Richtiger Werkstoff für den Fahrzeugbau von morgen

von Alfons Woelfing

Die Weichen für eine nachhaltige Mobilität stellen Automobilhersteller zunehmend mit neuen Werkstoffen und darauf ausgerichtetem Bauteildesign. Hochfeste Stähle, Leichtmetalle oder auch (Carbonfaser-) Kunststoffe können weit mehr, als nur das Gewicht des Fahrzeugs oder einzelner Bauteile zu reduzieren. Wie mit einer gezielten Auswahl von Materialien neue Fahrzeugkonzepte entstehen, betrachtet das Symposium „Werkstoffe und Konzepte für Fahrzeuge von morgen“, das heute im Hotel am See begonnen hat. Rund 90 Werkstoffexperten aus Wirtschaft und Wissenschaft tauschen sich bei der Premiere dieser Veranstaltung an zwei Tagen zu aktuellen Leichtbau-Technologien aus – insbesondere für Fahrzeuge mit neuen oder alternativen Antrieben.
 
Veranstalter des Symposiums sind die Volkswagen AG, die Salzgitter AG und das Mobilitätsnetzwerk ITS mobility. „Mit der neuen Veranstaltungsreihe möchten wir den Austausch zwischen Forschung, Industrie, Entscheidern, Werkstoff- und Entwicklungsingenieuren anregen. So können früh im Produktentstehungsprozess die Weichen für einen effizienten Leichtbau gestellt werden“, erläutert Dr. Andreas Gebauer-Teichmann, Konzern Technologiestrategie & -management der Volkswagen AG. „Gerade die Region Süd-Ost-Niedersachen ist ein Zentrum für Innovationen in der Mobilität. Die werkstofforientierte und anwendungsübergreifende Tagung soll den Entwicklern neue Aspekte aufzeigen“, ergänzt Dr. Joachim Kroos, Leiter der Technischen Kundenberatung der Salzgitter Flachstahl GmbH.
 
Zur Eröffnung gaben Ulrich Grethe, Konzerngeschäftsleitung der Salzgitter AG, und Dr. Ulrich Eichhorn, Leiter Konzern Forschung und Entwicklung der Volkswagen AG, einen Ausblick auf die zukunftsträchtigen Themen, die das Symposium in Fachvorträgen, Werksführungen, einer moderierten Diskussion und einer Ausstellung behandelt. In seiner Keynote skizzierte Wolfgang Müller-Pietralla, Leiter Konzern Zukunftsforschung der Volkswagen AG, den Leichtbau von morgen.
 
Diesen, so sind sich die Experten einig, wird nicht ein Material allein prägen. Für den Bau der Fahrzeugkarosserie, aber auch für die Fertigung einzelner Bauteile bieten sich grundsätzlich verschiedene Werkstoffe an, z. B. hochfeste und andere Stähle, Leichtmetalle, (faserverstärkte) Kunststoffe oder Carbonfaserkunststoffe. „Es stellt sich immer die Frage nach dem richtigen Material an der richtigen Stelle und in der richtigen Menge“, beschreibt Dr. Gebauer-Teichmann die Praxis der Werkstoff-Auswahl. Je nachdem, für welchem Ort und Zweck das Bauteil im Fahrzeug benötigt wird, entscheiden Eigenschaften wie Härte, Festigkeit, Temperaturbeständigkeit oder Formbarkeit, welcher Werkstoff das Rennen macht. Dr. Kroos erklärt, dass Stahl eine gute Ausgangsbasis für den Leichtbau in allen Bereichen der Mobilität ist: Hochfeste Stähle können, wie es der Name nahelegt, große Kräfte aufnehmen und somit zu einer schlankeren Konstruktion beitragen. So wird der Materialeinsatz im Sinne der Ressourcenschonung reduziert und im Fahrzeug werden geringere Massen bewegt. Darüber hinaus ist der Werkstoff Stahl generell unbegrenzt recyclebar. „Im Karosseriebau konzentriert man sich auf presshärtende Stähle, auch weitere Festigkeitsgrade werden nachgefragt und befinden sich in der Entwicklung.“ Ebenso seien Mehrphasenstähle mit erhöhtem Umformvermögen gefragter denn je, auch in bislang untypischen Dicken über 2 Millimeter für die Lastansprüche moderner Fahrzeuge. Millimeter für die Lastansprüche moderner Fahrzeuge.
 
