Strukturelle und konjunkturelle Probleme auf dem Stahlmarkt
von Hubert Hunscheidt
Die Dillinger Gruppe (Aktien-Gesellschaft der Dillinger Hüttenwerke (Dillinger) mit ihren Tochtergesellschaften) und der Saarstahl-Konzern (Saarstahl AG mit Tochtergesellschaften) verzeichneten ein sehr schwieriges Geschäftsjahr 2019. Neben den sich abschwächenden konjunkturellen Rahmenbedingungen stellte das strukturelle Umfeld weiterhin für die gesamte europäische Stahlindustrie eine große Herausforderung dar: der zunehmende Protektionismus und die damit verbundenen Zölle verteuern die Produkte der europäischen Stahlerzeuger; die globalen Überkapazitäten bestehen weiterhin und der EU-Stahlmarkt leidet trotz eingeleiteter SafeguardMaßnahmen zur Eindämmung von Handelsumlenkungen weiterhin an hohen Importen.
Der Vorsitzende des Vorstands und Finanzvorstand von Saarstahl und Dillinger, Tim Hartmann, kommentierte das Geschäftsjahr 2019 bei der ersten gemeinsamen Jahrespressekonferenz der beiden Unternehmensgruppen: „Uns haben die strukturellen und konjunkturellen Probleme auf dem Stahlmarkt empfindlich hart getroffen. Die Ergebnisse blieben hinter unseren Erwartungen zurück. Neben dem Rückgang der Mengen und Umsatzerlöse, ist dies zudem auf Schwächen in unserer Kostenstruktur zurückzuführen. Außerdem wirkten sich die deutlich höheren Rohstoffbeschaffungspreise einschließlich der Kostenbelastungen durch den CO2-Emissionszertifikatehandel negativ aus. Die Ergebnisse sind zudem durch Vorsorge für geplante Restrukturierungsmaßnahmen belastet. Mit der konsequenten Umsetzung unseres Zukunftsprogramms „offensiv, CO2-frei, effizient“, haben wir 2019 klare Ziele definiert, um nachhaltig profitabel zu sein und die Transformation zur CO2-freien Herstellung unseres Stahles erfolgreich zu gestalten.“
Und Hartmann erläutert weiter: „Die Wachstumsziele im Vertrieb sind zu 100% mit Maßnahmen unterlegt und in die dreijährige Mittelfristplanung integriert. Hier konnten auch bereits erste Erfolge erzielt werden, wie z.B. der Einstieg in den Schienenmarkt. Die bisher mit Maßnahmen unterlegten Einsparpotentiale bilden über 75% der insgesamt gesetzten Kostenziele ab und zeigen uns die Chancen auf, die wir haben. Nun müssen wir mit der Umsetzung beginnen. Die aktuelle Corona-Krise wird den Prozess in Teilen verzögern. An den Zielen halten wir fest. Wir wollen, dass die modernste Stahlindustrie hier im Saarland steht“.
Die Lage auf dem Markt für Draht und Stab sowie für Grobblech war 2019 weiterhin sehr angespannt. Konjunkturell waren die Unternehmen stark belastet durch Nachfragerückgänge und Umbrüche in den wichtigen Abnehmersegmenten wie der Automobilindustrie und dem Maschinenbau. Dies hat dazu geführt, dass Saarstahl seit September Kurzarbeit fährt. Dillinger konnte 2019 in den ersten drei Quartalen von einer sehr guten Nachfrage in einzelnen Bereichen profitieren. Der Rohrblechmarkt blieb das ganze Jahr stark unter Druck. Auch Dillinger musste somit in den Monaten Januar und Februar 2020 Kurzarbeit fahren.
Deutlich negative Ergebnisse – Investitionen bleiben hoch
Die Umsatzerlöse des Saarstahl-Konzerns gingen um 12,7 % auf 2,206 Mrd. € (Vorjahr: 2,528 Mrd. €) zurück. Das konsolidierte EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) des Saarstahl-Konzerns betrug - 18,5 Mio. € (2018: 210,6 Mio. €) und das konsolidierte EBIT, also das Ergebnis vor Zinsen und Steuern, auf - 127,6 Mio. € (2018: 98,8 Mio. €). Die Investitionen im Saarstahl-Konzern beliefen sich auf 105,2 Mio. € (2018: 67,7 Mio. €). Die bedeutendste Investition war der Bau der neuen Stranggießanlage S1, der Ende 2019 fertiggestellt wurde. Damit setzt Saarstahl erneut den Benchmark bei Produktqualität und Kundenservice im Langprodukte-Bereich.
Die Umsatzerlöse der Dillinger Gruppe gaben um 5,2 % auf 2,087 Mrd. € (Vorjahr: 2,201 Mrd. €) nach. Das konsolidierte EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) der Dillinger Gruppe belief sich auf 8,5 Mio. € (2018: 162,1 Mio. €) und das konsolidierte EBIT, also das Ergebnis vor Zinsen und Steuern, auf - 116,1 Mio. € (2018: 38,5 Mio. €). Die Investitionen in der Dillinger Gruppe beliefen sich auf 72,4 Mio. € (2018: 54 Mio. €). Davon geht ein Großteil in Maßnahmen zur Verbesserung des Umweltschutzes am Standort Dillingen bei ROGESA – zum Beispiel in den erstmaligen Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsmittel im Hochofen. In beiden Unternehmensgruppen wurde darüber hinaus Vorsorge für die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen gebildet.
Ausblick 2020
Die Prognosen für das begonnene Geschäftsjahr 2020 sind mit großen Herausforderungen und Unwägbarkeiten behaftet. Die Ausbreitung des Coronavirus verstärkt die bereits große Unsicherheit spürbar. Die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft und unsere Unternehmen sind derzeit schwer absehbar, zeichnen sich aber als massiv ab. Zu Beginn des Jahres 2020 bleiben zudem die herausfordernden Marktbedingungen – Überkapazitäten, Importdruck, Konjunkturflaute in unseren Kernabnehmersegmenten – weiter bestehen und erschweren derzeit für beide Unternehmen eine anhaltend gute Auslastung und eine spürbare Anhebung der Preise. Mit einem Anziehen der Nachfrage wird im zweiten Halbjahr gerechnet.
Bildtext (Beitragsfoto): Die erfolgreiche Transformation der Stahlindustrie im Zuge der Industrie 4.0 benötigt das beste Fachpersonal. Dillinger investiert 6,5 Millionen Euro in den Bau eines neuen Ausbildungszentrums.
Quelle und Fotos: SHS - Stahl-Holding-Saar GmbH & Co. KGaA