Insolvenz: Eisengießerei Gienanth GmbH
von Hubert Hunscheidt
Die Gienanth GmbH, eine Kerngesellschaft der Gießerei-Gruppe Gienanth, hat am 27. November 2023 beim Amtsgericht Kaiserslautern Antrag auf ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung gestellt. Damit reagiert Gienanth auf die zuletzt gestiegenen finanziellen Belastungen der gesamten Unternehmensgruppe. Für weitere Gesellschaften wird derzeit geprüft, ob eine Eigenverwaltung ebenfalls die passende Sanierungsoption darstellt. Von dieser Prüfung umfasst sind die Gesellschaften Gienanth Group GmbH, Gienanth Sales GmbH und Gienanth Verwaltungs GmbH (alle Eisenberg), Fronberg Guss GmbH (Schwandorf) sowie Gienanth Zaigler MBA GmbH (Kulmbach). Weitere Gesellschaften der Gruppe in Österreich und der Tschechischen Republik sind und werden hingegen nicht Teil des Sanierungsverfahrens.
Ziel des Verfahrens bei Gienanth ist es, die Gruppe zukunftsfähig aufzustellen und ihre grundsätzlich positive Positionierung im Markt weiter zu stärken. Der Geschäftsbetrieb am Hauptsitz in Eisenberg soll nach der Entscheidung des Amtsgerichts Kaiserslautern über den Antrag in vollem Umfang fortgeführt werden. „Das Verfahren soll uns und unseren Geschäftspartnern die dafür notwendige Sicherheit und Verlässlichkeit geben. Unsere Kunden kennen uns als zuverlässigen Partner an ihrer Seite, der sich höchster Qualität verpflichtet sieht. Genau diesen Anspruch an uns selbst wollen wir mit dem Sanierungsverfahren unserer zentralen operativen Gesellschaft manifestieren“, sagt Torsten Stein, Geschäftsführer der Gienanth Group.
Die rund 1000 Mitarbeiter der Gruppe wurden bereits über das Verfahren informiert. Die Löhne und Gehälter der rund 520 Mitarbeitenden der Gienanth GmbH sollen bis einschließlich Ende Januar 2024 über die Agentur für Arbeit abgesichert werden. Anschließend wird Gienanth wieder die Lohn- und Gehaltszahlungen der Beschäftigten übernehmen.
Vielfältige Auswirkungen aktueller Krisen
Die Gienanth-Gruppe hatte trotz einer sehr stabilen Verankerung in den Kernmärkten und einer positiven Geschäftsentwicklung bis 2019 in den vergangenen Jahren finanzielle Einbußen durch die Auswirkungen der geopolitischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Krisen zu verkraften. Die Covid-19-Pandemie führte weltweit zu Produktionsstopps und hohen Ausfallraten in den Belegschaften. Dadurch wurden Lieferketten erheblich gestört und die Verfügbarkeit wichtiger Einzelteile deutlich eingeschränkt. „Insbesondere unsere Kunden aus der Automobilindustrie mussten wegen der mangelnden Verfügbarkeit von Halbleitern ihre Produktionen drosseln und haben daher auch bei Gienanth weniger Bestellungen abgerufen“, berichtet Gienanth-Geschäftsführer Stephan Vrublovsky.
Hinzu kamen erhebliche Mehrbelastungen durch stark angestiegene Preise für Rohstoffe und Energie, insbesondere in Folge des Krieges Russlands gegen die Ukraine. Diese Steigerungen konnte Gienanth zwar an die Kunden weitergeben, jedoch nur mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, was die Bilanz zustätzlich belastete. Die Sanktionen gegen Russland führten außerdem dazu, dass die Produktionsstandorte Kulmbach und Schwandorf größere Aufträge nicht mehr ausführen konnten, die für den russischen Markt bestimmt waren.
Großbrand im Werk Chemnitz
Die im Zuge des Wandels vom reinen Produkt- zum Systemanbieter strategisch motivierte Übernahme des Gienanth-Standortes in Chemnitz hat ebenfalls zu einer finanziellen Belastung der Gruppe insgesamt geführt. „Wir waren auf einem guten Weg, die Strukturen und Prozesse in Chemnitz der Gruppe entsprechend zu ordnen und zu integrieren, um das Werk in Richtung einer schwarzen Null zu führen. Der Großbrand in Chemnitz hat unsere Pläne aber zunichte gemacht und darüber hinaus durch die Produktionsausfälle und den Verlust an Unternehmensvermögen weitere Belastungen für die gesamte Gruppe gebracht. Deswegen mussten wir die schwere Entscheidung treffen, den Standort nicht wieder aufzubauen“, sagt Torsten Stein.