Insbesondere für die Elektromobilität ist die Auswahl geeigneter Werkstoffe ein spannendes Thema. Unter dem Titel Energiespeicher und Nachhaltigkeit zeigen die ersten beiden Themenblöcke des Symposiums heute auf, welche Bedeutung neue Werkstoffe bei der Entwicklung von Elektromotoren, Batterien und deren Gehäuse tragen. Auch Fahrzeuge mit alternativen Antrieben sollen durch neue Werkstoffe nicht einfach nur leichter werden. Eine gezielte Auswahl von Materialien kann sich auch auf die Speicherkapazität, Ladefähigkeit und Lebensdauer von Fahrzeugbatterien auswirken. „Wir stellen fest, dass beim Thema Leichtbau und Elektrofahrzeuge inzwischen stärker die anfallenden Kosten diskutiert werden“, erläutert Dr. Kroos. Stahl biete auch hier vielversprechende und kostengünstige Lösungen.
 
Einen praktischen Einblick in die Werkstoffauswahl verschaffen den Teilnehmern heute Nachmittag die Werksführungen bei der Salzgitter AG und MAN Trucks & Bus. Der Abendempfang führt sie zurück ins Hotel am See, wo Dr. Peter Meyer, kommissarischer Leiter des MAN Werks Salzgitter, in einer Dinner Speech den Wandel des Werks vom Truck- zum Komponentenhersteller beleuchtet.
 
Der zweite Veranstaltungstag steht morgen nach einer einleitenden Keynote von Dr. Elmar Beeh, Forschungsfeldleiter am DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte, unter der Überschrift Gesamtfahrzeugkonzepte, Antriebsstrang und Fertigungsverfahren. Machen sich Entwickler die Stärken verschiedener Werkstoffe bereits beim Entwurf des Fahrzeuges bewusst, können neue Fahrzeugkonzepte und auch Produktionsverfahren entstehen. „Für einen effizienten Leichtbau gilt es weniger, einen Werkstoff einfach nur durch einen anderen zu ersetzen“, gibt Dr. Gebauer-Teichmann zu bedenken. Es stelle sich immer die Frage nach „dem richtigen Werkstoff am richtigen Platz, jedoch nicht um jeden Preis“, ergänzt Dr. Kroos. ¬Und: „Der effektivste und kostengünstigste Leichtbau besteht immer noch im Vermeiden von Bauteilen, bspw. durch integratives Engineering“ wirbt Dr. Gebauer-Teichmann für ein Umdenken bei der Fahrzeugkonzeption.
 
Das abschließende Programmhighlight ist morgen Nachmittag der Vortrag zu Entwicklungstreibern des Karosserie-Leichtbaus für die Elektromobilität von Prof. Christoph Wagener, Kirchhoff Automotive GmbH, und Prof. Dr.-Ing. Dr. Udo Müller, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg Schweinfurt, mit einer anschließenden moderierten Diskussion. „Unser Anliegen ist es immer, die aktuellen Trends der intelligenten Mobilität von allen Seiten zu betrachten und verschiedene Experten zu Wort kommen zu lassen – aktuelle Forschungserkenntnisse mit Praxisbeispielen zu verbinden, wirtschaftliche Aspekte ebenso zu berücksichtigen wie Fragen der Kundenakzeptanz“, so Florian Rehr, Geschäftsführer von ITS mobility.
 
Quelle: Salzgitter AG / Foto: Stefan J. Römer
Bildtext (v.l.): Dr. Andreas Gebauer-Teichmann, Konzern Technologiestrategie & -management der Volkswagen AG, Dr. Joachim Kroos, Leiter der Technischen Kundenberatung der Salzgitter Flachstahl GmbH, und Florian Rehr, Geschäftsführer von ITS mobility.

Zurück