Mit Restrukturierungen und Investitionen in Wachstum langfristig erfolgreich
von Hubert Hunscheidt
thyssenkrupp konnte im 2. Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2020/2021 an die gute Geschäftsentwicklung des 1. Quartals anknüpfen. So stiegen die Auftragseingänge[1] der Unternehmensgruppe um 14 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum auf insgesamt 8,6 Mrd €. Auch der Umsatz verzeichnete ein Plus von 4 Prozent und stieg im 2. Quartal ebenfalls auf 8,6 Mrd € (Vorjahr: 8,2 Mrd €). Das Bereinigte EBIT betrug 220 Mio € und lag damit deutlich über dem Vorjahreswert von -279 Mio €. Zu diesem Ergebnisanstieg haben nahezu alle Segmente mit ihren Ergebnisverbesserungen beigetragen. Positive Effekte aus den Restrukturierungs- und Effizienzmaßnahmen haben diese Entwicklung unterstützt. Angesichts der guten Geschäftsentwicklung im 1. Halbjahr hat thyssenkrupp die Prognose für das laufende Geschäftsjahr sowohl mit Blick auf Umsatz als auch Ergebnis angehoben.
Martina Merz, Vorstandsvorsitzende der thyssenkrupp AG: „Wir haben im 2. Quartal weiter Boden gut gemacht: Einerseits hat uns dabei die Erholung in vielen unserer Märkte geholfen. Andererseits zeigen unsere Maßnahmen zur Performancesteigerung die geplante Wirkung. Das ist gut und macht uns zuversichtlich. Wir wissen aber auch sehr genau, dass noch viel Arbeit vor uns liegt. Deshalb wird sich hier auch nicht ausgeruht. Die Neuausrichtung von thyssenkrupp bleibt ein Weg der vielen kleinen Schritte – und die gehen wir.“
Entwicklung in den Segmenten im 2. Quartal 2020/2021
Bei Materials Services stieg der Auftragseingang im 2. Quartal um 9 Prozent, während der Umsatz mit -3 Prozent noch knapp unter dem Vorjahr lag. Das Bereinigte EBIT schloss mit 126 Mio € deutlich über dem Vorjahr (29 Mio €) ab. Hier machen sich zum einen die durch die Materialknappheit hervorgerufenen gestiegenen Walz- und Edelstahlpreise und zum anderen die Effekte der konsequenten Umsetzung der Transformation bemerkbar: Das Segment hat u.a. im Zuge der fortlaufenden Netzwerkoptimierung die Anzahl der Logistikstandorte seit 2019 inzwischen um 39 reduziert, davon fünf im Berichtsquartal. Dadurch konnte die Produktivität (Lagerabsatz pro Mitarbeiter) deutlich gesteigert werden. Als weiteren Baustein der Standortnetzoptimierung hat Materials Services im April ein neues Logistik-Center im niedersächsischen Rotenburg eröffnet, das mit seinem hohen Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad die Leistungsfähigkeit des Unternehmens weiter erhöht.
Industrial Components konnte den Auftragseingang um 11 Prozent und den Umsatz um 9 Prozent steigern. Bei den Großwälzlagern zahlen sich die kontinuierlichen Wachstumsinvestitionen zur Anpassung und Erhöhung der Produktionskapazitäten vor allem im Bereich Windenergie aus. Das Geschäft profitiert dabei weiterhin deutlich von einer guten Auftragslage – insbesondere in China. Auch im Schmiedegeschäft zeigte sich nach dem pandemiebedingt globalen Markteinbruch im Vorjahr eine deutliche Erholung in allen Regionen – sowohl bei den Komponenten für Lkw und Pkw als auch bei Fahrwerken für Baumaschinen. Das Bereinigte EBIT lag aufgrund der guten Marktentwicklung, des erweiterten Produktangebots, einer verbesserten Produktivität und Effekten aus Kostensenkungsmaßnahmen mit 97 Mio € deutlich über Vorjahr (52 Mio €).
Bei Automotive Technology stiegen im 2. Quartal Auftragseingang und Umsatz um 9 bzw. 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei einer insgesamt guten Nachfrageentwicklung in China resultierten die Steigerungen vorwiegend aus dem automobilen Seriengeschäft – insbesondere bei Lenkungen, Nockenwellenmodulen und Dämpfersystemen. Ohne die Engpässe bei Halbleiter-produkten hätten diese Wachstumsraten noch stärker ausfallen können. Das Bereinigte EBIT lag mit 75 Mio € deutlich über dem Vorjahr (-8 Mio €). Zu diesem guten Ergebnis haben alle Business Units beigetragen, v. a. durch Effizienzsteigerungen in der Produktion (geringere Ausschussraten, niedrigere Fehlerkosten, verbesserte Taktzeiten) sowie durch erfolgreich umgesetzte Restrukturierungen, u. a. im Bereich Automotive Body Solutions (vormals Teil von System Engineering).
