Metallmärkte zeigen Nerven: Rückblick und Prognosen

von Angelika Albrecht

Die Preisrally an den Metallmärkten hat sich in den letzten Wochen unerwartet stark fortgesetzt. Erst vor kurzem wurden die Anleger nervöser und die Metallpreise gerieten unter Druck. Zinn und Nickel brachen sogar vorübergehend ein. Die Commerzbank geht jedoch langfristig von höheren Preisen aus.

Die aktuelle Preisrally fällt stärker aus als die Commerzbank Rohstoff-Spezialisten erwartet haben. Im Februar schien es laut Commerzbank für die Metallpreise zeitweise kein Halten zu geben. Der LME-Industriemetallindex (LMEX) erreichte Ende Februar mit über 4.000 Punkten ein 9½-Jahreshoch. Von seinem Tief letzten März war der LMEX um 80% gestiegen. Angeführt wurde die Rally bis dahin von Zinn (+26% seit Jahresbeginn), auf den weiteren Plätzen folgten Kupfer (+17%) und Nickel (+12%). Der Kupferpreis war zeitweise nur noch wenige Hundert US-Dollar von seinem Allzeithoch aus dem Jahr 2011 entfernt.

Industriemetalle auch von Aktien mit nach oben gezogen

Getrieben wurden die Metallpreise von der anhaltend guten und oftmals sogar ausgelassenen Stimmung an den Finanzmärkten. Angefacht wurde die Preisrally zudem von immer höheren Prognosen seitens großer angelsächsischer und asiatischer Investmentbanken. Diese haben zunächst für Kupfer immer höhere Preisziele ausgegeben, die allesamt über dem bisherigen Rekordwert lagen. Später kam auch Aluminium hinzu. Teilweise wurde sogar der Beginn eines Superzyklus ausgerufen. Auch große Minenunternehmen äußerten sich in den letzten Wochen optimistisch zu Rohstoffen, insbesondere zu deren langfristigen Nachfrageaussichten. Die Commerzbank ist jedoch mit eigenen Vorhersagen vorsichtig. Ihrer Ansicht nach hängt vieles auch von der Geldpolitik der Zentralbanken ab.

Squeeze am Zinnmarkt

Die Begeisterung mancher Marktteilnehmer für Industriemetalle im Allgemeinen und Kupfer im Speziellen gipfelte in einer Meldung aus China, wonach ein chinesisches Broker-Haus an der SHFE in Shanghai innerhalb von vier Tagen eine Long-Position in Kupfer im Gegenwert von rund 1 Mrd. USD aufgebaut hatte. Ins Visier spekulativer Finanzinvestoren geriet auch der Zinnmarkt, der von allen Industriemetallmärkten der am wenigsten liquide ist. Mittlerweile haben sich die Finanzanleger jedoch wieder zurückgezogen und die Lage hat sich etwas beruhigt.

Spekulative Finanzanleger haben Kupferpreisanstieg zuletzt nicht mehr angefacht

Der starke Anstieg der Metallpreise im Februar lässt sich laut Commerzbank aber nicht nur auf das Engagement spekulativer Finanzinvestoren zurückführen. Diese hatten an der Comex etwas überraschend für die Rohstoffspezialisten der Bank im Februar ihre Netto-Long-Positionen bei Kupfer sogar reduziert, obwohl der Preis deutlich gestiegen war. Die LME-Statistik zur Positionierung spekulativer Marktteilnehmer zeigt bei Kupfer ein ähnliches Bild. Bei den meisten anderen Industriemetallen sind die Wetten auf steigende Preise im Monatsvergleich allerdings höher.

Angebotsdefizit am globalen Kupfermarkt

Die fundamentale Situation an den Metallmärkten gestaltet sich höchst unterschiedlich. Im Falle von Kupfer hat sich der Markt im zweiten Halbjahr 2020 eingeengt. Das Angebotsdefizit des globalen Kupfermarkt bis einschließlich November war deutlich größer als im Vorjahr. Das hohe Defizit führt die ICSG auf eine stark gestiegene augenscheinliche Nachfrage Chinas zurück (+14%), die sich so laut ICSG dieses Jahr wohl nicht wiederholen dürfte. China dürfte sich wegen der deutlich gestiegenen Preise mit umfangreichen Käufen auf dem Weltmarkt zunächst zurückhalten, nicht nur im Falle von Kupfer.

Hoher Angebotsüberschuss am globalen Nickelmarkt

Der globale Nickelmarkt wiederum wies im letzten Jahr gemäß Daten der International Nickel Study Group (INSG) einen Angebotsüberschuss in Höhe von 123 Tsd. Tonnen auf. Dies war der höchste Überschuss seit sieben Jahren. 2019 war der Markt noch im Defizit (33 Tsd. Tonnen). Für dieses Jahr erwartet die INSG bislang eine deutliche Nachfrageerholung. Sie erwartet, dass der Angebotsüberschuss auf 68 Tsd. Tonnen abschmelzen wird. Neue Projektionen veröffentlicht die INSG Ende April.

Hoher Angebotsüberschuss auch am Zink- und Bleimarkt

Stark überversorgt waren im letzten Jahr Daten der International Lead and Zinc Study Group (ILZSG) zufolge auch der globale Zinkmarkt und der globale Bleimarkt. Gemäß den ILZSG-Daten übertraf bei Zink das Angebot die Nachfrage um 533 Tsd. Tonnen. Dies war der höchste Überschuss seit mehr als zehn Jahren. Das Angebot ist angeführt von China um 1,2% gestiegen. Die Nachfrage ging dagegen um 4,4% zurück, wozu alle Länder bzw. Regionen außerhalb Chinas beitrugen. Besonders starke Rückgänge waren in großen stahlproduzierenden Ländern wie Südkorea, Indien und Japan zu beobachten.

