Stahlsparte von Thyssenkrupp fährt Verluste ein

von Hubert Hunscheidt

In einem herausfordernden Umfeld mit weiterhin hohen Energiepreisen und hoher Inflation hat die Unternehmensgruppe thyssenkrupp im 2. Quartal des Geschäftsjahres 2022/2023 die robuste Geschäftsentwicklung fortgesetzt. Während der Umsatz insgesamt nur leicht gegenüber dem Vergleichsquartal auf 10,1 Mrd € gesunken ist (Vorjahr: 10,6 Mrd €), lagen die Auftragseingänge mit insgesamt 10,2 Mrd € erwartungsgemäß deutlich unter dem Vergleichswert des Vorjahres (13,6 Mrd €). Dies ist vor allem auf eine Normalisierung der Preise bei Materials Services und transaktionsbedingte Rückgänge im Segment Multi Tracks zurückzuführen. Zudem hatte Marine Systems im Vorjahresquartal einen Großauftrag verbucht. Das Bereinigte EBIT lag den Erwartungen entsprechend mit 205 Mio € ebenfalls unter Vorjahr (802 Mio €). Ursächlich dafür waren vorrangig deutlich höhere Rohstoff- und Energiekosten bei Steel Europe sowie niedrigere Preise und damit einhergehend gesunkene Margen bei Materials Services. Ergebnisverbesserungen bei Automotive Technology, Marine Systems und Multi Tracks – mit einem erstmals positiven Ergebnisbeitrag – konnten diese Entwicklung nur teilweise kompensieren. Der Free Cashflow vor M&A hat sich sowohl gegenüber dem Vorjahr als auch dem Vorquartal deutlich verbessert. Die Sicht auf die weitere Entwicklung im laufenden Geschäftsjahr hat sich verfestigt; das Unternehmen strebt nun einen leicht positiven Wert bei dieser Kennzahl an (bisher: mindestens ausgeglichener Wert). Die Prognose für die weiteren Finanzkennzahlen (Bereinigtes EBIT, Jahresüberschuss) wurde bestätigt.

Martina Merz, Vorstandsvorsitzende der thyssenkrupp AG: „thyssenkrupp hat ein robustes zweites Quartal hingelegt. Die Ergebnisse zeigen, dass wir inzwischen sehr viel stärker und widerstandfähiger aufgestellt sind. Die dezentrale Aufstellung als Unternehmensgruppe und die Fokussierung des Portfolios zahlen sich aus. Wir richten uns in allen Geschäften systematisch und gezielt auf Zukunftsthemen aus, die Chancen für eine werthaltige Entwicklung mit sich bringen. Das gilt vor allem für die grüne Transformation und insbesondere für die Wasserstoffwirtschaft. Es gilt jetzt, den eingeschlagenen Kurs weiter umzusetzen und das Tempo weiter zu erhöhen. Die Personalveränderung an der Spitze des Vorstandes wird das Unternehmen in dieser Phase der Umsetzung des Umbaus nicht bremsen. Die wesentlichen strategischen Initiativen werden weiter konsequent verfolgt.“

Entwicklung in den Segmenten im 2. Quartal 2022/2023

Bei insgesamt leicht steigendem Absatz verbuchte Materials Services im 2. Quartal des Geschäftsjahres 2022/2023 aufgrund der normalisierten Materialpreise einen Auftragseingang von 3,9 Mrd € nach einem Höchststand im Vorjahreszeitraum (4,5 Mrd €). Auch der Umsatz lag mit 3,9 Mrd € unter Vorjahr (4,5 Mrd €). Diese Entwicklung zeigte sich insbesondere beim europäischen Werkstoffhandel- und Service-Center-Geschäft sowie im Streckengeschäft, während die nordamerikanischen Einheiten ein leichtes Umsatzplus verzeichnen konnten. Das Bereinigte EBIT lag bei 85 Mio € nach 336 Mio € im Vorjahr. Grund dafür sind vor allem sinkende Margen infolge der gesunkenen Materialpreise.

