Stahlrecyclingbranche kämpft mit schwierigen Rahmenbedingungen

von Hubert Hunscheidt

Was dagegen getan werden kann, diskutierten 460 Branchenvertreter auf dem BDSV Branchentreff Stahlrecycling 2023 in Dresden. Im Mittelpunkt: Der Beitrag der Branche zur Transformation der Stahlindustrie und die Forderung nach öffentlicher Förderung innovativer Sortier- und Aufbereitungstechnologien für Stahl- und Edelstahlschrott.

Konjunkturelle Rahmenbedingungen der Stahlrecyclingbranche

Die konjunkturelle Eintrübung sowohl im Inland als auch auf den Weltmärkten führt derzeit zu einem Rückgang der Nachfrage nach Halb- und Fertigerzeugnissen aus Stahl. So ist die deutsche Rohstahlproduktion im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 5,3 % zurückgegangen. Hier wirkte sich vor allem die schwierige Situation in der Bauwirtschaft aus, die insbesondere die Elektrostahlwerke trifft, die Betonstahl herstellen. Entsprechend fiel der Rückgang der Elektrostahlproduktion mit einem Minus von 13 % im ersten Halbjahr deutlich stärker aus als bei der Rohstahlproduktion. Einige Betonstahlhersteller erwägen bereits, ihre Produktion weiter zu drosseln.

Das konjunkturelle Umfeld spiegelt sich auch in der Verfügbarkeit von Schrott wider. Der Zulauf an Neuschrott war in den vergangenen Monaten um ca. 20 % geringer als üblich. Bei Altschrott meldete der Handel ebenfalls einen deutlich reduzierten Input. Während die leichten Altschrottsorten um bis zu 40 % zurückgingen, verringerte sich die Anlieferung von schwerem Altschrott aufgrund der drastisch gesunkenen Abbruchzahlen um bis zu 60 %.

Infolge der geringeren Schrottverfügbarkeit und der stärkeren Exportnachfrage sind die Stahlschrottpreise auf dem Inlandsmarkt zuletzt um durchschnittlich rund 20 €/t gestiegen. Der gute Exportmarkt wurde durch die Entwicklung des Dollarkurses unterstützt.

Stahlrecyclingbranche treibt Transformation der Stahlindustrie voran

Die Stahlrecyclingbranche spielt eine entscheidende Rolle bei der Transformation der Stahlindustrie in Richtung Nachhaltigkeit und Effizienz und leistet einen wichtigen Beitrag zur CO2-Neutralität. Wissenschaftliche Berechnungen, wie die Fraunhofer IMWS-Studie „Schrottbonus“ zeigt, dass die Stahlindustrie 1,67 Tonnen CO2 einsparen kann, wenn für die Herstellung einer Tonne Stahl nicht Erz und Kokskohle, sondern recycelter Stahl verwendet wird. Bei recyceltem Edelstahl sind dies neuesten Berechnungen zur Folge sogar 6,7 Tonnen CO2.

Hinzu kommt, dass durch den Einsatz von recyceltem Stahl als Rohstoff in der Stahlerzeugung beeindruckende Energieeinsparungen von bis zu 72 % erzielt werden. Diese drastische Reduzierung des Energieverbrauchs trägt dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie zu erhalten und die Gefahr einer Deindustrialisierung in Deutschland abzuwenden.

Die BDSV fordert deshalb, dass auf der stofflichen Seite des Recyclings endlich eine gezielte Förderung stattfindet – ähnlich wie die Stahlindustrie auf der energetischen Seite mit Milliardenbeträgen bei der Umstellung auf die wasserstoffbasierte Stahlerzeugung unterstützt wird. Die bundesweite Förderung würde den Einsatz modernster Analyse-, Sortier- und Recyclingtechniken unterstützen und vorantreiben. Das in Nordrhein-Westfalen öffentlich geförderte Forschungsprojekt REDERS (Reduzierte CO2-Emissionen durch Erhöhung der Recyclingquote bei der Stahlherstellung) könnte hier als Vorbild dienen. Das Ziel sind bessere Schrottqualitäten, die in allen Stahlerzeugungsprozessen für höhere Stahlqualitäten eingesetzt werden können.

Schließlich sind alle Bestrebungen, den freien Welthandel aus rein wirtschaftlichen Interessen der Abnehmer einzuschränken, zurückzuweisen. Solche Beschränkungen wären ökologisch und ökonomisch kontraproduktiv und würden die Weiterentwicklung des Stahlrecyclings in Europa behindern.

