Passendes Logistiksystem ist Baustein der Transformation
von Hubert Hunscheidt
Neben sich ändernden Anforderungen an beispielsweise Planung und Steuerung der adaptierten Wertschöpfungskette ist nicht zuletzt auch die Logistik zur Sicherstellung der zukünftigen Material und Verkehrsflüsse zu betrachten und auf die Unterstützung beziehungsweise Umsetzung der Grünen Transformation einzustellen. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass während und nach der Umstellung auf CO2-arme Technologien auch die gewünschte Kapazität für den Markt reibungslos und effizient verfügbar gemacht werden kann und so die Kundenzufriedenheit sowie Wettbewerbsfähigkeit sichergestellt wird.
Strukturplan für die Grüne Transformation
Um die vielfältigen Aspekte der logistischen Interaktion sowohl innerhalb der eigenen Supply Chain als auch an den Schnittstellen zu Lieferanten und Kunden vollumfänglich zu erfassen und die gegenseitige Beeinflussung von baulicher Transformation und logistischer Versorgung adäquat zu berücksichtigen, empfiehlt sich (insbesondere in Brownfield-Projekten) ein strukturiertes Vorgehen bei der Transformation des Logistiksystems anhand der 5-Felder-Matrix von B&C (vgl. Abb. 1).
Hier eine kurze Erläuterung der fünf Arbeitsfelder für die logistische Grüne Transformation:
1. Aggregateplanung & Entkopplungspunkte
Neue „grüne“ Produktionsaggregate und damit verbunden der Einsatz neuer Vormaterialien und/ oder Energieträger (beispielsweise H2) verlangen einerseits ein neues Materialflussdesign, andererseits gegebenenfalls auch die Schaffung neuer Entkopplungspunkte im logistischen System. Dies können beispielsweise Vormaterialläger zur Absicherung der Anlagenversorgung in einem volatilen Beschaffungsumfeld oder auch produktionstechnisch bedingte Zwischenlager von Halbfertigprodukten sein. Diese Entkopplungspunkte sind sowohl hinsichtlich ihres Flächenbedarfes als auch ihrer logistischen Anbindung zu berücksichtigen.
2. Flächenverfügbarkeit
Insbesondere in Brownfield-Projekten sind die für Neubauten zur Verfügung stehenden Flächen üblicherweise limitiert. Neben der Sicherstellung eines störungsfreien Betriebs der vorhandenen Produktionsstruktur müssen die neuen Flächen den logistischen Anforderungen an den gewünschten Zielzustand der grünen Transformation genügen. Beispielsweise kann die Anlieferstruktur des Vormaterials bestimmte Verkehrsträger zwingend voraussetzen (etwa das Binnenschiff), was die Eignung von Flächen im Werksumfeld gegebenenfalls weiter einschränkt und möglicherweise die Notwendigkeit zur Suche nach geeigneten externen Flächen erzeugt.
3. Materialflüsse & Verkehrssysteme
Sind die logistischen Fixpunkte (wie Produktionsaggregate, Läger etc.) entlang der Wertschöpfungskette definiert, müssen in der Folge die Verkehrssysteme als Abbildung 2 verbindendes Element dieser Punkte definiert und adäquat dimensioniert werden (vgl. Abb. 2). Hierzu sind bereits vorhandene und zukünftig auftretende Bottlenecks in den multimodalen Verkehrssystemen zu identifizieren sowie Maßnahmen zur Auflösung dieser Bottlenecks zu definieren. Dies kann von baulichen Veränderungen im jeweiligen Verkehrssystem über eine Anpassung des Verkehrsträgermix Wasser-Schiene- Straße bis hin zu einer Änderung der (logistischen) Beschaffungsstrategie reichen. Zudem muss sichergestellt werden, dass auch kurzfristig auftretende Spitzenlasten bewältigen werden können. Die Leistungsfähigkeit sowie der Umgang des logistischen Systems mit verschiedenartigen Risiken kann über entsprechende Simulationsverfahren laufend überprüft werden.
4. CAPEX & OPEX
Die gesamte Transformation des logistischen Systems unterliegt in der Regel Restriktionen im Hinblick auf das verfügbare Investitionsbudget. Während einerseits die Sicherstellung der Kosteneffizienz im Kontext der Investition oberste Priorität genießt, darf jedoch andererseits die Funktionsfähigkeit bzw. Versorgungssicherheit nicht durch Sparen am falschen Ende gefährdet werden. Neben der offensichtlichen CAPEX-Perspektive ist auch eine frühzeitige Abschätzung der Kosten des operativen Betriebs (OPEX) des logistischen Systems sinnvoll, um hier vermeidbaren Aufwand, beispielsweise in Form mehrfacher Materialumschläge, in ihrer monetären Wirkung zu bewerten und gegebenenfalls konzeptionell gegenzusteuern.
5. Transformationsplan aller Systeme für die Bau-/Übergangsphase
Letztlich stehen die bislang genannten Arbeitsfelder in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang. Daher ist ein kontinuierlicher und iterierender Abgleich der Anforderungen, die sich aus allen Bereichen der Transformation ergeben, dringend angeraten, da beispielsweise optimale logistische Lösungen in einem Bereich an anderer Stelle zu suboptimalen Ergebnissen führen kann. So können zum einen Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt als auch das Erreichen eines Gesamtoptimums sichergestellt werden. Die prozessorientierte Einbindung von Stakeholdern über organisatorische Schnittstellen hinweg ist unbedingt zu gewährleisten, um den vielfältigen Verflechtungen der Logistik mit anderen Aktionsfeldern der Grünen Transformation gerecht zu werden.
FAZIT
Der Aufbau eines leistungsfähigen und sich im Zeitablauf stetig wandelnden logistischen Systems zur Unterstützung der Grünen Transformation über alle Phasen des Transformationsprozesses hinweg ist eine komplexe Aufgabe. Insbesondere die Umsetzung der Transformation im Brownfield stellt besonders hohe Anforderungen an die Gestaltung des logistischen Systems. Die Bewältigung dieser Herausforderungen fordert neben der sicheren Beherrschung der Grundprozesse des Supply Chain Management – als übergeordnete Instanz der Logistik – auch den Aufbau neuer Kompetenzen. Hierzu zählen beispielsweise die systemische Modellierung der Wertschöpfungskette und die Simulation von Risiken. Die Gesamtheit dieses neuen beziehungsweise erweiterten Kompetenzprofils fassen wir unter dem Begriff Supply Chain Excellence zusammen – eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Umbau der Logistiksysteme und das Gelingen der Grünen Transformation insgesamt.
Quelle und Grafik: Bronk & Company GmbH