Industrial Components konnte sowohl den Auftragseingang als auch den Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 3 bzw. 4 Prozent auf jeweils 0,7 Mrd € steigern. Das Bereinigte EBIT des Segments betrug 61 Mio € (Vorjahr: 65 Mio €). Der Auftragseingang im Bereich Großwälzlager lag aufgrund der schwächeren Entwicklung in den industriellen Anwendungsbereichen leicht unter Vorjahresniveau. Beim Umsatz hingegen konnte das Geschäft das Vorjahresniveau halten. Deutlich gestiegene Vormaterial- und Energiekosten sowie gesunkene Preise im Bereich Windenergie in China sorgten für eine rückläufige Ergebnisentwicklung. Das Schmiedegeschäft konnte Auftragseingang und Umsatz verbessern. Mit konsequent fortgeführten Kostensenkungsmaßnahmen hat das Geschäft das Bereinigte EBIT trotz gestiegener Energiekosten im Vergleich zum Vorjahresquartal leicht übertroffen.

Automotive Technology konnte sowohl den Auftragseingang als auch den Umsatz um jeweils 21 Prozent auf 1,4 Mrd € verbessern. Dabei machte sich die erhöhte Kundennachfrage insbesondere im automobilen Seriengeschäft bemerkbar. Allerdings war das Wachstum durch die eingeschränkte Verfügbarkeit von elektronischen Halbleitern weiterhin begrenzt. Das Segment konnte das Bereinigte EBIT von 3 auf 89 Mio € steigern. Grund dafür sind operative Ergebnisverbesserungen sowie ein positiver Einmaleffekt aufgrund einer Vereinbarung mit einem Lieferanten zu einem Qualitätsfall aus Vorjahren. Eine strikte Kostenkontrolle, die Verhandlung neuer Preiskonditionen und Effizienzmaßnahmen konnten den Kostenanstieg u. a. bei den Beschaffungskosten kompensieren.

Steel Europe konnte durch deutlich gestiegene Bestellmengen – insbesondere aus dem Bausektor und der Autoindustrie - den Auftragseingang um 9 Prozent auf 3,7 Mrd € steigern. Trotz leicht gestiegener Versandmengen lag der Umsatz mit 3,3 Mrd € um 2 Prozent unter Vorjahr. Hier machten sich die niedrigeren Spotmarktpreise bemerkbar, wobei die längerfristigen Verträge stabilisierend wirkten. Die im Vergleich zum Vorjahresquartal deutlich höheren Rohstoff- und Energiekosten führten zu einem Bereinigten EBIT von -14 Mio € (Vorjahr: 479 Mio €). Positive Effekte aus den fortschreitenden Restrukturierungen und die laufenden Performancemaßnahmen im Zuge der Umsetzung der „Stahlstrategie 20-30“ konnten diese Entwicklung abmildern.

Nach einem Großauftrag im Unterwasserbereich im Vergleichszeitraum lag der Auftragseingang von Marine Systems mit 135 Mio € deutlich unter Vorjahr (3,1 Mrd €). Der Umsatz stieg um 4 Prozent auf 498 Mio €. Beim Bereinigten EBIT verbesserte sich das Geschäft aufgrund eingeleiteter Performance-Maßnahmen deutlich auf 14 Mio € (Vorjahr: 3 Mio €).

Nach den Abgängen des Edelstahl- und Mininggeschäftes Ende Januar bzw. August 2022 liegen Auftragseingang und Umsatz des Segments Multi Tracks bei 1,0 Mrd € (Vorjahr: 1,3 Mrd €) bzw. 0,8 Mrd € (Vorjahr: 1,0 Mrd €). Beim Auftragseingang verzeichnete die Mehrzahl der weitergeführten Geschäfte ein Plus gegenüber dem Vorjahresquartal. Beim Umsatz konnten sich alle Geschäfte im Vergleich zum Vorjahr steigern. Sowohl der Anlagenbau als auch thyssenkrupp nucera konnten die Umsätze aufgrund von Fortschritten bei Großprojekten deutlich verbessern. Auch Automation Engineering profitierte im Umsatz vom wachsenden Neugeschäft aus den Vorquartalen. Bei Springs & Stabilizers lag der Umsatz durch die Weitergabe von Material- und Energiepreiserhöhungen deutlich über Vorjahr. Das Bereinigte EBIT des Segments wies mit 7 Mio € nach erfolgreicher Restrukturierung und verbesserter Projektabwicklung erstmals ein positives Ergebnis aus (Vorjahr: -33 Mio €). Alle weitergeführten Geschäfte zeigten Ergebnisverbesserungen.

