Schnittstellen-Standard für automatisierte Fertigung

von Alexander Kirschbaum

Der Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW) hat erstmals einen umfassenden und doch flexibel anwendbaren Standard formuliert, mit dem Roboter oder andere Werkstück-Trägersysteme einfacher in ein Fertigungssystem integriert werden können. Dieser Standard soll in den kommenden Wochen auch dem zuständigen technischen Komitee der Internationalen Organisation für Standardisierung ISO vorgelegt werden. „Damit leiten wir eine erste weltweit gültige Norm für Schnittstellen in automatisierten Fertigungssystemen in die Wege“, so Dr. Hartmuth Müller, Vorsitzender der VDW- Arbeitsgruppe „Schnittstelle Werkzeugmaschine – Automation“, die den Standard erarbeitet hat.

Die bislang fehlenden Standards für die Vernetzung von Produktionsanlagen, geschweige denn ganzer Produktionsketten, sind ein Problem. „Die Betriebe tragen oft lange Kämpfe aus, bis ihre Maschinen in einer automatisierten Produktionskette miteinander kommunizieren können“, so Ralf Reines, technischer Referent beim VDW. Das Problem: „Untereinander verstehen sich Maschinen nicht, wenn die Schnittstellen nicht zueinander passen, weil sie nicht normiert sind, so wie Menschen nicht miteinander sprechen können, wenn sie nicht dieselbe Sprache sprechen.“ Je nach Hersteller werden Signale wie „Lasse das Werkstück los“ und „Lege das Werkstück in die Ladestation“ unterschiedlich benannt und die Bedeutung dahinter nicht gleichermaßen definiert. Deshalb kann beispielsweise ein Roboter mit der zu bestückenden Maschine nicht zwangsläufig die Befüllung und anschließende Bearbeitung der Werkstücke „absprechen“.

Kostspielige Umprogrammierung entfällt

Größere Produktionsanlagen werden meist montiert, ohne vorher testen zu können, ob die Maschinen über die unterschiedlichen Schnittstellen tatsächlich miteinander kommunizieren können. Die einzelnen Maschinen sind häufig zu groß und komplex, um sie in eine Testumgebung zu transportieren. Daher werden die einzelnen Schnittstellen – also die Verbindungen, über die die Daten der verschiedenen Maschinen miteinander ausgetauscht werden – im Vorfeld von Systemintegratoren auf Basis zahlreicher Dokumente besprochen und abgestimmt. Dann kommt der große Moment, wenn die Anlage eingeschaltet wird – und nur zu oft funktioniert nichts. Der finanzielle und zeitliche Aufwand, der die Umprogrammierung der Schnittstellen mit sich bringt, lässt sich vermeiden – wenn alle Schnittstellen von vorneherein einer Norm entsprechen – so wie sie der neue Standard nun vorgibt. „Das wird der Digitalisierung der Produktion einen deutlichen Schub geben und ist ein wichtiger Schritt hin zu Industrie 4.0“, ist sich Müller sicher.

Neue Norm ist flexibel anwendbar

Der neu erstellte Standard ist modular anwendbar, um unterschiedlichsten Anforderungen gerecht zu werden – überall dort, wo bestimmte Werkstücke von transportierenden Maschinen zu bearbeitenden Maschinen gebracht werden müssen. Dabei kann es sich um die einfache Entnahme von Teilen eines Produktes drehen oder eine vollständige komplexe Produktionsanlagen etwa in der Autoproduktion, in denen die Werkstücke an verschiedenen Maschinen bearbeitet werden. Insgesamt kann zwischen drei Stufen und verschiedenen Optionen gewählt werden, um die Standards projektspezifisch auszulegen. So können bestimmte steuerungstechnische Signale hinzugefügt oder weggelassen werden, beispielsweise abhängig davon, ob die bearbeitende Maschine eine den Bearbeitungsbereich schützende Ladetür besitzt oder nicht. Auch die wichtigsten sicherheitstechnischen Aspekte sind in einer speziellen Sicherheitsschnittstelle festgelegt.

Um eine einfache Anwendbarkeit zu garantieren, haben die Experten vom VDW den Standard in einer Excel-Datei beschrieben, mit der die Signale zu den verschiedenen Stufen und Optionen leicht gefiltert werden können. Die formale Prozedur bei ISO startet mit einer Umfrage, ob das Standardisierungsvorhaben von internationaler Bedeutung ist. Dazu müssen mindestens vier Länder das Projekt für normungswürdig halten. Sollte das der Fall sein, wird die Arbeit zur internationalen Standardisierung gestartet.

Quelle: VDW  Artikelfoto: Dr. Hartmuth Müller, Klingelnberg GmbH, Vorschau-Foto: (Quelle: Handtmann A-Punkt Automation GmbH)

Zurück