Noch keine Euphorie in der deutschen Wirtschaft
von Hubert Hunscheidt
Positiv wirkt sich die anziehende Binnennachfrage aus, die durch die niedrigere Inflation und die höheren Löhne angeschoben wird. Auch die Anfang Juni von der Europäischen Zentralbank beschlossene Leitzinssenkung stützt die Entwicklung. Die Weltwirtschaft, die zuletzt unterdurchschnittlich expandiert hat, wird nun allmählich in Schwung kommen, was die zuletzt kräftig gestiegenen deutschen Ausfuhren im Laufe des Jahres stützen dürfte. Ein Risiko für den Außenhandel ist neben den Kriegen und geopolitischen Konflikten insbesondere der Handelsstreit zwischen der Europäischen Union und China. Die Fußball-Europameisterschaft dürfte insgesamt nur geringe positive Effekte auf die deutsche Wirtschaft haben. Aufgrund des Hochwassers in einigen Regionen Deutschlands kam es zu vereinzelten Produktionsstörungen, die aber gesamtwirtschaftlich nur wenig ins Gewicht fallen.
In der Industrie bleiben die Aussichten verhalten, wenngleich die Talsohle wohl durchschritten ist. Das Geschäftsklima ist aber nach wie vor gedämpft, die Geschäftserwartungen gingen zuletzt sogar wieder etwas zurück – ein kräftiger Aufschwung ist also noch nicht zu erwarten. „Die Auftragslage der deutschen Industrie ist weiterhin angespannt – der Auftragsbestand sinkt und die Neuaufträge haben sich bis jetzt kaum berappelt“, sagt Laura Pagenhardt, DIW-Konjunkturexpertin. Bis sich die sinkenden Zinsen und der behutsame Aufschwung der Weltwirtschaft in merklichen Zuwächsen bei der Industrieproduktion niederschlagen, dürfte es noch etwas dauern.
Leichte Anzeichen für eine weitere Erholung gibt es derweil bei den Dienstleistungen. Umfragen legen nahe, dass sich die Kauflaune der Menschen verbessert hat. Die Einzelhandelsumsätze erholen sich aber erst zaghaft von ihren Tiefständen des vergangenen Winters. Angesichts der bisherigen Konjunkturschwäche ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt alles in allem weiterhin bemerkenswert gut. „Die deutsche Wirtschaft dürfte nach der Energiekrise und dem Inflationsschub der letzten zwei Jahre zwar das gröbste überstanden haben, Euphorie ist aber noch nicht ausgebrochen“, so DIW-Konjunkturexperte Guido Baldi. Ein neues Risiko sind dabei die kurzfristig anberaumten und Ende Juni beziehungsweise Anfang Juli anstehenden Wahlen in Frankreich, die die künftige politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa unberechenbarer machen könnten.
Quelle und Grafik: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.