Das Bereinigte EBIT von Corporate Headquarters lag bei -41 Mio € (Vorjahr: -36 Mio €).

2. Quartal 2022/2023: Kennzahlen thyssenkrupp Gruppe (inkl. nicht fortgeführter Aktivitäten)

Unter dem Strich weist thyssenkrupp im 2. Quartal 2022/2023 einen Periodenfehlbetrag von -203 Mio € aus (Vorjahr: 587 Mio €). Darin enthalten sind knapp 350 Mio € Wertberichtigungen bei Steel Europe, die aufgrund des deutlich gestiegenen Zinsniveaus und eines damit einhergehenden höheren Kapitalkostensatzes vorgenommen werden mussten. Nach Abzug der Minderheitenanteile lag das Netto-Ergebnis im 2. Quartal bei -223 Mio € (Vorjahr: 565 Mio €); das Ergebnis je Aktie betrug -0,36 € (Vorjahr: 0,91 €).

Der Free Cashflow vor M&A hat sich durch die geringere Mittelbindung im Nettoumlaufvermögen erwartungsgemäß sowohl im Vergleich zum Vorquartal (+149 Mio €) als auch zum Vorjahr (+555 Mio €) deutlich verbessert, war aber mit -216 Mio € weiterhin negativ. Unter Berücksichtigung der Dividendenauszahlung verringerte sich das Netto-Finanzguthaben der Gruppe per 31. März 2023 entsprechend auf 2,9 Mrd € (31. Dezember 2022: 3,3 Mrd €). Nach Rückzahlung einer Anleihe Anfang März 2023 über 1,0 Mrd € verfügt thyssenkrupp mit flüssigen Mitteln und freien zugesagten Kreditlinien von insgesamt 7,4 Mrd € weiterhin über eine sehr gute Liquiditätssituation.

Klaus Keysberg, Finanzvorstand der thyssenkrupp AG: „Durch unsere Maßnahmen zum Umbau und zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit sind wir auf einem guten Weg, unser Free Cashflow-Ziel vor M&A im laufenden Geschäftsjahr zu erreichen. Wir arbeiten mit Hochdruck weiter daran, das volle Potenzial aus den Geschäften herauszuholen und die Umsetzung der jeweiligen Zukunftspläne aktiv zu unterstützen. Performance hat für uns nach wie vor höchste Priorität – wir bleiben dran.“

Das Eigenkapital beläuft sich auf 14,0 Mrd € (31. Dezember 2022: 14,5 Mrd €). Mindernd wirkten neben dem Periodenfehlbetrag negative Effekte aus der Währungsumrechnung. Die Eigenkapitalquote liegt weiterhin bei komfortablen knapp 40 Prozent.

Prognose für das Geschäftsjahr 2022/2023

Vorbehaltlich der eingeschränkt verlässlichen Planbarkeit aufgrund der gesamtwirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten hat thyssenkrupp die Jahresprognose 2022/2023 für das Bereinigte EBIT und den Jahresüberschuss bestätigt: Für das Bereinigte EBIT wird ein Wert im mittleren bis hohen dreistelligen Mio-€-Bereich erwartet (Vorjahr: 2,1 Mrd €). Beim Jahresüberschuss strebt die Unternehmensgruppe einen mindestens ausgeglichenen Wert an. Hierin sind die außerplanmäßigen Wertminderungsaufwendungen bei Steel Europe enthalten, die im 2. Quartal insbesondere im Zusammenhang mit höheren Kapitalkosten aufgrund des zuletzt weiter gestiegenen Zinsniveaus stehen.

Für den Free Cashflow vor M&A hat sich die Einschätzung auf das Gesamtjahr verfestigt. Die Unternehmensgruppe erwartet nun bei weiteren Auszahlungen für Restrukturierungen und über Vorjahr liegenden Investitionsausgaben eine Steigerung auf einen leicht positiven Wert (Vorjahr: -476 Mio €, bisher: mindestens ausgeglichener Wert).

Quelle: thyssenkrupp AG / Foto: marketSTEEL

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