Studie über nachhaltiges Schiffsrecycling in Deutschland
von Hubert Hunscheidt
In Ihrem Koalitionsvertrag betont die Ampelkoalition die Notwendigkeit einer wettbewerbsfähigen maritimen Wirtschaft, über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, einschließlich des Schiffsrecyclings.
Derzeit gibt es in Deutschland keine genehmigte Schiffsrecyclinganlage. Deshalb hat das Deutsche Maritime Zentrum e.V. eine Studie zur Analyse des Marktumfelds für nachhaltiges Schiffsrecycling in Europa (nach Schiffstyp bzw. -kategorie) mit Fokus auf dem Potenzial von Schiffsrecyclingwerften in Deutschland beauftragt. Dahinter steht der Gedanke, dass eine Vielzahl der beim Abwracken eines Schiffes anfallenden Produkte recycelbar ist und damit die Kreislaufwirtschaft stärken kann.
Markteintrittsbarrieren in Deutschland
Der rechtliche Rahmen für die materielle Genehmigungsvoraussetzung einer Schiffsrecyclingwerft ist unklar. Schiffsrecyclingwerften gelten als „ortsfeste Abfallentsorgungsanlage“. Ausschlaggebend für ihre Genehmigung nach §4 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz/BImSchG) sind die Größe des Schiffes und die Menge der in ihm enthaltenen Materialien und Gefahrstoffe.
Die Zuständigkeit zur Zulassung eines Schiffrecyclingplans wie auch die Art der Zustimmung ist in Deutschland nicht geklärt. Die Art der Zustimmung kann gemäß EU-Verordnung zum Schiffsrecycling (Verordnung (EU) Nr. 1257/2013) entweder ausdrücklich, also aktiv durch eine Freigabe des Recyclingplans durch eine Behörde, oder stillschweigend, indem die Behörde durch ihre Untätigkeit zustimmt, ohne die Zustimmung anders zu erklären, erfolgen. Ebenfalls gemäß der EU-Verordnung,ist die zuständige Behörde eine vom Mitgliedsstaat benannte Regierungsbehörde. Sie ist in einem bestimmten Gebiet oder Fachbereich für Abwrackeinrichtungen zuständig. Auch hier fehlt es in Deutschland an klaren Zuständigkeitsregelungen.
Hohe Lohnkosten, bürokratische Hürden sowie hohe Finanzierungsvolumina für den Kauf abzuwrackender Schiffe stellen in Deutschland erhebliche Markteintrittsbarrieren dar. Dies gilt auch für europäische Schiffsrecyclingwerften, wenn sie auch weniger bürokratische Hürden überwinden müssen. Der überwiegende Teil der weltweiten Schiffsrecyclingaktivitäten findet nach wie vor in Indien, Pakistan und Bangladesch statt. In Europa spielt sich der Großteil der Schiffsrecyclingaktivitäten in der Türkei ab, dies wird voraussichtlich auch zukünftig so bleiben. Im internationalen Wettbewerb nehmen die anderen europäischen Länder derzeit nur eine Nebenrolle ein – es werden geringe Stückzahlen kleinerer und mittlerer Schiffe recycelt.
Chancen für den Aufbau deutscher Schiffsrecyclingbetriebe
Stahlunternehmen werden im Zuge der Umstellung zu „Green Steel“ zukünftig mehr Stahlschrott verwenden. Green Steel ist teuer. Um ihn kostenrelevant produzieren zu können, braucht es bei seiner Gewinnung einen hohen Automatisierungsgrad in Bezug auf den Einsatz von Personal. Einen Teil des Bedarfs kann durch, aus dem Schiffsrecycling gewonnen Stahl, gedeckt werden. Die maritime Wirtschaft würde damit einen Beitrag zur klima- und ressourcensparenden Kreislaufwirtschaft leisten.
Schiffsrecycling kann in Deutschland auch auf dem Areal bestehender Werften neben dem Neubau und dem Umbau/der Reparatur von Schiffen erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass bei der Einrichtung einer Schiffsrecyclinganlage nur ein Teil der Werft zum Zwecke des Schiffsrecyclings genutzt und ausgewiesen wird. Nur für diesen Teil des Areals des Schiffbauunternehmens müsste eine Genehmigung beantragt werden. Die bereits bestehenden Genehmigungen für das verbliebene Werftgelände blieben unangetastet. Das bedeutet, dass im Rahmen des BImSchG bereits erteilte Genehmigungen nicht verlorengehen.
In Deutschland soll die Rentabilität einer Schiffsrecyclingwerft in einem Pilotprojekt getestet werden. Ein solches Projekt will das Deutsche Maritime Zentrum gern begleiten und unterstützen, um die auftauchenden, spezifischen (v.a. rechtlichen) Probleme identifizieren und bearbeiten zu können.
Quelle: Deutsches Maritimes Zentrum e.V. / Foto: Ulli / pixelio.de