Kurz- bis mittelfristig keine Entspannung für die Stahlmarktaussichten
von Hubert Hunscheidt

Die wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen, die den europäischen Stahlmarkt in den vergangenen zwei Jahren geprägt haben, zeigen weiterhin keine Anzeichen einer Verbesserung. Im Gegenteil: Ihre negativen Auswirkungen auf den Sektor haben sich im Jahr 2024 weiter verschärft. Die wachsende Unsicherheit wird auch in den Jahren 2025 und 2026 anhalten, wobei die Entwicklungen stark von unvorhersehbaren Faktoren, insbesondere im internationalen Handel, abhängen.
Laut dem aktuellen Wirtschafts- und Stahlmarktausblick von EUROFER wird der Rückgang des sichtbaren Stahlverbrauchs im Jahr 2024 stärker ausfallen als bisher prognostiziert (-2,3 % statt -1,8 %). Gleichzeitig wurde die erwartete Erholung im Jahr 2025 nach unten korrigiert (+2,2 % statt +3,8 %). Ähnlich verhält es sich mit der Rezession in den stahlverarbeitenden Sektoren: Die Prognose für 2024 wurde von -2,7 % auf -3,3 % gesenkt, während die Wachstumsprognose für 2025 ebenfalls reduziert wurde (+0,9 % statt +1,6 %). Eine nennenswerte Erholung wird erst im Jahr 2026 erwartet (+2,1 %).
Die Stahlimporte bleiben auch im dritten Quartal 2024 auf einem historisch hohen Niveau (28 %).
Axel Eggert, Generaldirektor des Europäischen Stahlverbands (EUROFER), betonte nach der Veröffentlichung des Wirtschafts- und Stahlmarktausblicks für das erste Quartal 2025 die Dringlichkeit politischer Maßnahmen: „Wir können es uns nicht länger leisten, einer Situation ausgeliefert zu sein, in der externe Faktoren, die sich der Kontrolle der Stahlhersteller entziehen – massives Stahldumping, nicht wettbewerbsfähige Energie- und Kohlenstoffpreise, eine einbrechende Nachfrage, Handelshemmnisse und geopolitische Spannungen – unsere Branche strukturell untergraben. Die Maßnahmen, die die Europäische Kommission in den kommenden Wochen vorstellen wird, werden über die Zukunft der EU-Stahlindustrie, ihrer hochwertigen Arbeitsplätze und damit über die Zukunft des verarbeitenden Gewerbes, der Wettbewerbsfähigkeit und der Sicherheit in der EU entscheiden. Die Tausenden europäischen Stahl- und Industriearbeiter, die in Brüssel auf die Straße gegangen sind, sind eine eindringliche Erinnerung daran, was auf dem Spiel steht.“
Überblick über den EU-Stahlmarkt
Im dritten Quartal 2024 setzte sich der Rückgang des sichtbaren Stahlverbrauchs fort (-0,9 % nach -1,4 %) und erreichte ein Gesamtvolumen von 30,4 Millionen Tonnen. Vor dem ersten Quartal 2025 wird keine Verbesserung erwartet, da das Verbrauchsvolumen weiterhin deutlich unter dem Vorkrisenniveau liegt. Die Entwicklung der Stahlnachfrage bleibt insgesamt mit hohen Unsicherheiten behaftet.
Auch die inländischen Auslieferungen verzeichneten im dritten Quartal einen weiteren Rückgang (-2,3 % nach -1,6 %). Gleichzeitig stiegen die Stahlimporte um 1 %, wodurch ihr Gesamtanteil mit 28 % auf einem historischen Höchststand blieb.
Lage der stahlverarbeitenden Sektoren in der EU
Die Entwicklung der stahlverarbeitenden Sektoren verschlechterte sich weiter und verzeichnete im dritten Quartal 2024 einen deutlichen Rückgang (-4,1 % nach -2,1 %). Dieser Rückgang wurde maßgeblich durch die anhaltende Rezession in der Automobil- und Baubranche verstärkt, die wiederum die Schwierigkeiten anderer Industriezweige verschärfte.
Infolgedessen wurden die Prognosen für den stahlgewichteten Industrieproduktionsindex (SWIP) für 2024 und 2025 erneut gesenkt: Die Rezession vertiefte sich von -2,7 % auf -3,3 %, während die erwartete Erholung für 2025 auf +0,9 % statt +1,6 % herabgestuft wurde. Erst für das Jahr 2026 wird wieder ein moderates Wachstum von +2,1 % erwartet.
Quelle: Eurofer / Foto: Fotolia