Auch die jüngste Entscheidung des EU-Parlaments zum Critical Raw Material Act, in der Stahlschrott als strategischer Sekundärrohstoff eingestuft wird, könnte massive Auswirkungen auf die deutsche und europäische Stahlrecyclingwirtschaft haben. Der in Europa reichlich vorhandene Rohstoff recycelter Stahl würde dadurch überreguliert und die mögliche zusätzliche Exporteinschränkung würde den Markt empfindlich beinträchtigen. Die BDSV wird sich auf nationaler und europäischer Ebene dafür einsetzen, dass diese systemwidrige Entscheidung im Trilogverfahren rückgängig gemacht wird. Hierzu werden die Verbände der Recyclingwirtschaft in Kürze mit dem BMUV und dem BMWK in den Dialog treten.

 Batteriebrände für die Recyclingbranche existenzgefährdend

Falsch entsorgte Lithium-Ionen-Batterien verursachen immer häufiger Brände in Recyclingbetrieben. Dies verursacht nicht nur erhebliche Schäden, sondern treibt auch die Versicherungskosten für die Unternehmen in die Höhe und kann im schlimmsten Fall zur Unversicherbarkeit führen. Diese dramatische Entwicklung gefährdet eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und erfordert dringend Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlwürfen in den Abfallströmen.

Aus Sicht der BDSV ist die ordnungsgemäße Entsorgung von Lithium-Ionen-Batterien und die Vermeidung von Fehlwürfen das zentrale Ziel. Hierzu gehört die Verbesserung der Kennzeichnung und Gestaltung von Elektro- und Elektronikgeräten sowie Batterien, um deren sichere Entnahme zu erleichtern. Zudem sollten Informations- und Aufklärungskampagnen für die Bürgerinnen und Bürger intensiviert werden, damit Elektro- und Elektronikaltgeräte, die Batterien enthalten, an den Sammelstellen getrennt gesammelt werden.

Darüber hinaus müssen kommunale Sammelstellen und der Handel durch Information und Bereitstellung geeigneter Rücknahmebehälter sicherstellen, dass die getrennte Sammlung durchgeführt werden kann. Dazu gehört auch, das eigene Personal entsprechend zu schulen. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Produktdesign. Es ist Teil der erweiterten Herstellerverantwortung, Batterien nur dort einzubauen, wo sie benötigt werden, und die Entnahme der Batterien auf einfache Weise zu ermöglichen.

Die BDSV arbeitet gemeinsam mit anderen Recyclingverbänden an der Umsetzung weitergehender Maßnahmen, um eine gesetzeskonforme Entsorgung durchzusetzen und damit die Brandrisiken der Branche zu minimieren.

Stahlrecyclingbranche startet Ausbildungsinitiative zur Fachkräftesicherung

Demografischer Wandel und Akademisierung sind wesentliche Gründe dafür, dass der Bedarf an Fachkräften auch in der Stahlrecyclingbranche immer schwieriger zu decken ist. Dies bestätigt eine aktuelle Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen der BDSV, nach der fast 90 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten haben, geeignetes Personal zu finden. Deshalb übernimmt die BDSV Verantwortung und startet eine Ausbildungsinitiative zur Unterstützung ihrer Mitgliedsunternehmen.

Die BDSV-Ausbildungsinitiative bietet den Unternehmen die Möglichkeit, aktiv und eigenverantwortlich geeignete Auszubildende zu finden. Sie unterstützt die Mitgliedsunternehmen bei der Ansprache und Besetzung von Ausbildungsplätzen und sorgt für mehr Sichtbarkeit und Reichweite. Die Plattform bietet einen exklusiven Zugang für BDSV-Mitglieder, hier können kostenlos Arbeitgeberprofile angelegt und Ausbildungsplätze veröffentlicht werden. Ausbildungsbetriebe erhalten über einen digitalen Azubimarktplatz niedrigschwellige Blitzbewerbungen von interessierten Jugendlichen direkt in ihr Postfach. Darüber hinaus können Unternehmen multimediales Informationsmaterial zu Branchen und Berufen (z.B. für Schulbesuche oder Social Media) abrufen.

Ab dem 15. November 2023 können Mitgliedsunternehmen der BDSV Arbeitgeberprofile anlegen und Ausbildungsplätze veröffentlichen. Ab dem 2. Januar 2024 startet die BDSV-Ausbildungsinitiative offiziell und ist dann auch für interessierte Jugendliche erreichbar.

Die BDSV-Ausbildungsinitiative folgt dem Gedanken "Hilfe zur Selbsthilfe" und fördert damit die Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Betriebe.

Quelle: BDSV – Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen e.V. / Foto: marketSTEEL

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