Spürbare Erholung der deutschen Wirtschaft wohl erst ab 2025
von Hubert Hunscheidt
Die Erholung der deutschen Wirtschaft verläuft weiterhin schleppend und wird durch eine stockende weltwirtschaftliche Entwicklung zusätzlich erschwert. Erst in den beiden nächsten Jahren dürfte es merklich aufwärts gehen, wie aus der aktuellen Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervorgeht. Mit einer Stagnation in diesem Jahr wird ein Rückfall in die Rezession zwar verhindert. Es verfliegt aber auch die Hoffnung auf eine raschere Erholung, nachdem die leichte Aufwärtsdynamik vom Jahresbeginn wieder abebbte. Ab Ende dieses Jahres stehen die Zeichen dann wieder auf Wachstum: Die DIW-Konjunkturforscher*innen erwarten einen Zuwachs von 0,9 Prozent für 2025, im Folgejahr dürfte ein solides Plus von 1,4 Prozent erzielt werden.
Temporärer Dämpfer für den privaten Konsum
Der private Konsum dürfte sich im weiteren Prognosezeitraum als entscheidende Wachstumsstütze erweisen, auch wenn Zukunftssorgen angesichts leicht steigender Arbeitslosenzahlen und Verunsicherung über wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen die Kauflaune der Verbraucher*innen zuletzt etwas trübten. „Auch die Fußball-Europameisterschaft konnte den privaten Verbrauch nicht anschieben“, sagt DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik. Statt es auszugeben, legen die Verbraucher*innen mehr von ihrem Einkommen auf die hohe Kante. Die Sparquote liegt aktuell bei 10,8 Prozent.
Positive Impulse für den Konsum gehen aber von weiter kräftig steigenden Reallöhnen aus. So stehen zum Jahresende Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst und in der Metall- und Elektroindustrie an, die mit einem deutlichen Lohnplus enden dürften. Auch die kontinuierlich sinkende Inflation, die im August erstmals seit dreieinhalb Jahren wieder unter die Zwei-Prozent-Marke fiel, wird wohl dem Konsum bereits in diesem Jahr wieder Schwung verleihen.
Industriemotor stottert – Hoffen auf Investitionen im Ausland
Bremsspuren hinterlässt die sonst so exportstarke deutsche Industrie, die nun schon seit Jahren schwächelt. Die Dienstleistungen präsentieren sich dagegen robuster und dürften die Konjunktur im weiteren Prognoseverlauf stützen. „Die Schere zwischen produzierendem Gewerbe und Dienstleistungen geht immer weiter auseinander“, so Dany-Knedlik. „Die Nachfrage nach deutschen Industriegütern ist im In- und Ausland nach wie vor schwach, der Auftragsmangel wird zunehmend zum Problem. Es bleibt aber zu hoffen, dass eine langsam anziehende Investitionstätigkeit im Ausland auch die deutsche Industrieproduktion wieder etwas in Gang bringt – trotz der starken Konkurrenz aus China. Die deutschen Exporte dürften allerdings im weiteren Verlauf eher von den Dienstleistungen etwa im IT-Bereich oder Reiseverkehr getragen werden.
Enttäuschend entwickeln sich auch die Investitionen. Insbesondere die privaten Ausrüstungsinvestitionen brachen angesichts dünner Auftragsbücher der Unternehmen ein. Stützend wirkten sich dagegen öffentliche Investitionen wie Militärausgaben aus. Der Wohnungsbau ist weiter rückläufig, positive Impulse liefert lediglich der Tiefbau. Für eine Belebung sorgen könnten weitere Zinssenkungen, die auch Kredite verbilligen würden, und eine allmähliche Stabilisierung weiterer Baukosten.
DIW-Präsident Fratzscher: Weitere Rückschläge nicht ausgeschlossen
„Die deutsche Wirtschaft hat ein erhebliches Aufholpotenzial“, resümiert DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Auch wenn Rückschläge nicht auszuschließen sind, bleiben wir bei unserem vorsichtigen Optimismus.“ Weltwirtschaftliche Risiken bestünden etwa in einer Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und damit verbundenen Handelskonflikten mit China und Europa sowie einer Eskalation der Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten. Auch hausgemachte Probleme könnten die Wirtschaft schwer treffen. Ein Risikofaktor sei das Erstarken der AfD. Der Rechtsruck und die Unklarheit nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen könnten die politische Paralyse verschärfen und vor allem die beiden Bundesländer empfindlich schwächen.
„In der wirtschaftlichen Entwicklung gibt es aber auch Lichtblicke“, ergänzt Fratzscher. Der Arbeitsmarkt erweise sich unter dem Strich als robust, auch wenn die Arbeitslosenzahlen zuletzt leicht gestiegen seien. Die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgten für bessere Finanzierungsbedingungen und kurbelten die Investitionen der Unternehmen an.
„Die derzeitige Schwäche des privaten Konsums sollte ein Weckruf für die Politik sein“, so Fratzscher. „Vor allem Menschen mit geringen und mittleren Einkommen, die am meisten unter der hohen Inflation leiden, müssen stärker entlastet werden, damit sie dauerhaft höhere Realeinkommen haben.“
Weltwirtschaft erholt sich – Deutschland als Konjunkturbremse in Europa
Die Weltwirtschaft setzt ihre Erholung fort, auch wenn die Industrie rund um den Globus stottert. Insbesondere das Wachstum in den Schwellenländern ist etwas ins Stocken geraten. Grund dafür ist die Entwicklung in China, wo der Konsum nach wie vor schwächelt. Auch in den kommenden zwei Jahren dürfte das Wachstum dort nicht so stark ausfallen wie vor der Corona-Pandemie.
Auch die fortgeschrittenen Volkswirtschaften insgesamt verlieren im kommenden Jahr etwas an Schwung, was vor allem an den eingetrübten Wachstumsaussichten der USA liegt. Die Wirtschaft dort profitiert von einem starken zweiten Quartal. Ein nachlassender privater Konsum und eine erhöhte Arbeitslosigkeit deuten aber auf eine merkliche Abkühlung hin. Die Wirtschaft im Euroraum ohne Deutschland dürfte dagegen ihren Erholungskurs fortsetzen - getrieben von Konsum und Export: In diesem und im kommenden Jahr wird sie wohl um jeweils 1,4 Prozent wachsen und 2026 um 1,6 Prozent. Damit bremst die Flaute in der deutschen Wirtschaft die Konjunktur im Euroraum etwas. Die Schwäche in den USA und ich China dürfte dazu führen, dass die Weltwirtschaft nach 3,8 Prozent in diesem Jahr nur noch 3,5 Prozent im kommenden Jahr zulegt und sich 2026 wieder etwas dynamischer entwickelt.
Quelle und Grafiken: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)