Mit der Stahlindustrie in eine klimaneutrale Zukunft
von Hubert Hunscheidt
In der vergangenen Woche zeigte sich, dass die Stahlbranche bereit zum Handeln, aber auf politische Rahmenbedingungen sowohl auf nationaler wie auch auf EU-Ebene angewiesen ist. Schließlich erfordert die Klimaneutralität enorme finanzielle Anstrengungen seitens der Stahlindustrie. Als Schlüsselindustrie, nicht nur für die Automobilherstellung, ist eine großflächige Förderung vonnöten, um die Branche in Deutschland und Europa zu halten.
- Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident Wirtschaftsvereinigung Stahl, sieht im Energiekostenanstieg eine Gefährdung des Einstiegs in die Transformation und die Wettbewerbsfähigkeit des Stahlstandorts, insbesondere bei der Elektrostahlproduktion. Eine klimaneutrale Stahlindustrie braucht den richtigen politischen Rahmen, für den die Politik jetzt den Startknopf drücken muss.
- Laut Bernhard Osburg, Vorstandschef von Thyssen-Krupp Steel Europe, stecken in der grünen Transformation Herausforderungen und Chancen. Das Ziel des Stahlherstellers ist es, bis 2030 die CO2-Emissionen um 30% zu senken und bis 2045 klimaneutral zu sein.
- Die GMH Gruppe nimmt ihr Schicksal in die eigenen Hände wie Dr. Alexander Becker, CEO der GMH Gruppe, betont. Mit dem Produktportfolio aus Stahl-, Schmiede- und Gussteilen setzt das Unternehmen heute schon auf Photovoltaikanlagen auf Hallendächern, Windkraftanlagen angrenzend am Industriegelände und Wasserstoffelektrolyse für den Eigenbedarf sowie die Umstellung bei der Produktion auf Strom und Wasserstoff.
- Götz Erhardt und Gerd Michael Hüsken von Accenture zufolge, hat die Europäische Stahlindustrie auf dem Weg zu „green steel“ diverse Herausforderungen zu bewältigen. Digitalisierung und Innovation ermöglichen dabei einen gemeinsamen Handlungsauftrag für die Stahlbranche.
- Der CEO von ArcelorMittal Europe und Präsident von Eurofer, Geert Van Poelvoorde, hält die Umstellung der Stahlindustrie für nicht durchführbar, wenn der derzeitige Trend der hohen CO2-, Energie- und Erdgaspreise anhält. Er fordert konrete Rahmenbedingungen von der Politik, damit die Unternehmen jetzt handeln können.
- Daniel Briesemann, Rohstoffanalyst von der Commerzbank fragt, wann sich die Rohstoffmärkte wieder entspannen. Die Industriemetallpreise sind noch im Rally-Modus und die Stahlpreise haben ihren Höhepunkt überschritten, während die Stahlproduktion mit der -nachfrage nicht Schritt hält.
- Dr. Sebastian Kreft von metalshub sieht den Erfolg eines Stahlherstellers in der Bedeutung des Rohstoffeinkaufs. Aufgrund der hohen Volatilität bei den Preisen für Eisenerz, Kokskohle und Schrott im Jahr 2021 sehen 76% der CPOs in der Digitalen Transformation eine Priorität in den nächsten 12 Monaten. Dabei wird die steigende Anzahl an Elektroöfen zukünftig zu erhöhter Konkurrenz um Schrotte führen.
- Für Guido Kerkhoff, den Vorsitzenden des Vorstands der Klöckner & Co SE, ist Stahl deutlich weniger klimaschädlich als andere Werkstoffe, wie zum Beispiel Carbonfaser. Er ist sehr gut zu recyceln, da man Stahl im Stoffkreislauf halten kann. Mit modernen Technologien kann umweltfreundlicher („grüner“) Stahl hergestellt und eingesetzt werden.
- Prof. Dr. Frank Pothen vom Fraunhofer IMW sieht gesellschaftliche Vorteile des Schrotteinsatzes. Klimaschutz und Umweltschutz durch Schrott. Gegenüber Primärprodukten können beim Einsatz von Stahlschrott etwa 1,67 Tonnen CO2 pro Tonne eingespart werden, beim Edelstahlschrott gar 4,3 Tonnen.
- Als einen der CO 2-effizientesten Produzenten weltweit sieht Dr. Henrik Adam, Vice President European Corporate Affairs, Tata Steel Limited, sein Unternehmen derzeit, das bis 2050 komplett auf CO2-neutralen Stahl umstellen möchte.
- Ulrich Grethe, Vorsitzender der Geschäftsführung der Salzgitter Flachstahl und Mitglied der Konzerngeschäftsleitung der Salzgitter AG möchte die Transformation erfolgreich vorantreiben. Dafür ist jedoch eine Anschubfinanzierung für großindustrielle Pilotprojekte ebenso notwendig wie Anreizsysteme zur Etablierung grüner Leitmärkte und die Sicherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen.
- Mag. Wolfgang Mitterdorfer, Mitglied im Vorstand voestalpine Steel Division, hat bereits mit voestalpine greentec steel einen klaren und ambitionierten Plan für eine grüne Stahlproduktion. Das Unternehmen hat in den vergangenen 10 Jahren bereits 2,4 Mrd. Euro in Umweltaufwendungen investiert.
- Je nach Szenario wird 2045/2050 zwischen 20% und 42% des Endenergiebedarfs durch Importe gedeckt – vor allem von H2- und PtX-Importen, zeigt sich Prof. Dr. Manfred Fischedick, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts überzeugt. Gegenüber dem heutigen Niveau wird auch die Importabhängigkeit deutlich sinken.
- Den Grund für den rasanten Preisanstieg im Energiesektor seit Sommer 2020 sieht Steven Schönke von der VNG Handel & Vertrieb im größten relativen Preisanstieg von Erdgas durch die wirtschaftliche Erholung und den globalen Nachfrageanstieg sowie bei den Angebotsengpässen bei Kohle und Gas.
Quelle und Fotos: marketSTEEL