Bei Blei hat sich ein Überschuss in Höhe von 223 Tsd. Tonnen aufgetürmt, ebenfalls der höchste seit über zehn Jahren. Das Angebot fiel den ILZSG-Daten zufolge in fast allen Ländern/Regionen, insgesamt um 3,6%. Die Nachfrage sackte um 5,3% ab, vor allem in Europa, den USA und Japan. Dort waren die Automobilsektoren stark durch die Corona-Pandemie getroffen, so dass die Bleinachfrage für Batterien geringer ausfiel. Für dieses Jahr erwartet die ILZSG bislang sowohl am Zink- als auch am Bleimarkt zwar einen etwas geringeren, aber immer noch sehr hohen Angebotsüberschuss (470 Tsd. Tonnen bei Zink, 190 Tsd. Tonnen bei Blei). Auch die ILZSG veröffentlicht neue Projektionen Ende April.

Nickel und Zinn zuletzt merklich unter Druck

Dass der Aufwärtstrend der Metallpreise doch keine Einbahnstraße ist, zeigte die Preisreaktion Anfang März. Neben Zinn war in der ersten März-Woche Nickel aus dem Nichts unter die Räder gekommen. Der Nickelpreis hatte innerhalb von zwei Tagen zeitweise 15% verloren. Er hatte auf zwei kurz hintereinander folgende Nachrichten aus Russland und China reagiert, die beide auf ein höheres Angebot hindeuteten. Im Zuge dessen gerieten auch die meisten anderen Industriemetalle spürbar unter Druck. Dies hat gezeigt, dass die Metallpreise offensichtlich doch nicht so sattelfest sind, wie zuletzt oft behauptet wurde. Bei Zinn und Nickel konnte man eindrucksvoll sehen, welche Auswirkungen es haben kann, wenn die sehr gute bzw. zuweilen euphorische Stimmung der Marktteilnehmer umschlägt. Die Commerzbank meint, dass in den Märkten viel heiße Luft ist und vermutet weitere Korrekturen. Die Stimmung an den Finanzmärkten allgemein sei jedoch nach wie vor gut.

Vermutlich langfristig höhere Metallpreise

Für langfristig höhere Metallpreise sprechen laut Commerzbank die fundamentalen Aussichten. So hat sich das weltgrößte Minenunternehmen Mitte Februar im Rahmen seiner Halbjahresberichterstattung äußerst positiv zu den langfristigen Nachfrageaussichten für Industrierohstoffe geäußert. Demnach bekennen sich viele Regierungen in wichtigen Wirtschaftsnationen zu mehr Wachstum und dem Kampf gegen den Klimawandel. Das Bevölkerungswachstum, die Dekarbonisierung, die Digitalisierung und steigende Lebensstandards würden die Nachfrage nach Energieträgern, Metallen und Düngemittel in den nächsten Jahrzehnten treiben.

Die Dekarbonisierung und die damit verbundenen ambitionierten Klimaziele haben vermutlich nicht nur Auswirkungen auf die Nachfrage, sondern auch auf das Angebot. Energieintensive Produktionsstätten könnten verlagert oder sogar geschlossen werden, so dass dadurch das Angebot eingeschränkt werden könnte. Dies wäre auf langfristige Sicht ein preistreibender Faktor. Die hohen Preise machen allerdings auch die Produktion attraktiv. So haben in den letzten Wochen mehrere Minenunternehmen die Expansion bestehender Minen und Investitionen in neue Projekte angekündigt. Bis daraus neues Angebot an den Markt gelangt, werden zwar noch einige Jahre vergehen. So könnten aber mögliche Angebotsengpässe abgefedert oder aufgefangen werden.

Nach Meinung der Commerzbank basiert im Moment der Optimismus vieler Marktteilnehmer auf dem Voranschreiten der Impfungen und der damit verbundenen Wirtschaftserholung. Auch auf China wird viel Hoffnung gesetzt. Dort steht eine saisonal nachfragestarke Zeit bevor. Sollte sich die Wirtschaftslage auf globaler Ebene durch die Impfungen normalisieren, dürfte aber auch die Produktion wieder Fahrt aufnehmen. Selbst wenn das Angebotswachstum hinter dem Nachfragezuwachs zurückbleiben sollte, steht wegen der hohen Überschüsse im letzten Jahr an vielen Märkten noch genügend Angebot zur Verfügung, um die Nachfrage zu befriedigen. Zudem dürften sich die preissensitiven chinesischen Händler wegen der stark gestiegenen Preise mit Käufen zunächst zurückhalten.

Die Commerzbank hält die Aufwärtsbewegung vieler Metallpreise für überzogen und vermutet eine Korrektur. Langfristig geht sie von höheren Preisen aus. Sie rät deshalb Konsumenten, starke Preisrücksetzer wie zuletzt bei Nickel zur Absicherung ihres längerfristigen Metallbedarfs zu nutzen. Ansonsten gehen die Rohstoffspezialisten der Bank davon aus, dass die meisten Metallpreise am Jahresende niedriger notieren dürften als aktuell.

Quelle: Commerzbank AG / Commerzbank Commodity Research  / Vorschaubild: fotolia

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