RWI: Hohe gesamtwirtschaftliche Unsicherheit dämpft die Nachfrage
von Hubert Hunscheidt
Die hohe Unsicherheit dämpft weiterhin die Binnennachfrage, die privaten Haushalte dürften angesichts deutlich steigender real verfügbarer Einkommen jedoch die Konsumnachfrage steigern. Die Arbeitslosenquote dürfte 2024 bei 5,7 Prozent, 2025 bei 5,5 Prozent liegen. Die Inflation dürfte in diesem Jahr 2,2 Prozent betragen und im nächsten weiter auf 2,0 Prozent zurückgehen. Das RWI erwartet für das laufende Jahr ein staatliches Budgetdefizit von 46 Milliarden Euro und für 2025 ein Defizit von 48 Milliarden Euro.
Das Wichtigste in Kürze:
Das RWI senkt seine Prognose des deutschen Wirtschaftswachstums für 2024 gegenüber Dezember vergangenen Jahres von 0,8 auf 0,3 Prozent. Für 2025 erwartet es 1,2 statt 1,4 Prozent.
- Die Aussichten für die konjunkturelle Entwicklung in diesem Jahr sind gedämpft. Durch die anhaltend hohen Energie– und Rohstoffpreise dürften die Kosten für die Unternehmen und Haushalte im Prognosezeitraum hoch bleiben. Zudem dürfte die Unsicherheit bei den Marktteilnehmern nur allmählich nachlassen und auch eher aufgrund von Gewöhnung als aufgrund der Auflösung der derzeitigen geopolitischen Spannungen.
- Dennoch dürften die privaten Haushalte angesichts deutlich steigender real verfügbarer Einkommen die Konsumnachfrage steigern. Sinkende Zinsen und eine etwas zunehmende Auslandsnachfrage dürften dann auch die Investitionen wieder stärker anziehen lassen.
- Auf dem Arbeitsmarkt sinken im Prognosezeitraum bis 2025 Beschäftigung und Arbeitslosenquote. Einerseits sinkt die Einstellungsbereitschaft wegen der gedämpften Konjunkturerwartungen, andererseits verschärft der demografische Wandel die Arbeitskräfteknappheit. Ab dem zweiten Halbjahr 2024 dürfte die Beschäftigung ihren Zenit überschritten haben und bis zum Ende des Prognosezeitraums leicht sinken. Gleichzeitig dürfte mit besserer Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten und einer Erholung der deutschen Wirtschaft auch die Arbeitslosenquote wieder sinken und 5,7 Prozent in diesem Jahr und 5,5 Prozent im nächsten Jahr betragen.
- Für die Inflation erwartet das RWI in diesem Jahr eine Rate von 2,2 Prozent, für 2025 eine Rate von 2,0 Prozent. Angesichts der schwachen Konsumnachfrage dürfte die Teuerung in den kommenden Monaten weiter abnehmen. Dazu trägt auch der Basiseffekt durch die starken Preisanstiege im Vorjahr bei. Zudem dürfte der Kostendruck für die Unternehmen nachlassen, da die Preise für Rohstoffe und Vorprodukte deutlich gesunken sind. Allerdings kehren viele dieser Preise nicht wieder auf ihr Vorkrisenniveau zurück, so dass die dämpfenden Effekte geringer sind.
- Das staatliche Budgetdefizit dürfte im laufenden Jahr auf knapp 46 Milliarden Euro zurückgehen. Die Einnahmen des Staates steigen kräftig an, die Sozialbeiträge legen stärker als die Bruttolöhne zu. Auch die Verkäufe expandieren dank der Erhöhung der Lkw-Maut kräftig. Schließlich wachsen auch die Steuereinnahmen stärker als das BIP, nicht zuletzt da die Löhne kräftig steigen. Gleichzeitig führen die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst und die steigenden Zinszahlungen zu höheren Ausgaben. Im Jahr 2025 dürfte das Finanzierungsdefizit gut 48 Milliarden Euro betragen. Die Staatsausgaben dürften in ähnlichem Maße wie die Einnahmen zunehmen.
- In diesem und nächstem Jahr wird die Weltwirtschaft voraussichtlich moderat wachsen. Da die Arbeitsmärkte weiterhin robust sind und die Löhne recht kräftig steigen, sollten sich der private Konsum und die Investitionen beleben. Der weltweite Warenhandel dürfte seine Schwäche allmählich überwinden. Im Jahresdurchschnitt erwartet das RWI für dieses Jahr einen Zuwachs des Welthandels von 1,2 Prozent, für das kommende Jahr einen Anstieg von 2,4 Prozent.
- Risiken für die Prognose sind die Gemengelage aus anhaltenden hohen Energie- und Rohstoffpreisen sowie hoher Unsicherheit über die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Perspektiven. In dieser Situation könnten sich die Unternehmen in Deutschland im Prognosezeitraum stärker mit Investitionen und Neueinstellungen zurückhalten, als dies in der Prognose unterstellt ist. Kippt die Stimmung unerwartet schnell ins Positive, würden die Investitionen voraussichtlich deutlich stärker ausgeweitet werden als in der Prognose angenommen. Das dürfte dann auch den privaten Konsum stimulieren. Darüber hinaus gehen von den derzeit starken geopolitischen Spannungen Risiken für die Konjunktur aus. Sie könnten zu steigenden Importpreisen und steigender Unsicherheit führen, was vor allem die Investitionstätigkeit der Unternehmen stärker dämpfen könnte.
Zu den Aussichten für die deutsche Wirtschaft sagt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt:: „Die hohe Unsicherheit über wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Perspektiven verunsichert Unternehmen und belastet den privaten Konsum. Eine durchgreifende Erholung der deutschen Wirtschaft kann nur gelingen, wenn diese so weit wie möglich reduziert wird.“
Quelle: RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e.V. / Foto: Fotolia