Kostensteigerungen betreffen vor allem Automobil-Zulieferer
von Hubert Hunscheidt
Zwei Drittel (66 Prozent) der befragten Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe rechnen mit Kostensteigerungen im laufenden Geschäftsjahr. 13 Prozent rechnen mit mehr als zehn Prozent höheren Kosten, rund die Hälfte (53 Prozent) mit bis zu zehn Prozent. Besonders betroffen: die deutschen Automobilzulieferer. Hier melden 73 Prozent gestiegene Kosten. 30 Prozent der Befragten verzeichnen Steigerungen größer als zehn Prozent. Das ist das Ergebnis einer Befragung des Marktforschungsinstituts Kantar Public im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch.
- Nur durchschnittlich 43 Prozent der Kostensteigerungen können die befragten Automobilzulieferer weitergeben
- 30 Prozent haben einen Einstellungsstopp geplant, 40 Prozent wollen Investitionen verschieben oder stoppen
- Fast jedes fünfte Unternehmen (17 Prozent) denkt aktiv über den Abbau von Produktionskapazitäten nach
Vor allem in den Bereichen Energie (85 Prozent der produzierenden Unternehmen), Personal (81 Prozent), Logistik (70 Prozent) und Material (69 Prozent) melden die Befragten gestiegene Kosten. Bei den Automobilzulieferern schlagen insbesondere bei der Energie (87 Prozent), den Materialien und Vorprodukten (80 Prozent) und Dienstleistungen (70 Prozent) Kostensteigerungen zu Buche. 71 Prozent aller befragten Unternehmen berichten zudem, dass Preis- und Zinsanstiege sich auf ihre Lieferketten auswirken, in der Automobilindustrie sagen dies 80 Prozent.
„Die Kostensteigerungen treffen bei den Automobilzulieferern gerade eine deutsche Kernindustrie, die gleichzeitig auch große Problem auf der Absatzseite hat“, sagt Ralf Winzer, Vorstand und Senior Partner bei FTI-Andersch, der auf Restrukturierung, Business Transformation und Transaktionen spezialisierten Beratungseinheit von FTI Consulting in Deutschland. „Denn die Hersteller haben zwar zuletzt selbst gute wirtschaftliche Kennzahlen vorgelegt. Sie setzen allerdings deutlich weniger Neufahrzeuge als vor der Pandemie ab. Dadurch sind erhebliche Überkapazitäten entstanden. Auch die Störungen in den Lieferketten sind nicht ganz überwunden und führen damit immer noch zu größeren Schwankungen bei Lieferabrufen.“
Automobilzulieferer Schlusslicht unter den Branchen, die Preissteigerungen weiterreichen können
Es überrascht darum nicht, dass die Unternehmen im Automotive-Bereich durchschnittlich nur 43 Prozent der Kostensteigerungen an ihre Abnehmer weitergeben können – die Branche weist damit die geringste Quote der untersuchten Branchen auf (vergleiche Konsumgüter: 51 Prozent; Maschinenbau: 47 Prozent; über alle Branchen hinweg: 50 Prozent).
„Der Durchschnitt verschleiert allerdings die teils extrem unterschiedliche Ausgangslage der Unternehmen“, sagt Heiko Rauscher, Senior Partner und Automobilexperte bei FTI-Andersch. So können fast ein Viertel (23 Prozent) der befragten Unternehmen aus der Automobilindustrie nur höchstens 20 Prozent der Kosten weitergeben. Und während im produzierenden Gewerbe allgemein immerhin 38 Prozent der Unternehmen 61-100 Prozent der Steigerungen an ihre Kunden weiterreichen konnten, sind dies in der Automobilindustrie erneut gerade einmal 23 Prozent. „Die Zahlen verdeutlichen, dass eine signifikante Minderheit nach wie vor größere Probleme bei der Eindämmung der Preissteigerungen hat“, sagt Heiko Rauscher. „Viele sind in Gefahr, was ihre Liquidität angeht.“
Strategische Krise der Zulieferer nimmt gerade erst richtig Fahrt auf
Folglich haben 30 Prozent der befragten Unternehmen aus der Automobilindustrie einen Einstellungsstopp ins Auge gefasst (26 Prozent über alle Branchen hinweg). Aber: erst 17 Prozent haben ihn bereits verhängt. Weitere kurzfristig geplante oder bereits umgesetzte Maßnahmen der Zulieferer, um gegen die Kostensteigerungen vorzugehen: 93 Prozent wollen Beschaffungskosten reduzieren, 90 Prozent die Energieeffizienz verbessern, 40 Prozent Investitionen verschieben oder sogar stoppen. Mit Outsourcing in Niedriglohnländer beschäftigen sich nur 13 Prozent der Unternehmen im Automobilbereich (24 Prozent über alle Branchen hinweg). Aber: 17 Prozent denken sehr konkret über den Abbau von Produktionskapazitäten nach.
