SKF eröffnet Großlager-Prüfzentrum

von Alexander Kirschbaum

In Schweinfurt hat SKF heute das leistungsfähigste Großlager-Prüfzentrum der Welt eröffnet. Die 40-Millionen-Investition soll helfen, künftige Großlager dank der Erkenntnisse aus zwei Testständen viel präziser und effizienter als bislang möglich auf ihre späteren Aufgaben zuzuschneiden. „Hier in Schweinfurt haben wir definitiv etwas geschaffen, das absolut zukunftsweisend ist. Es wird uns helfen, unsere Vision von einer ,Welt in zuverlässiger Rotation‘ zu verwirklichen", sagte SKF Konzernchef Alrik Danielson bei der feierlichen Eröffnung des Prüfzentrums.

Das Testcenter soll Erkenntnisse zu Tage fördern, die eine maßgebliche Optimierung künftiger Großlager-Generationen ermöglichen. Das Unternehmen in Schweinfurt verfügt schon seit 1990 über die erforderliche „XXL-Infrastruktur“, etwa in Sachen Fertigungstechnologie, Material- und Großlagertransport oder auch Verpackungs- und Versandlogistik. Hinzu kommen weitere Einrichtungen, wie beispielsweise für die Generalüberholung von gebrauchten Großlagern, oder das metallurgische Labor, das auf Großlager-Anforderungen ausgelegt ist. Auch wichtige Schlüsselfunktionen wie Produktentwicklung und -konstruktion sowie Kundenberatung und Anwendungstechnik für viele Großlagertypen und -kunden befinden sich „vor Ort“. „Jetzt fügen wir mit dem neuen Testcenter quasi den letzten ,Puzzlestein‘ hinzu, der das ‚Großlager-Kompetenzzentrum‘ in Schweinfurt komplettiert“, so Danieli.

Software zu weich für die Wirklichkeit

Zwei neuartige Prüfstände werden die zu testenden Großlager extremen Belastungen aussetzen. „Wir betreiben diesen Aufwand, weil selbst die modernsten Simulationsprogramme immer noch nicht im Stande sind, sämtliche im praktischen Betrieb auftauchenden dynamischen Prozesse in Großlagern realitätsgetreu abzubilden“, erläuterte Dr. Victoria Van Camp, im SKF Konzernvorstand zuständig für Technologie-, Geschäfts- und Produktentwicklung. Aus diesem Grund würden aktuelle Großlager typischerweise mit „konstruktiven Sicherheitsreserven“ gefertigt – ohne dadurch vorzeitige Ausfälle gänzlich ausschließen zu können. Im realen Einsatz von Großlagern müsse es also gewisse Phänomene geben, die von den „Ursache-Wirkung-Algorithmen“ der momentan verfügbaren Simulationsmodelle nicht hinreichend berücksichtigt werden. „Solchen Phänomenen wollen wir mit unseren neuen Prüfständen auf die Schliche kommen. Das Prüfzentrum soll zudem dazu genutzt werden, die Zustandsüberwachungstechnik des Unternehmens zu optimieren, um die „Industrie 4.0“-Aktivitäten von SKF voranzutreiben.

Entfesselte Kräfte

Die handfeste Erforschung dieser Phänomene übernimmt u. a. ein gigantischer Prüfstand für Großlager mit Schwerpunkt „Windenergie-Anwendungen“. „Er ist der weltweit erste, der nicht nur ein einzelnes Hauptlager für Windturbinen unter besonders relevanten Bedingungen testen kann, sondern gleich eine komplette Lagerungseinheit; also inklusive Komponenten des Kunden“ berichtete Dr. Martin Göbel, als Manager Global Testing bei SKF verantwortlich für das Gesamtprojekt. Dabei sei der Prüfstand bereits auf Konstruktionen vorbereitet, wie sie beispielsweise für künftige Turbinen von 10 MW und mehr zu erwarten seien. Durch eine Art „Adapter“ könne er Lager mit einem maximalen Außendurchmesser von bis zu sechs Metern aufnehmen. „Außerdem kann er die riesigen Lager in alle Richtungen dynamisch mit Kräften beaufschlagen, die in ihrer Kombination um ein Vielfaches höher liegen als bei der zuletzt stärksten Prüfanlage – von den deutlich höheren Test-Drehzahlen mal ganz abgesehen“, so Göbel.

Im direkten Vergleich mit dem größeren Prüfstand mag der kleinere zwar weniger „monumental“ aussehen, aber auch er habe es in sich, wie Göbel betonte: „Er treibt Großlager für Anwendungsgebiete wie den Schiffbau, den Bergbau, die Papierindustrie oder auch den Zement- und Stahlsektor an ihre absoluten Belastungsgrenzen“. Dabei könne er Rotationsgeschwindigkeiten von über 200 min-1 erzielen. Außerdem könne er das zu testende Lager den denkbar ungünstigsten Schmierungsbedingungen aussetzen. „Die Analyse der daraus resultierenden Betriebszustände wird uns in die Lage versetzen, die tribologischen Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Schmierungsbedingungen und verschiedenen Lager-Designs bzw. -Materialien unter hochdynamischer Belastung besser zu verstehen“, erklärte der Cheftester von SKF. „Daraus können wir wichtige Erkenntnisse gewinnen, um künftige Großlager noch viel robuster auszuführen.“

Folterknechte mit „grünem Gewissen“

Auf Basis der Test-Ergebnisse will SKF kommende Großlager-Generationen so gestalten können, dass deren Herstellung trotz ihrer größeren Robustheit bzw. trotz ihrer längeren Haltbarkeit weniger Ressourcen verbraucht. Die Belastungstests benötigen aufgrund ihrer Stärke zudem weniger Zeit.

Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie hat den größeren „Stresstester“ mit rund 1,9 Mio. Euro gefördert, während der neue Prüfstand für andere Schwerindustrie-Anwendungen durch das Umweltinnovationsprogramm des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit mit ca. 1,6 Mio. Euro gefördert wurde. SKF rechnet damit, dass allein die Erkenntnisse aus dem „kleineren“ der beiden neuen Prüfstände helfen können, in den verschiedensten Anwendungen Tausende von Tonnen CO²-Ausstoß pro Jahr zu vermeiden.

Quelle: SKF GmbH  Artikelfoto unten: Das Sven Wingquist Test Center von SKF in Schweinfurt ist das leistungsfähigste Großlager-Prüfzentrum der Welt. (Fotos: SKF)

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