Kaufprämie für Elektroautos verändert deutschen Automobilmarkt
von Hubert Hunscheidt
Noch immer werden in Deutschland Monat für Monat um ein Vielfaches mehr Pkw mit Verbrennungsmotor zugelassen als Elektroautos. Doch die Schere schließt sich sukzessive, wie eine aktuelle Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt: Die Zahl der neu zugelassenen Elektro-Pkw steigt, die der Verbrenner sinkt. Ein Grund dafür ist die Kaufprämie von bis zu 9 000 Euro für Elektro-Pkw, die größtenteils der Staat und zu einem kleineren Teil der jeweilige Automobilhersteller den KäuferInnen zahlt. Im Januar 2019 – also vor der ersten deutlichen Erhöhung der Prämie im November 2019 – war die Stromerquote unter den Neuzulassungen mit knapp zwei Prozent noch äußerst gering. Das entsprach gut 4 600 elektrisch betriebenen Pkw von 250 000 neu zugelassenen Automobilen in diesem Monat in Deutschland insgesamt. Im Herbst 2021 waren es monatlich bereits fast 30 000 neu zugelassene Elektroautos. Der Elektroanteil bei den Neuzulassungen lag zu diesem Zeitpunkt schon bei über einem Fünftel. Damit erreichte der Markt für neue Elektroautos die Größe des Markts für neue Diesel-Pkw.
In ihren Berechnungen konnten die Studienautoren Peter Haan, Adrián Santonja di Fonzo und Aleksandar Zaklan saisonale und konjunkturelle Effekte sowie die zunehmende Präferenz der KäuferInnen für umweltfreundliche Autos berücksichtigen und damit den Effekt der Kaufprämie isolieren. Dieser zeigt sich sowohl insgesamt als auch mit Blick auf einzelne Modelle und Preissegmente. Für ihre Analyse haben die Autoren 60 Elektroautomodelle und fast 290 Verbrennermodelle unter die Lupe genommen. Pkw mit Hybridantrieb waren nicht Teil der Analyse. Die Daten stammen vom Kraftfahrt-Bundesamt und vom ADAC.
„Unsere Analyse zeigt, dass Kaufprämien für Elektro-Pkw Wirkung entfalten. Um die Ziele der schnelleren Marktdurchdringung zu erreichen, ist aber eine Vielzahl weiterer Maßnahmen nötig. Dazu zählen der Abbau umweltschädlicher Subventionen im Verkehrsbereich, strengere Flottengrenzwerte und eine längerfristig höhere CO2-Bepreisung“, sagt Aleksandar Zaklan, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin. Wie beispielsweise die langfristige Kosten-Nutzen-Rechnung der Kaufprämie ausfällt, müsse abgewartet werden, so die Studienautoren. Das hänge auch davon ab, ob die Prämie weitere Innovationen auslösen werde. Die Verteilungswirkungen der Förderung sowie mögliche Mitnahmeeffekte können zudem auf Basis der vorliegenden Daten nicht quantifiziert werden.
Maßnahmenbündel zur Förderung der Verkehrswende nötig
Unstrittig ist hingegen: Der bisherige Zuwachs bei der Zahl der Elektroautos bleibt weit hinter dem Tempo zurück, das zur Erreichung des im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgelegten Ziels von 15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen im Jahr 2030 nötig wäre. Dafür braucht es rein rechnerisch Monat für Monat im Durchschnitt rund 130 000 neue Elektro-Pkw – im Jahr 2021 wurden im Durchschnitt aber nur etwa 30 000 pro Monat neu zugelassen. „Der Elektroautomarkt dürfte sich zwar in der Zukunft von sich aus dynamischer entwickeln, aber eine weitere Stärkung der klimapolitischen Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität ist nötig“, sagt Peter Haan, Leiter der Abteilung Staat im DIW Berlin.
Die Studienautoren sprechen sich für ein Maßnahmenbündel aus: Kurz- und mittelfristig müsse ein solches insbesondere für einen beschleunigten Ausbau der Ladeinfrastruktur sorgen. Zudem müssten umweltschädliche Subventionen im Verkehrsbereich abgeschafft werden. Längerfristig würde eine effektive CO2-Bepreisung von Kraftstoffen verlässliche Anreize zum Kauf von Elektroautos bieten. Außerdem muss es den Studienautoren zufolge auch darum gehen, den Kauf von Autos zumindest teilweise durch einen leistungsstarken und zuverlässigen ÖPNV obsolet zu machen. Das wäre sowohl aus sozial- als auch aus klimapolitischer Sicht sinnvoll. Wichtig sei bei alldem, dass flankierende Maßnahmen, beispielsweise ein Mobilitätsgeld mit Entlastungen vor allem für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen, zusätzliche Belastungen und negative Verteilungswirkungen ausgleichen. Darüber hinaus sollten das Steuer- und Abgabensystem im Verkehrsbereich stärker auf Umwelt- und Klimaschutz ausgerichtet und ambitioniertere CO2-Flottengrenzwerte verfolgt werden.
Quelle und Grafik: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung / Foto: Fotolia