Studie: Südwestfalens Industrie auf dem Weg zu 4.0

von Alexander Kirschbaum

Die Agentur PSV Marketing hat gemeinsam mit dem Partner HEES Bürowelt eine Umfrage unter 198 Unternehmensentscheidern initiiert. Die erste Studie zum digitalen Status quo Südwestfalens bietet durchaus überraschende Ergebnisse. „Uns selbst hat die Untersuchung zwar auch in einigen Teilen überrascht, aber sie zeigt auch, was wir zumindest vermutet haben“, sagt Frank Hüttemann, Geschäftsführer der Agentur PSV Marketing. „Das, was in der Gesellschaft an digitalem Wandel vom Internet bis zum Smartphone längst angekommen ist, färbt natürlich auch auf die Unternehmenswelt ab. Controlling, Rechnungswesen und Vertrieb sind bereits sehr stark digitalisiert.“

Sebastian Leipold, Geschäftsführer der HEES Bürowelt, zieht ein ähnlich positives erstes Resumée: „Es freut uns, dass wir durchaus besser dastehen, als von vielen erwartet – allen Unkenrufen zum Trotz. Denn die befragten Unternehmen schätzen sich beim Grad der Digitalisierung im oberen Mittelfeld ein. Und fast alle planen ihre digitalen Maßnahmen aktiv zu verstärken. Es gibt ihn also durchaus, den digitalen Wandel in Südwestfalen.“

In konkreten Zahlen spiegeln sich diese Fakten beispielsweise in 92 % der befragten Unternehmen wider, die der Digitalisierung eine sehr hohe Bedeutung für ihre jeweilige Branche beimessen. Eine hohe strategische Relevanz macht das Thema für 96 % der Unternehmen aus. Bedenkt man, dass für die südwestfälische Wirtschaft vorwiegend das produzierende Gewerbe typisch ist, zeichnet sich hier das Bild eines traditionellen mittelständischen Unternehmertums ab, das den teils radikalen Wandel von Arbeit und Organisation offen angeht.

Kundenorientierung nur als Treiber für Prozesse?

Angeregt wird der Wandel von Vorständen und Geschäftsleitungen. Die Kundenorientierung steht dabei besonders im Fokus. Markttrends wie die Individualisierung von Produkten und Leistungen sowie die sich mehr und mehr online abspielende Beschaffungsdynamik zwingen Unternehmen dazu, die Digitalisierung voranzutreiben.

Marketing spielt dabei eher eine Nebenrolle. Für Frank Hüttemann ein Widerspruch: „Ich brauche doch das Marketing, um Kundenbedürfnisse zu ermitteln. Insbesondere mit fortschrittlichen Online-Marketing-Werkzeugen kann man die Informationsbedürfnisse potenzieller Kunden ausgezeichnet messen und analysieren.“

Die größten Herausforderungen

13,55 % der befragten Unternehmen sehen die Sicherheit auf Platz eins der größten Herausforderungen beim digitalen Wandel, dicht gefolgt von der Mitarbeiterkompetenz auf Platz zwei mit 11,61 %. Bei dieser Einschätzung spielt wohl vor allem eine gewichtige Rolle, dass Technologie und Rechtslage in puncto Daten- und Prozesssicherheit noch nicht ausgereift sind. Aufklärungs- und Marktbedarf ist dennoch vorhanden, den die voranschreitende Digitalisierung voraussichtlich decken wird.

Doch was den Faktor Mensch angeht, herrscht Unsicherheit: Denn die Industrie-Region Südwestfalen leidet bereits unter dem Fachkräftemangel. Der demografische Wandel tut sein Übriges: Altersstrukturen in Unternehmen werden zum Problem. Mitarbeiter, die meist jahrzehntelang immer dieselbe Tätigkeit verrichtet haben, lassen sich nur sehr schwer für die neuen Anforderungen der Digitalisierung begeistern. Die Frage nach dem Digitalisierungsgrad des Personals im eigenen Unternehmen wurde von 61 % der Teilnehmer als gering eingestuft.

Nicht die Technik, sondern der Faktor Mensch ist der Studie zufolge also entscheidend für den Erfolg der Digitalisierung. Führungskräfte sind in der Pflicht, ein Umdenken in Unternehmen voranzubringen und Lernen zu fördern und zu fordern. Gefordert ist aber auch ein neuer Blick auf digitale Methoden und Möglichkeiten bei Ausbildung und Studium. Denn die Berufsbilder der Industrie werden sich zweifellos radikal ändern. Und damit heute schon die Anforderungen an vorausschauendes Denken und proaktives Handeln.

Der Faktor Mensch als Hürde

Was die Studie von PSV und HEES zeigt, ist, dass sich ein Großteil der Digitalisierungsprojekte bisher auf die Umstellung von Informationssystemen, die Verbesserung von Prozessen und das vernetzte Arbeiten bezieht. Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass der Erfolg dieser Umstellung von den Mitarbeitern, ihrer Ausbildung und ihrer Führung abhängt. Die Digitalisierung erfordert kollaboratives Arbeiten, transparente Prozesse und eine flexiblere, ortsunabhängige Kommunikation – Eigenschaften, die in der klassischen Industrie bisher eher beiläufig beachtet und in der Ausbildung kaum behandelt wurden. 

Der digitale Wandel ist für eine Industrieregion wie Südwestfalen, die in ihrer Beschaffenheit stellvertretend für den deutschen, industriellen Mittelstand steht, eine große Chance, das Thema Arbeit in die Zukunft zu bringen. Vorausgesetzt, dass sich die Sichtweise auf das Arbeiten und die Rolle der Mitarbeiter grundlegend verändert. „Ganz gleich, ob hier oder anderswo in Deutschland: Wir müssen Arbeit neu denken, wenn wir den Anschluss an die digitale Welt nicht verpassen wollen“, so Sebastian Leipold. Und Frank Hüttemann fügt hinzu: „Mit der Digitalisierung ändern sich nicht nur die Anforderungen an die Arbeit selbst, sondern auch an den Menschen, der eine Rolle in dieser Arbeit spielt. Vor diesem Hintergrund wollen wir eine Diskussion mit Industrie, Bildung und Politik anstoßen, um Lösungen für unsere und andere Regionen zu finden. Lösungen, die dabei helfen, eben nicht nur die Technologie, sondern vor allem die Haltung im digitalen Wandel weiterzuentwickeln.“

Die vollständige Studie zum Download

Quelle: PSV MARKETING  Bildtext: Das soll die Digitalisierung bringen (Foto: PSV Marketing)

Zurück