Schritt für Schritt zur automatisierten Schleifbearbeitung

von Angelika Albrecht

Manuelle Schleif-, Polier- oder Bürstprozesse in eine automatisierte Produktion zu überführen, erscheint sehr reizvoll, ist aber alles andere als trivial. Der Herausforderung tragen immer mehr Maschinenhersteller Rechnung, indem sie Schleiftechnik mit flexiblen Automatisierungssystemen kombiniert anbieten. Anders als viele OEMs dürften mittelständische Anwenderinnen und Anwender eine Vorgehensweise in kleinen Schritten und mit jeweils überschaubaren Investitionen jedoch bevorzugen. Bestandsmaschinen und Retrofit fällt dabei eine besondere Rolle zu. Aussteller der GrindingHub, dem Branchentreff für Schleiftechnik in Stuttgart, geben vor Messebeginn einen Einblick in Ihre Lösungen und Forschungsprojekte.

Dabei wird deutlich: Automatisierung liegt im Trend. Der Druck zu höherer Produktivität sowie der Mangel an Fachkräften stützen nach Einschätzung des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) künftige Investitionen in Fertigungstechnik, und dies sogar weitgehend konjunkturunabhängig. Die Schleifbearbeitung stellt hier keine Ausnahme dar, im Gegenteil. Höhere Produktionsgeschwindigkeit, Auslegung engerer Toleranzen, reproduzierbare Qualität oder potenzielle Einsparungen locken auch Unternehmen, die noch auf manuelle Bearbeitung setzen.

Umfassende Unterstützung dank gebündelter Kompetenzen

Auf Fachmessen wie der GrindingHub 2024 (14. bis 17. Mai) wird deutlich, wie sich die Hersteller von Schleif-, Hon-, Läpp- und Poliermaschinen auf die Anforderungen einstellen, wenn etwa Werkzeugmaschinen gleich mit dem passenden Roboter zur Be- und Endladung mit Werkstücken angeboten werden oder zusätzliche Roboterzellen zur automatischen Prüfung, Reinigung, Entgratung, Laserbeschriftung und Lagerung zur Auswahl stehen. Um die Automatisierung von Schleifprozessen voranzutreiben, werden vielfach strategische Partnerschaften geschmiedet, etwa zwischen Maschinen- und Roboteranbietern. So lassen sich Kompetenzen aus stationärer (Maschinen) und flexibler Automatisierung (Robotik) bündeln.

Wie viele Faktoren bei der Automatisierung zu berücksichtigen sind, macht 3M Deutschland aus Neuss deutlich. Der Spezialist für Industrieschleifmittel kooperiert mit Schunk, Lauffen/Neckar, Hersteller von Greifsystemen und Spanntechnik. Beide sind Aussteller auf der GrindingHub, die sich als Plattform anbietet, um zu diesem Thema umfassend zu informieren und zu beraten.

Automationsziele definieren und systematisch bewerten

„Im Allgemeinen sind sich die Unternehmen darüber im Klaren oder haben zumindest bestimmte Prozesse in ihrer Produktion identifiziert, die automatisiert werden könnten. Sie sind jedoch nicht sicher, womit sie anfangen sollen“, sagt Arturo Bastidas-Cruz, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Prozessautomatisierung und Robotik am Fraunhofer IPK (Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik), Berlin. Zu dieser Fragestellung bietet das Institut Unterstützung an. Der Wissenschaftler schaut sich bei den Unternehmen, die sich an das Institut wenden, die Situation vor Ort an und „füttert“ die Software mit entsprechenden Kriterien. Dabei geht es nicht nur um die Gestaltung und den Ablauf des Fertigungsprozesses. Es wird auch untersucht, welcher Automatisierungsgrad erforderlich ist.

Bestandsmaschinen zukunftsfähig machen

Das Retrofit von Bestandsmaschinen in Kombination mit Datenerfassung und Automation gehört zu den Themen auf der diesjährigen Schleiftagung in Stuttgart Fellbach, die eine Kooperationspartnerschaft mit der GrindingHub verbindet. Thomas Veit, Geschäftsführer der Firma Automation, Sonder- und Werkzeugmaschinen ASW, gehört zu den Referenten. Das Angebot an Automatisierungseinrichtungen umfasst Handlingsysteme sowie Lösungen in der Zu- und Abführung von Werkstücken mit Transportbändern, Walzen,  Flächenportalen oder Palettierungssystemen. Dazu gehören auch Roboterzuführungen in modularer Bauform sowie Prüfzellen für die Qualitätskontrolle.

Schleiftagung

Für die Schleiftagung war das Thema Retrofit indes nicht nur aus technischen und ökonomischen Gesichtspunkten, sondern auch aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit gesetzt. Tagungsleiter Jannik Röttger stellt dazu fest, dass es im Hinblick auf die CO2-Bilanz nicht uninteressant sei, die Einsatzdauer einer mit hohem Energieaufwand hergestellten Maschine zu verlängern. Die Aussicht auf ein zweites Leben dürfte die Schleifmaschine in einer automatisieren Umgebung sogar noch wertvoller machen.


Über die GrindingHub

Die GrindingHub 2024 findet vom 14. bis 17. Mai zum zweiten Mal in Stuttgart statt. Veranstaltet wird sie im Zweijahres-  Turnus vom VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken), Frankfurt am Main, in Kooperation mit der Messe Stuttgart und der Schleiftagung sowie in ideeller Trägerschaft des Industriesektors „Werkzeugmaschinen“ von Swissmem (Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie). Die Schleiftechnik gehört in Deutschland zu den Top-3 Fertigungsverfahren innerhalb der Werkzeugmaschinenindustrie. 2022 hat die Branche, laut amtlicher Statistik, Maschinen im Wert von 964 Mio. Euro produziert. 74 Prozent gingen in den Export, davon etwa die Hälfte nach Europa. Die größten Absatzmärkte sind China, die USA und Italien. International führen China, Deutschland und Japan die Weltrangliste an. Weltweit produzierte die Schleiftechnik 2022 Maschinen im Wert von 5,5 Mrd. Euro.

Quelle und Vorschaubild: Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken VDW / Beitragsbild:  ASW Naumburg (Überholung einer Spindellagerung)

 

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