auf 80 Grad gesenkt worden. Insgesamt fallen die CO2-Emissionen dieses integrierten Lackierprozesses um mehr als 50 Prozent geringer aus. Weil das Lkw-Fahrerhaus in der Lackierbox nicht bewegt werden muss, reduziert sich zudem die Länge der Anlage um über 60 Prozent.
»Dieser Prozess beantwortet die Frage positiv, ob es mit moderner und ultrakompakter Anlagentechnik möglich ist, automatisiert, aber ähnlich einem Handlackierer, ein großes Objekt komplett auf Lösemittelbasis hocheffizient und umweltschonend zu lackieren«, lobt Jurymitglied Michael Hilt, Geschäftsführer der Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e.V.
2. Platz
Atlas Copco IAS GmbH und Audi AG
Applikationsprozess für PVC-Materialien zum Abdichten von Karosserien
Gemeinsam haben es Sten Mittag von der Atlas Copco IAS GmbH aus Essen und Gido Hoppe von der Audi AG geschafft, mit dem neuartigen Applikationsverfahren »IDDA.Seal« die PVC-Auftragsmenge je Fahrzeug zu minimieren. Es wird nämlich nur die kleinstmögliche Mengeneinheit als Einzeltropfen appliziert. Die hochfrequente Aneinanderreihung der Tropfen ergibt eine geschlossene, homogene PVC-Applikationsbahn. Zusätzlich wird mit dem hochpräzisen und materialsparenden Verfahren der Automatisierungsgrad erhöht, die Qualität gesteigert und die manuelle Nacharbeit deutlich reduziert. IDDA.Seal kommt bei der Bördelfalzversiegelung, beim Nahtabdichten am Unterboden oder im Innenraum von Fahrzeugen zum Einsatz.
»Das Applikationsverfahren IDDA.Seal stellt eine klare Innovation gegenüber den bisherigen Verfahren zur Dichtstoffapplikation dar. Es ermöglicht die automatisierte Abdichtung auch für komplexe Geometrien, wie sie bei modernen Automobilkarosserien vorliegen. Durch präzise und flexible Applikation mit variabler Auftragsbreite wird Nacharbeit vermieden und Material eingespart«, sagt Juror Martin Riester, Referent Fachabteilung Oberflächentechnik beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
3. Platz
Umicore Galvanotechnik GmbH
Korrosionsbeständige Rhodium-Ruthenium-Legierung
Wenn die Edelstahl- oder Goldbeschichtungen an der Ladebuchse von Smartphones oder Tablet-PCs häufig in Kontakt mit Hautschweiß oder Meerwasser kommen, korrodieren sie sehr schnell. Uwe Manz, Leiter Forschung und Entwicklung bei der Umicore Galvanotechnik GmbH in Schwäbisch Gmünd, hat deshalb mit »RHODUNA® Alloy« eine korrosionsbeständige Rhodium-Ruthenium-Legierung entwickelt. Sie ermöglicht es, dass Endkunden ein Produkt länger nutzen können und Hersteller sich unzählige Reklamationen ersparen.
»Der Umicore Galvanotechnik GmbH ist es gelungen, durch Weiterentwicklung einer aus der Schmuckveredelung kommenden Legierung, den komplexen und oft widrigen Einflüssen zu begegnen, denen die Kontakte mobiler Endgeräte ausgesetzt sind. Es handelt sich um einen Rhodium-Ruthenium-Legierungselektrolyt, der nicht nur in Bezug auf die schichttechnischen Anforderungen entwickelt wurde, sondern auch in Durchlauf-Massenproduktionsanlagen eingesetzt wird«, hebt Martin Metzner hervor.
Quelle und Fotos: Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA