Preistief bei Rohstoffen wird zum Problem der Weltwirtschaft
von Hans Diederichs
Die Rohstoffindizes kennen derzeit nur eine Richtung: Nach unten. Anfang vergangener Woche erreichte der Bloomberg-Commodity-Index ein 11-Jahres-Tief, Ende der Woche war es bereits ein 13-Jahres-Tief. Ein Trendbruch ist bisher nicht abzusehen. Als guter Indikator gilt Analysten dabei der Preis von Kupfer, wegen seiner Vorhersagequalität für die weitere wirtschaftliche Entwicklung auch „Dr. Copper“ genannt. Und der steht derzeit so tief wie zuletzt zu Beginn der Finanzkrise.
Chinas Wachstumsmaschinerie stottert
Ein Großteil der Misere kommt aus Fernost. Chinas Wachstum hat an Dynamik verloren, das Reich der Mitte schiebt gewaltige Überkapazitäten im Industriesektor vor sich her, die Baunachfrage schwächelt, die Umweltauflagen werden erhöht und der anhaltende Kursverfall an Chinas Börse dürfte einigen Unternehmen und Einzelinvestoren, die auf Pump gezockt hatten, noch erhebliche Probleme bereiten.
China steht vor der Herkulesaufgabe, sich von einer investitionsgetriebenen, exportlastigen Ökonomie zu einer mehr auf Binnennachfrage ausgerichteten Wirtschaft umzubauen. Die Gründe dafür liegen in einer weltweiten Nachfrageschwäche ebenso wie in der chinesischen Demographie. Das alles geht mit einer gewaltigen Urbanisierungswelle einher, die zwar auch Chancen schafft, aber in viel kürzerer Zeit bewältigt werden muss, als es in den westlichen Industriestaaten der Fall war.
Der Preiskampf beim Öl könnte noch dauern
Chinas Wachstumsschwäche hemmt vor allem die weltweiten Märkte für Stahl und NE-Metalle und frisst sich damit durch die gesamte Wertschöpfungskette hindurch. Schon werden in der EU und den USA die Rufe nach wirksameren Anti-Dumping-Maßnahmen lauter, um sich vor der chinesischen Importschwemme zu schützen.
Ein anderer Teil der sinkenden Rohstoffpreise scheint für die westliche Industrie hingegen zunächst positiv zu sein, birgt aber langfristigen Sprengstoff: Der Verfall der Energiepreise, vor allem beim Öl. Hier tobt derzeit ein veritabler Preiskampf zwischen Saudi-Arabien auf der einen und den USA auf der anderen Seite, wobei Produzenten wie Russland und Iran wichtige Nebenrollen besetzen.
Im Gegensatz zu früheren Abschwüngen im Rohölmarkt hat Saudi-Arabien gegen den Wunsch vieler OPEC-Mitglieder seine Förderquoten seit Mitte 2014 massiv ausgeweitet. Es wird weltweit mehr Öl gepumpt als gebraucht wird, so dass die Tankerflotte inzwischen zu einem schwimmenden Rohöllager mutiert ist. Der Grund: Die Saudis fürchten um ihr Geschäft, wenn die USA weiterhin auf das mit Fracking-Technologie gewonnene Schiefergas setzen.
Dessen Produktion lohnt sich aber erst bei etwa 65 US-Dollar pro Barrel Rohöl, während in Saudi-Arabien sein Öl schon bei einem Weltmarktpreis von 20 US-Dollar rentabel fördern kann. Letztlich versuchen die Araber also, die USA als lästigen Konkurrenten im Ölmarkt zu neutralisieren. Auch wollen sie den Iran in Schach halten, der nach Ende der Sanktionen ebenfalls wieder massiv in den Ölexport einsteigen könnte. Dazu sind allerdings zunächst gewaltige Investitionen nötig; die iranische Ölindustrie gilt als veraltet.
Ein Grund, warum sich die USA dieses Spiel gefallen lassen, liegt darin begründet, dass auch Russlands Öl- und Gasindustrie unter dem saudischen Kurs leidet – und die Russen klein zu halten, ist derzeit erklärtes Ziel US-amerikanischer Außenpolitik.
Droht eine weltweite Rezession?
Über niedrige Ölpreise darf sich die deutsche Industrie zwar freuen – verbilligt sie doch Teile der Produktion und vor allem den Gütertransport. Ein anhaltender Preiskampf im Ölmarkt könnte aber die US-Wirtschaft abwürgen, deren Wachstum seit 2008 vor allem im Schiefergas-Sektor stattfand. Neben China eine weitere Wachstumslokomotive zu verlieren, könnte die Weltwirtschaft jedoch in eine neue Rezession führen. Dazu kommen dann ein hochverschuldetes Europa, ein deflationäres Japan und schwächelnde Ökonomien in Russland und Brasilien. Das ist eine Mischung, die niemandem Freude bereiten sollte – trotz billigem Öl.
Quelle: marketSTEEL Vorschau-Foto: FotoHiero / pixelio.de