In einem strukturell weiterhin herausfordernden Marktumfeld lagen Auftragseingang und Umsatz bei Steel Europe mit 13 bzw. 8 Prozent über Vorjahr. Aufgrund von Nachholeffekten v. a. seitens der Automobilindustrie sowie hoher Nachfrage im Zuge von Lagerergänzungen insbesondere bei Endverarbeitern zog die Geschäftsentwicklung weiter an. Das Bereinigte EBIT verbesserte sich deutlich auf 47 Mio € (Vorjahr: -181 Mio €). Gründe dafür sind die höhere Auslastung der Aggregate verbunden mit einem verbesserten Produktmix und positiver Erlösentwicklung sowie erste Effekte aus der laufenden Restrukturierung und den eingeleiteten Performancemaßnahmen.
Marine Systems konnte den Auftragseingang im 2. Quartal auf 405 Mio € (Vorjahr: 133 Mio €) deutlich steigern. Positiv wirkte ein Auftragseingang der italienischen Marine im Unterwasserbereich. Auch der Umsatz fiel mit 689 Mio € deutlich besser als der Vorjahreswert (424 Mio €) aus. Grund war im Wesentlichen die Übergabe der dritten Fregatte F125 an die deutsche Marine. Das Bereinigten EBIT schloss mit 2 Mio € leicht positiv und damit auf Vorjahresniveau ab (Vorjahr: 3 Mio €).
Die im Segment Multi Tracks[2] zusammengefassten Geschäfte weisen analog ihrer sehr unterschiedlichen und spezifischen Herausforderungen auch für das 2. Quartal sehr heterogene Entwicklungen aus: Das Edelstahlgeschäft verzeichnete eine anhaltend gute Nachfrage, allerdings belasteten marktbedingte Entwicklungen auf der Preis- und Kostenseite das Ergebnis. Der Anlagenbau und der Bereich Automation Engineering (vormals Teil von System Engineering) verzeichneten einen höheren Auftragseingang. Im Umsatz machten sich aber noch die geringeren Auftragseingänge der Vorperioden und im Anlagenbau die Konzentration auf weniger, aber attraktivere Marktsegmente bemerkbar. Im Bereich Grobblech ist die Geschäftsentwicklung vor der geplanten Stillsetzung rückläufig. Insgesamt ist der Auftragseingang bei Multi Tracks um 7 Prozent gestiegen, der Umsatz um 5 Prozent gesunken. Das Bereinigte EBIT belief sich auf insgesamt -80 Mio € und liegt damit deutlich über dem Vorjahr und auch über dem Vorquartal (Vorjahr -100 Mio €, Vorquartal -111 Mio €). Die Performance- und Restrukturierungsmaßnahmen in den einzelnen Geschäften mit klar definierten Kosten- und Personalabbauzielen sorgen bereits für eine deutliche Verbesserung. Im abgelaufenen 1. Halbjahr wurden aus den insgesamt 640 Maßnahmen 62 Mio € Ergebniseffekt erzielt, davon 29 Mio € im 2. Quartal. Schwerpunkte der Restrukturierungen liegen im laufenden Geschäftsjahr in Deutschland im Anlagenbau, bei Springs & Stabilizers und Automation Engineering. Darüber hinaus wurde eine Standortschließung in Brasilien umgesetzt (Infrastructure) und eine in Deutschland eingeleitet (Carbon Components).
Die Verwaltungskosten der Zentrale konnten auch im 2. Quartal weiter planmäßig gesenkt werden. Das Bereinigte EBIT von Corporate Headquarters lag bei -49 Mio € (Vorjahr: -59 Mio €, Vorquartal -54 Mio €).
2. Quartal 2020/2021: Kennzahlen Gruppe insgesamt (inkl. nicht fortgeführter Aktivitäten)
Unter dem Strich konnte thyssenkrupp im 2. Quartal 2020/2021 das Periodenergebnis deutlich um 758 Mio € auf -187 Mio € steigern. Darin enthalten sind Aufwendungen für Restrukturierungen von rund 260 Mio €. Nach Abzug der Minderheitenanteile lag das Netto-Ergebnis im 2. Quartal bei -211 Mio € (Vorjahr: -948 Mio €); das Ergebnis je Aktie betrug -0,34 € (Vorjahr: -1,52 €).
