Nach 123 Tagen Streik: Tarif beim Windradbauer Vestas
von Hubert Hunscheidt
Einigung nach 123 Tagen Streik: Die IG Metall Küste und die Vestas Deutschland GmbH haben sich auf ein Paket von Tarifverträgen geeinigt. Mit deutlicher Mehrheit haben sich die Mitglieder der IG Metall beim Windenergieanlagenhersteller Vestas für die Annahme des Verhandlungsergebnisses für einen Tarifvertrag ausgesprochen. 92 Prozent der aufgerufenen Mitglieder stimmten in einer Online-Abstimmung für das mit der Geschäftsführung erzielte Ergebnis. Damit treten die tariflichen Vereinbarungen zu Entgeltsteigerungen, Inflationsausgleichprämie, Altersteilzeit sowie einer neuen Entgeltstruktur für die Servicetechniker in Kraft.
Der Streik beim Windanlagenhersteller Vestas war mit 123 Streiktagen einer der längsten in der Geschichte der IG Metall.
Inflationsprämien, mehr Geld und Altersteilzeit
Das Verhandlungsergebnis: Für die Beschäftigten im Service und für die Auszubildenden wird zum 1. Januar 2024 ein Entgeltsystem eingeführt. Für alle Beschäftigten erhöhen sich die Entgelte zum 1. Januar 2024 um 5,4 Prozent. Zum 1. Januar 2025 sollen dann die Entgeltsteigerungen der Tarifrunde 2024 der Metall- und Elektroindustrie übernommen werden. Außerdem gibt es eine Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2750 Euro, die in zwei Schritten am 1. Juli 2023 und 1. Januar 2024 ausgezahlt wird. Neu ist auch eine Regelung zur Altersteilzeit, vergleichbar mit der in den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie.
„In einem der längsten Streiks in der Geschichte der IG Metall ist es gelungen, den Einstieg in Tarifverträge bei Vestas durchzusetzen“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. „Nach einer harten Auseinandersetzung und schwierigen Verhandlungen haben wir ein Paket erreicht, das für die Beschäftigten im Service und die Auszubildenden ein Entgeltsystem nach Tarif und für alle Beschäftigten Entgelterhöhungen, Inflationsausgleichsprämien sowie Altersteilzeit nach Tarif sichert.“
Einstieg in den Tarif nach 123 Tagen Streik erkämpft
Seit dem 7. November 2022 haben die Servicetechnikerinnen und -techniker des Windradbauers Vestas immer wieder tageweise gestreikt. Jahrelang gab es kaum Lohnerhöhungen. Am meisten ärgerte sie die mangelnde Wertschätzung von oben. Viele Beschäftigte verließen das Unternehmen. Dabei braucht Vestas dringend viele Fachkräfte für den Ausbau der Windkraft für die Energiewende.
Immer mehr traten in die IG Metall ein. Vor einem Jahr wählten die Vestas-Beschäftigten erstmals eine Tarifkommission. Sie stellten Forderungen auf und forderten die Geschäftsleitung zu Verhandlungen auf. Doch fast ein Jahr lang weigerte sich die Geschäftsleitung, überhaupt mit der IG Metall zu verhandeln.
Vestas-Servicetechnikerinnen und -techniker aus dem ganzen Bundesgebiet und auch aus Einsätzen in Nachbarländern kamen zu gemeinsamen Aktionen für ihren ersten Tarif zusammen. Sie demonstrierten vor der Deutschland-Zentrale in Hamburg, vor der Vestas-Konzernzentrale im dänischen Aarhus, vor Habecks Windgipfel am Wirtschaftsministerium in Berlin.
Sie erlebten immer wieder Rückschläge, etwa Ende März, als die Geschäftsleitung zunächst Verhandlungen mit der IG Metall-Tarifkommissionen aufnahm, dann jedoch das Angebot wieder von Tisch zog.
Jetzt ist es endlich soweit. Die Servicetechnikerinnen und -techniker bei Vestas haben den ersten Tarifvertrag ihrer Geschichte erkämpft.
„Hunderte Kolleginnen und Kollegen haben über Wochen gestreikt und damit nicht nur für sich, sondern für die gesamte Branche gekämpft“, erklärt Martin Bitter, Geschäftsführer der IG Metall Rendsburg und zuständig für Vestas. „Gute Arbeit mit Tarifverträgen muss künftig auch in der Windbranche eine Selbstverständlichkeit sein. Die Solidarität aus der gesamten IG Metall und aus dem Ausland sowie die große politische Unterstützung, etwa zuletzt in der Debatte im Bundestag, haben uns die nötige Kraft gegeben. Die große Zustimmung zu dem Verhandlungsergebnis werten wir als einen Vertrauensbeweis in diese außergewöhnliche Tarif- und Streikbewegung. Sie ist auch ein Bekenntnis zum Prinzip der Tarifbindung. Jetzt haben wir eine gute Startbasis für die Weiterentwicklung tariflicher Standards bei Vestas.“
Quelle: IG Metall Küste / Foto: marketSTEEL