Klimaschutz im Industrie-Maßstab
von Hubert Hunscheidt
Deutschland will bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Das ist aus Sicht von Fachleuten nur möglich, wenn in der Industrie große Mengen klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) abgetrennt und dauerhaft gebunden oder gespeichert werden. An einer Methode dafür arbeiten Forschende in dem neuen Projekt „CARMEN“ unter Federführung der TU Darmstadt.
In vielen Industrieprozessen lassen sich CO2-Emissionen nicht vollständig vermeiden. Das gilt etwa für die Zementherstellung und die Müllverbrennung. Um dort den Ausstoß zu verringern, gibt es verschiedene Methoden, CO2 aus Abgasen zu entnehmen (abzuscheiden) und anschließend zu speichern oder weiterzuverwenden. Auf diese Weise gelangt das Treibhausgas gar nicht erst in die Atmosphäre und treibt somit den Klimawandel nicht weiter an.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Projekt „CARMEN“ arbeiten hier mit dem sogenannten Carbonate-Looping-Verfahren (CaL): Dabei wird das Treibhausgas nach der eigentlichen Verbrennung an natürlich vorkommenden Kalkstein gebunden und so abgeschieden. Diese Methode testeten Forschende am Fachgebiet Energiesysteme und Energietechnik (EST) der TU Darmstadt bereits seit 2008 erfolgreich und gehörten damit zu den ersten weltweit.
Im Rahmen von „CARMEN“ gehen sie nun einen Schritt weiter: Sie wollen das CaL-Verfahren unter realen Bedingungen untersuchen. Dazu planen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit Partnern den Bau einer mobilen CaL-Pilotanlage. Diese soll in fünf energieintensiven Industrieunternehmen mit den realen Abgasen der jeweiligen Anlage eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um zwei Müllverwertungsanlagen, eine Papierfabrik, ein Kalk- und ein Zementwerk. Die Pilotanlage wird von der TU Darmstadt als Projektleiterin gebaut und anschließend gemeinsam mit den Betreibern betreut. Sie soll Ende kommenden Jahres in Betrieb gehen.
Das CaL-Verfahren habe den Vorteil, dass es an jeder beliebigen Industrieanlage nachgerüstet werden könne, ohne in bestehende Prozesse einzugreifen, erklärt Professor Bernd Epple, Leiter des Fachgebiets EST am Fachbereich Maschinenbau. Ein weiterer Vorzug sei, dass bei der Methode extrem heiße Abwärme von über 650 Grad Celsius anfalle, die für eine effiziente Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden könne. „Zudem ist der Prozess hinsichtlich der zu dekarbonisierenden, eintretenden Abgase, deren Qualität, Zusammensetzung und Temperatur vollkommen unempfindlich und daher gut an verschiedene Anlagen anpassbar“, sagt Epple.
Mit „CARMEN“ soll das CaL-Verfahren näher zur Marktreife gebracht werden. Das Verbundprojekt aus insgesamt neun Partnern wird mit mehr als fünf Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Es läuft über vier Jahre bis Oktober 2027.
Quelle und Grafik: Technische Universität Darmstadt