RWI: Konjunktureller Dämpfer, aber keine tiefe Rezession
von Hubert Hunscheidt
Das sind 0,7 Prozentpunkte mehr als in seiner Prognose vom September dieses Jahres erwartet. Für 2023 prognostiziert das RWI einen Rückgang von -0,1 statt 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum. Für 2024 wird ein Anstieg von 1,9 Prozent erwartet. Die Arbeitslosenquote wird 2023 auf 5,5 Prozent zunehmen und 2024 leicht auf 5,3 Prozent zurückgehen. Die Inflationsrate dürfte im nächsten Jahr auf 5,8 Prozent fallen, im übernächsten Jahr weiter auf 2,5 Prozent abnehmen. Das Defizit der öffentlichen Haushalte wird in diesem Jahr auf gut 96 Milliarden Euro zurückgehen. Im nächsten Jahr wird es auf gut 105 Milliarden Euro steigen, 2024 wieder auf gut 54 Milliarden Euro zurückgehen.
Das Wichtigste in Kürze:
- Das RWI erwartet in seiner aktuellen Konjunkturprognose für 2022 einen Anstieg des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,8 Prozent und damit um 0,7 Prozentpunkte mehr als in seiner Prognose vom September dieses Jahres. Für 2023 erwartet das RWI statt 0,8 jetzt -0,1 Prozent BIP-Wachstum. Für 2024 senkt das Institut seine Prognose von 2,6 Prozent auf 1,9 Prozent Wirtschaftswachstum.
- Die Konjunktur in Deutschland erweist sich zum Jahresende erstaunlich robust. Im dritten Quartal wurde die Wirtschaftsleistung recht deutlich ausgeweitet. Hierzu trugen vor allem der private Konsum und die Ausrüstungsinvestitionen bei. Der private Konsum wird anscheinend dadurch gestützt, dass die Haushalte während der Corona-Krise gebildete Ersparnisse auflösen, um beispielsweise Urlaubsreisen nachzuholen.
- Im Winterhalbjahr dürfte der private Konsum zurückgehen. Insbesondere für die privaten Haushalte nehmen die finanziellen Belastungen weiter zu. Zwar fallen die Belastungen durch die hohen Gas- und Strompreise aufgrund der von der Regierung beschlossenen Entlastungsmaßnahmen weniger stark aus als noch im Sommer erwartet. Steigende Verbraucherpreise sorgen jedoch dafür, dass die real verfügbaren Einkommen nochmals kräftig sinken werden. Ab dem zweiten Quartal 2023 dürfte der reale Konsum dann wieder kräftig anziehen. Dann dürfte nach der Heizperiode die akute Phase der Energiekrise für die Haushalte überwunden sein und auch die Verbraucherpreise sinken.
- Der Arbeitsmarkt hat sich im dritten Quartal 2022 robust entwickelt. Der Anstieg der Beschäftigung hat sich jedoch zuletzt verlangsamt. Die konjunkturellen Unsicherheiten senken die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen und energieintensive Betriebe schicken ihre Belegschaft zum Teil wieder in Kurzarbeit. Arbeitskräfteknappheit und Fachkräftemangel dürften jedoch dafür sorgen, dass die prognostizierte Rezession im Winterhalbjahr keinen besonders starken Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Folge haben wird. Im Jahresdurchschnitt dürfte die Arbeitslosenquote 5,3 Prozent im Jahr 2022 betragen, im kommenden Jahr auf 5,5 Prozent steigen und im Jahr 2024 wieder bei 5,3 Prozent liegen.
- Die drastische Verteuerung von Strom und Gas hat die Verbraucherpreise in diesem Jahr stark in die Höhe getrieben. Der leichte Rückgang der Teuerungsrate von 10,4 Prozent im Oktober auf 10 Prozent im November könnte aber bedeuten, dass der Höchstwert der Inflation zum Jahresende erreicht wurde. Die Strom- und Gaspreisbremse dürfte den Anstieg der Verbraucherpreise im kommenden Jahr um deutlich mehr als einen Prozentpunkt reduzieren. Insgesamt ist zu erwarten, dass die Preissteigerung von 7,9 Prozent in diesem Jahr auf 5,8 Prozent im kommenden und 2,5 Prozent im Jahr 2024 zurückgehen wird.
- Die Staatseinnahmen entwickeln sich im Prognosezeitraum robust und bleiben relativ zum BIP in etwa konstant. Einnahmen aus Unternehmenssteuern waren im bisherigen Verlauf des Jahres 2022 überraschend hoch und dürften auf hohem Niveau bleiben. Die Staatsausgaben dürften 2022 moderat zulegen, obwohl Corona-bezogene Ausgaben, insbesondere Unternehmenshilfen, in großem Maße wegfallen. Die Hilfszahlungen bleiben aber wohl im Prognosezeitraum auf erhöhtem Niveau im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren, weil Gelder an Unternehmen und private Haushalte fließen, um hohe Energiepreise abzumildern. Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte im laufenden Jahr auf gut 96 Milliarden Euro zurückgehen. Im nächsten Jahr dürfte es auf gut 105 Milliarden steigen, im übernächsten Jahr stark auf gut 54 Milliarden Euro sinken.
- Der aktuellen RWI-Konjunkturprognose liegt die Annahme zugrunde, dass die deutsche Konjunktur auch in den kommenden Monaten wesentlich von der Energiekrise bestimmt wird, aber keine Gasmangellage auftritt. Gleichwohl wird unterstellt, dass die Sorge um mögliche Energieengpässe die Ausgabenneigung von Verbrauchern und Unternehmen in diesem Winter verringert. Erst im Frühjahr ist mit einer durchgreifenden Entspannung der Wirtschaftslage zu rechnen. Für den Winter 2023/2024 wird angenommen, dass über den Sommer genügend Gas gespeichert werden kann, um auch im nächsten Winter eine Gasmangellage zu vermeiden.
„Das größte Risiko für die konjunkturelle Entwicklung Deutschlands ist derzeit die Inflationsentwicklung. Auch der Krieg gegen die Ukraine bleibt ein beträchtlicher Risikofaktor“, sagt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt.
Quelle: RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e.V. / Foto: marketSTEEL