„Die von Kantar erhobenen Zahlen verdeutlichen die aktuellen operativ-finanziellen Probleme bei vielen Automobil-Zulieferunternehmen“, sagt Ralf Winzer. „Die strategische Krise, in der sich die Branche befindet, ist hier jedoch noch nicht dargestellt. Sie wird deutlich tiefer werden und nimmt jetzt gerade an Fahrt auf. Denn ob die deutschen OEMs die Absatzzahlen der Vergangenheit wieder abbilden können, das steht in den Sternen und wirkt gerade eher unwahrscheinlich. Einige haben sich bereits davon verabschiedet und auf kleinere Stückzahlen mit höherer Profitabilität abgestellt. In China stoßen gerade viele an ihre Grenzen.“
Ralf Winzer sagt: „Das bedeutet für die Zulieferer, dass sie in stärkerem Maße neue Kundenstrukturen erschließen müssen. Insbesondere die immer dominantere chinesische Szene der Elektroauto-Hersteller. Aber auch eine Verstärkung der Aktivitäten in Nordamerika ist für viele deutsche Firmen eine interessante Option. Für eine große Anzahl an Zulieferern stellt bereits die nahe Zukunft eine bisher nicht gekannte Herausforderung dar, die teils eine sehr tiefgreifende Transformation für die Unternehmen und die dort arbeitenden Menschen bedeuten wird. Hierzu gehört auch die Anpassung der Kostenstrukturen. Es gilt: Wer jetzt zu entschlossenen Maßnahmen greift, hat gute Chancen, zu den Gewinnern von morgen zu gehören.“
Über die Untersuchung von Kantar Public:
Das Marktforschungsunternehmen Kantar Public hat im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch im Rahmen der Studie ‚Supply Chain Barometer 2023‘ 150 Unternehmen in Deutschland aus dem Bereich ‚Produzierendes Gewerbe‘ mit den Schwerpunkten Automobilzulieferer, Maschinen- und Anlagenbau und Konsumgüter telefonisch zu aktuellen Themenstellungen um Standorte, Produktionsverlagerungen, Kostensteigerungen und weiteren Supply-Chain-Themen befragt.
Der Umsatz der Unternehmen beträgt mindestens 50 Mio. Euro. Rund ein Drittel der befragten Unternehmen erwirtschaften im Jahr mehr als 500 Mio. Euro. Die prozentualen Angaben wurden anhand ihres Anteils am produzierenden Gewerbe nach Sub-Branchen gewichtet. Zeitraum der Befragung ist das zweite Quartal 2023.
Über FTI-Andersch:
FTI-Andersch ist eine Unternehmensberatung, die ihre Mandanten in der Entwicklung und Umsetzung tragfähiger Zukunfts-/Performance- sowie Restrukturierungskonzepte unterstützt. FTI-Andersch begleitet aktiv Unternehmen, die sich mit operativen oder finanzwirtschaftlichen Herausforderungen und Veränderungsprozessen beschäftigen müssen – oder frühzeitig Geschäftsmodell, Organisation und Prozesse zukunftsfähig ausrichten möchten.
Zu den Mandanten zählen insbesondere mittelständische Unternehmen und Konzerne, die international agieren. FTI-Andersch ist Teil der FTI-Consulting-Gruppe (NYSE: FCN) mit mehr als 7.700 MitarbeiterInnen weltweit.
Quelle und Grafik: FTI-Andersch AG / Foto: Fotolia