Standortfaktor Energie – Energiewende-Barometer 2024 gibt Warnsignal
von Hubert Hunscheidt
Die aktuellen Pläne der Bundesregierung für ein Wachstumspaket zum Bundeshaushalt 2025 werden dieser Herausforderung nicht gerecht. Wie stark die Energiefragen insbesondere Industriebetriebe belasten, zeigt das bundesweite Energiewende-Barometer der IHK-Organisation mit seinen aktuellen Werten. Mit dem Barometer holt die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) seit 2012 jedes Jahr die Einschätzungen von rund 3.300 Unternehmen aus der Breite der deutschen Wirtschaft zur Energiewende ein.
Zweitschlechtester Wert in der Geschichte der Umfrage
Auf die zentrale Frage nach den Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens finden die Befragten im Jahr 2024 eine eindeutige Antwort: In einer Skala von minus 100 für "sehr negativ" bis plus 100 für "sehr positiv" ergibt sich aktuell über alle Branchen hinweg ein Wert von minus 20. Das ist der zweitschlechteste Wert in der Geschichte des Energiewende-Barometers. Nur im Vorjahr, also 2023, wurde bislang ein noch schlechterer Wert erreicht. Die Betriebe erkennen also weiterhin deutlich mehr Risiken als Chancen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit.
Besonders problematisch: Die Energiewende verstärkt die Abwanderung
Die Zahl der Industriebetriebe, die aufgrund veränderter energiepolitischer Rahmenbedingungen Produktionseinschränkungen oder eine Abwanderung ins Ausland erwägen, steigt kontinuierlich – von 16 Prozent im Jahr 2022 auf 31 Prozent in 2023 und auf 37 Prozent in der aktuellen Umfrage. Überdurchschnittlich stark ist die Tendenz bei Industriebetrieben mit hohen Stromkosten (2022: 25 Prozent – 2023: 38 Prozent – 2024: 45 Prozent) sowie bei Industrieunternehmen mit 500 oder mehr Beschäftigten. Unter Letzteren hat sich der Anteil der Betriebe mit Produktionseinschränkungen und Abwanderungsplänen von 37 Prozent im Jahr 2022 auf aktuell 51 Prozent erhöht. Das bedeutet: Eine Mehrzahl der großen Unternehmen erwägt oder realisiert den Abbau von Kapazitäten im Inland als Reaktion auf Veränderungen in der Energiewirtschaft und -politik.
Erwartungen der Wirtschaft an die Politik
Die Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft bei den Energiepreisen bleiben eine zentrale Investitionsbremse. Hier greifen die gegenwärtigen Ampelbeschlüsse zu kurz, wie das DIHK-Präsident Peter Adrian bereits Anfang Juli bei der Vorstellung der Pläne für ein sogenanntes Wachstumspaket thematisiert hatte. Die Rückmeldungen aus der Umfrage zeigen, dass die Probleme der Energieversorgung und deren Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland auf dem bisherigen Weg nicht zu beheben sind. Die Unternehmen erwarten von der Politik mehr Freiwilligkeit, mehr Verlässlichkeit und weniger Detailsteuerung. Beim Ranking der Transformationshemmnisse liegt die hohe Bürokratiebelastung auf Platz eins, eng gefolgt von fehlender Planbarkeit. Jeweils fast zwei Drittel der Befragten fühlen sich hierdurch ausgebremst.
Die Verbesserung bei Eigenversorgung und Direktlieferverträgen wird nicht nur für die Industrie, sondern für alle Unternehmen immer wichtiger – fast 90 Prozent fordern hier eine Anpassung der Rahmenbedingungen. Vier von fünf Betrieben sehen Engpässe bei Übertragungs- und Verteilnetzen als zunehmendes Problem für eine stabile Energieversorgung an. Für rund 80 Prozent ist die weitere Senkung der Steuern und Abgaben beim Strompreis eine zentrale Forderung. Zudem mahnen fast zwei Drittel der Befragten mit Blick auf den verlässlichen Zugang zu Wasserstoff mehr Planungssicherheit an.
Die Wachstumsbremsen durch die Energiepolitik lassen sich nur durch ein Umdenken lösen. Unternehmen brauchen eine nachhaltige Perspektive für eine verlässliche Energieversorgung mit wettbewerbsfähigen Preisen. Die DIHK hat zehn zügig wirksame Maßnahmen für gute Standortbedingungen in Deutschland vorgeschlagen, die klare Ziele für die Energiewende und verlässliche, glaubwürdige Rahmenbedingungen für das Wirtschaften am Standort Deutschland nach 2030 aufzeigen.
Quelle: DIHK | Deutsche Industrie- und Handelskammer / Foto: marketSTEEL