Preisrallye bei Rohstoffen geht weiter
von Hubert Hunscheidt
Der Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise nimmt auch in diesem Jahr kein Ende, auch wenn zurzeit die Preise bei den Industrierohstoffen etwas zurückgehen. Doch nicht nur die Preise belasten die Unternehmen, auch Versorgungsengpässe und Personalknappheit sind anhaltende Herausforderungen. Dies sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen INVERTO-Rohstoffstudie.
77% der Studienteilnehmer stellen eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Rohstoffen fest. Am schwierigsten ist die Lage bei Öl und Gas (37 Prozent), Eisenmetallen und Stahl (35 Prozent) sowie Chemikalien (32 Prozent). Damit verbleibt der Rohstoffmangel, wie auch in der Studie von 2021, auf einem konstant hohen Niveau.
Laut 90% der Studienteilnehmer wirkt sich der Einfluss von steigenden Rohstoffpreisen am stärksten auf das Geschäftsergebnis aus. Trotz der aktuellen Preissenkungen bei vielen Industriemetallen rechnen 81% der Befragten weiter mit moderat oder sogar stark steigenden Rohstoffpreisen in den nächsten 18 Monaten.
Die massiv gestiegenen Energiepreise hingegen dürften viele Unternehmen überrascht haben: In der letztjährigen Studie haben nur 27% die steigenden Strompreise und 23% die steigenden Öl-/Gas-Preise als große Gefahr erachtet. Jetzt werden die Energiepreise mit 86% als zweitgrößten Belastung für das Geschäftsergebnis angesehen.
Unternehmen müssen Transparenz schaffen
"Um wirklich einschätzen zu können, ob Preiserhöhungen gerechtfertigt sind, müssen Unternehmen Transparenz über den Rohstoffgehalt ihrer Vorprodukte schaffen", erklärt Lars-Peter Häfele, Managing Director und Rohstoffexperte bei INVERTO. Auf Basis von so genannten Cost Breakdowns lassen sich etwa Preisgleitklauseln vereinbaren, die die Rohstoffpreise abbilden. Eine Mehrheit von 78% gibt an, auf derartige Preisvereinbarungen, die sich an einem Rohstoffindex orientieren, zurückzugreifen. Gesunken ist die Zustimmung zur Option "Weitergabe gestiegener Rohstoffkosten an den Kunden" - im Vergleich zu 2021 um 13 Prozentpunkte. 62 Prozent der Befragten glauben, dass sie ihre gestiegenen Kosten weiterreichen können.
Verstärkter Fokus auf Resilienz und Flexibilität
Der Ukraine Krieg verstärkt den Fokus der Einkaufsorganisationen auf Resilienz und Flexibilität mit Blick auf zukünftige Krisen. 53% der Befragten sehen sich durch den Ukraine-Krieg mit einer schlechteren Verfügbarkeit von Rohstoffen konfrontiert. Doch die Auswirkungen scheinen meist überschaubar - So geben 35% der Betroffenen an, eine kontinuierliche Rohstoffversorgung garantieren zu können. Dabei haben die Analyse der Supply Chain und Optimierung der Lagerbestände (59%) sowie die Optimierung der Rohstofflieferantenbasis (53%) für die Befragten weiterhin den höchsten Stellenwert im Rohstoffmanagement.
Mit Blick auf die Zukunft erwarten die Teilnehmer:innen dauerhafte Veränderungen für den Einkauf mit Fokus auf Resilienz und Flexibilität in der Supply Chain. So erwartet die Mehrheit von 82% ein verbessertes Risikomanagement in der Lieferkette und eine verstärkte Nutzung von Dual oder Multiple Sourcing (63%).
Was Unternehmen tun können
Auch Häfele rät in der aktuellen Situation, alternative Lieferanten und Bezugsquellen für Rohstoffe aufzubauen: "Durch ein Dual und Multi Sourcing können Unternehmen bei drohenden Engpässen auf mehrere Optionen zurückgreifen." Darüber hinaus empfiehlt er, nachhaltige Maßnahmen zur Reduktion von Energie- & Rohstoffverbrauch zu entwickeln: "Unternehmen müssen zukünftig die Themen Nachhaltigkeit und ressourcenminimale Produktion zentral in Ihrer Einkaufsorganisation etablieren, um durch einen geringeren Verbrauch resilienter gegenüber steigenden Energie- & Rohstoffpreisen zu sein."
Künftig mehr cross-funktionale Zusammenarbeit
Die angespannte Lage zeigt, dass Teams künftig unbedingt flexibler zusammenarbeiten und priorisieren müssen. Dazu zählt insbesondere schnelles Anpassen an aktuelle Entwicklungen sowie die kontinuierliche Überprüfung der Rohstoffmärkte, um von Preisschocks und Krisen nicht überrascht zu werden. Dedizierte Task Forces für priorisierte Themen und die Implementierung digitaler Tools sind geeignete Maßnahmen im Umgang mit aktuellen Herausforderungen.
Studiendesign
Knapp 90 Entscheidungsträger im Einkauf, überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum und Großbritannien nahmen an der diesjährigen Rohstoffstudie teil. Zwei Drittel der Befragten stammen aus der verarbeitenden Industrie, insbesondere Automobil und Maschinenbau. Darüber hinaus beteiligten sich Ansprechpartner:innen aus der Logistik und dem Handel. Mehr als 60% der befragten Unternehmen erzielen einen Jahresumsatz von über 250 Millionen Euro. Der Umfragezeitraum war von Mai bis Juni 2022. Interessierte können die Studienergebnisse hier herunterladen.
Quelle: INVERTO GmbH / Foto: marketSTEEL