Nach dem positiven 1. Quartal des laufenden Geschäftsjahres war der Free Cashflow vor M&A im 2. Quartal mit -750 Mio € wie erwartet negativ und lag um 541 Mio € unter Vorjahr. Hier spiegeln sich insbesondere die markterholungsbedingten Nachholeffekte im Umlaufvermögen wider, aber auch weitere Auszahlungen für Restrukturierungen sowie Investitionen in Wachstumsprojekte in allen Segmenten und in laufende Projekte bei Steel Europe im Zusammenhang mit der Umsetzung der Strategie 20-30. Das Netto-Finanzguthaben der Gruppe verringerte sich dementsprechend gegenüber dem 31. Dezember 2020 (Finanzguthaben von 5,1 Mrd €) auf 4,2 Mrd €. Mit flüssigen Mitteln und freien zugesagten Kreditlinien von insgesamt 11,3 Mrd € verfügt thyssenkrupp weiterhin über eine sehr gute Liquiditätssituation.
Klaus Keysberg, Finanzvorstand der thyssenkrupp AG: "Wir wollen und müssen möglichst schnell zurück zu einem positiven Cashflow. Gleichzeitig gilt es, gezielt und mit Augenmaß weiter in die Zukunft unserer Geschäfte zu investieren, um Marktentwicklungen und Potenziale unserer Segmente bestmöglich zu nutzen. Dies tun wir mit dem nötigen Blick auf die Belastbarkeit unseres Cashflows. Mit den notwendigen Restrukturierungen und Investitionen in Wachstum schaffen wir die Voraussetzungen, um thyssenkrupp langfristig erfolgreich zu machen. Damit sind wir bei dieser Transformation auf dem richtigen Weg."
Das Eigenkapital hat sich gegenüber dem 31. Dezember 2020 von 9,9 Mrd € auf 10,4 Mrd € verbessert. Der Periodenfehlbetrag konnte insbesondere durch positive Effekte aus der durch das gestiegene Zinsniveau erforderlichen Neubewertung der Pensionsverpflichtungen kompensiert werden.
Prognose für das Geschäftsjahr 2020/2021 erneut angehoben
Für das laufende Geschäftsjahr geht thyssenkrupp von einer weiter anhaltenden wirtschaftlichen Erholung und sichtbaren strukturellen Verbesserung der Geschäfte aus. Nach der positiven Entwicklung im 1. Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres sollte sich diese Entwicklung auch im 2. Halbjahr fortsetzen – allerdings mit gedämpfter Dynamik.
Vor dem Hintergrund hat das Unternehmen seine Jahresprognose in entsprechenden Bandbreiten erneut angehoben:
Der Umsatz wird – insbesondere in Abhängigkeit vom weiteren Verlauf der Corona-Pandemie – im niedrigen zweistelligen Prozentbereich wachsen, jedoch noch deutlich unter dem Vorkrisen-Niveau bleiben (bisherige Prognose: Wachstum im hohen einstelligen Prozentbereich; Vorjahr: 28,9 Mrd €).
Für das Bereinigte EBIT rechnet thyssenkrupp infolge der erwarteten Verbesserungen in allen Segmenten mit einer signifikanten Steigerung hin zu einem positiven Ergebnis in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionen-€-Betrages (bisher: nahezu ausgeglichenes Ergebnis; Vorjahr: pro forma[3] -1,8 Mrd €).
Die Verbesserung des Free Cashflow vor M&A wird sich wie bisher prognostiziert in Richtung -1 Mrd € bewegen (Vorjahr: -5,5 Mrd €). Neben der Ergebnisverbesserung wird diese Entwicklung auch von dem im Zuge des Umsatzwachstums erforderlichen und von der Preisentwicklung der Rohstoffe abhängigen Aufbau des Nettoumlaufvermögens, den Auszahlungen für Restrukturierungen und Investitionen (über Abschreibungen) sowie von Zuflüssen aus Auftragseingängen und den Zahlungsprofilen der Projektgeschäfte abhängig sein.
Trotz der deutlichen Verbesserungen erwartet thyssenkrupp unter dem Strich einen Jahresfehlbetrag von bis zu einem mittleren dreistelligen Millionen-€-Betrag (bisher: Nettoverlust im hohen dreistelligen Millionen-€-Bereich; Vorjahr: -5,5 Mrd €). Darin sind Aufwendungen für Restrukturierungen in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionen-€-Betrages berücksichtigt.
Quelle und Foto: thyssenkrupp AG