Juncker stemmt sich gegen Grexit

von Hans Diederichs

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat am Mittwoch in Straßburg seine Absicht erklärt, Griechenland im Euro zu halten. Der Auftritt des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras sorgte im EU-Parlament für teils tumultartige Szenen, Parlamentspräsident Schulz musste die Abgeordneten zur Ruhe mahnen.

Tsipras räumte ein, dass auf griechischer Seite große Fehler gemacht worden seien. Die Schuld schob er seinen Vorgängern zu: „Die früheren Regierungen haben Klientelpolitik, Korruption und Vetternwirtschaft gefördert“, sagte er vor dem EU-Parlament. Die Reichen hätten sich den bisherigen Rettungsversuchen weitgehend entzogen, dass wolle seine Regierung ändern. Details blieb Tsipras aber auch diesmal schuldig, weswegen er von liberalen und konservativen EU-Parlamentariern verbal teils scharf angegriffen wurde.

Viel Zeit bleibt nicht mehr

Kanzlerin Merkel sagte in Berlin, dass es bei den nun anstehenden Verhandlungen nicht mehr um Wochen, sondern nur noch um Tage gehen könne. DIW-Präsident Marcel Fratzscher hatte am Vorabend den anstehenden Zeitrahmen in einem ARD-Interview umrissen: „Wir haben bis zum 20. Juli. Das ist das kritische Datum, denn dann muss die griechische Regierung die Rate an die Europäische Zentralbank zurückbezahlen.“

Bleibt Griechenland diese Zahlung über 3,5 Milliarden Euro schuldig, dürfte die EZB dem Land keinerlei Notkredite mehr gewähren – das Bankensystem würde zusammenbrechen. „Die zwei großen Herausforderungen in den nächsten zwei Wochen sind erstens eine Staatsinsolvenz der griechischen Regierung zu vermeiden und zweitens einen Zusammenbruch des griechischen Bankensystems – und beide sind eng miteinander verbunden“, fasste Fratzscher die Lage zusammen.

Juncker und Merkel sind angesichts der desolaten Lage in Griechenland offenbar bereit, ein drittes Hilfspaket zu schnüren, das über den Rettungsschirm ESM ausgereicht werden könnte. Ministerpräsident Tsipras hatte im Laufe des Mittwochvormittags einen offiziellen Antrag dafür auf den Weg gebracht und bittet darin um einen Überbrückungskredit von drei Jahren Laufzeit. Die im Gegenzug nötigen Reformen will Griechenland am Donnerstag vorstellen, am Sonntag soll ein EU-Sondergipfel über das Hilfspaket beschließen. Scheitern diese Verhandlungen oder verweigern die nationalen Parlamente weitere Hilfen, dann bliebe nur noch der Grexit. EU-Ratspräsident Donald Tusk sprach von einer „allerletzten Chance.“

CSU-Vize Ramsauer zeigt sich bestürzt

Allerdings lässt die Kommission den Griechen bei den Reformen diesmal wohl weitgehend freie Hand. Kritiker interpretieren das als einen Kniefall vor der griechischen Regierung. Der CSU-Vize und Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, Peter Ramsauer zeigte sich über diese Wendung der Dinge im Interview mit dem Nachrichtensender n-tv äußerst bestürzt: „Das übertrifft wirklich meine allerschlimmsten Erwartungen und Befürchtungen.“

Ramsauer kritisierte, dass die EU-Politiker das „Nein“ der Griechen einfach ignorierten; jenes „Nein“, das Ramsauer klar als ein „Nein zum Euro“ interpretiert. Demgegenüber sei die EU-Kommission offenbar bereit, weitere Fristverlängerungen zu gewähren. „Das nimmt niemand mehr ernst, das verärgert die Menschen, denn das ist eine Art von Konkursverschleppung, die man sich im privaten Leben niemals leisten könnte.“ Ramsauer plädierte für einen zeitlich begrenzten Austritt Griechenlands aus der Eurozone.

Die Banken in Griechenland dürften noch die ganze Woche geschlossen bleiben. Bei der derzeitigen Menge von Abhebungen an den Geldautomaten könnte den Griechen in zwei Tagen das Bargeld ausgehen, wenn die EZB keine neuen ELA-Notkredite beschließt, um die Banken liquide zu halten.

Quelle: marketSTEEL   Bildtext: EZB-Zentrale in Frankfurt am Main (Foto: Schüppler)

 

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