Das Sanierungsverfahren bei der operativen Kerngesellschaft soll Gienanth die Möglichkeit geben, auf die genannten Herausforderungen gezielt zu reagieren und die Gruppe zukunftsfähig aufzustellen. „Wir wollen das Unternehmen und möglichst viele unserer Arbeitsplätze dauerhaft sichern“, sagt Stephan Vrublovsky. „Dafür wird Gienanth in den kommenden Monaten einen Sanierungsplan erarbeiten und nach potentiellen Investoren suchen, die bereit und in der Lage sind, unsere Unternehmensgruppe mit frischem Geld auszustatten und in die Zukunft zu führen. Eine gezielte Suche nach Interessenten werden wir bereits in den kommenden Tagen starten.“
Unterstützung durch Sanierungsexperten
Unterstützt wird die Geschäftsführung der Gienanth Group bei der Sanierung von einem erfahrenen Team der auf Restrukturierungen spezialisierten Kanzlei Schultze & Braun um den Sanierungsexperten Dr. Jürgen Erbe. „Das angestrebte Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung würde uns in die Lage versetzen, die Sanierung in einem überschaubaren Zeitraum durchzuführen. Viele notwendige Vorarbeiten hat Gienanth in den vergangenen Monaten bereits geleistet. Darauf können und werden wir aufbauen. Gienanth ist gut etabliert in seinen Märkten, hat sich strategisch in vielen zukunftsgerichteten Märkten positioniert und ist insbesondere für die kritische Infrastruktur ein wesentlicher und unverzichtbarer Anbieter hochqualitativer Gussteile. Diese Stärken gilt es weiter auszubauen. Mit dem passenden Investor ist dies möglich“, sagt Dr. Erbe.
Über Gienanth: Der Unternehmenshauptsitz in Eisenberg (Pfalz) wurde bereits 1795 als Hammerwerk gegründet. Heute ist die Gienanth-Gruppe eine im Markt bestens etablierte Gießerei-Gruppe, die sich auf die Herstellung und Veredelung hochwertiger Eisengussteile im Maschinen- und Handformverfahren spezialisiert hat. Gienanth bietet seinen Kunden einbaufertige Produktlösungen aus Eisenguss für die Mobilitäts- und Maschinenbauindustrie sowie die dezentrale Energieversorgung mit bis zu 15 Tonnen Stückgewicht. Zu den wichtigsten Produktgruppen sowohl in Groß- als auch in Kleinserien gehören Gussteile für Pkws und Nutzfahrzeuge, Land- und Baumaschinen sowie Bahntechnik, außerdem Zylinderkurbelgehäuse und Anbauteile für Großmotoren sowie Maschinenbaukomponenten. Mit insgesamt rund 1000 Mitarbeitenden erwirtschaftet die Unternehmensgruppe einen Umsatz von rund 300 Millionen Euro pro Jahr.
Eigenverwaltung: Die Sanierung in Eigenverwaltung ist ein insolvenzrechtliches Verfahren, das das Unternehmen in eigener Regie durchführen kann. Bei einer Sanierung in Eigenverwaltung bleibt die Geschäftsführung voll handlungsfähig und kann uneingeschränkt agieren. Beaufsichtigt wird sie von einem vom Gericht bestellten Sachwalter. Ziel einer Eigenverwaltung ist die Sanierung des Unternehmens. Beraten und unterstützt wird die Geschäftsführung dabei von einem Team aus anerkannten Sanierungsexperten. Bei Gienanth ist das ein Team von Schultze & Braun, das die Rechtsanwälte Dr. Jürgen Erbe (Generalbevollmächtigter für alle Gesellschaften in Eigenverwaltung), Detlef Specovius, Michael Böhner, Dr. Dirk Pehl (alle Sanierungsrecht und ebenfalls Generalbevollmächtigte für einzelne Konzerngesellschaften in Eigenverwaltung) sowie Alexander von Saenger (Sanierungsarbeitsrecht) umfasst. Außerdem stehen der Unternehmensgruppe bereits seit den vergangenen Wochen die Beratungsgesellschaft Roland Berger mit einem Team um Mathias Heller und Marco Horstmann und die Rechtsanwaltskanzlei Baker McKenzie mit den Rechtsanwälten Joachim Ponseck, Prof. Dr. Artur M. Swierczok und Tim Hosgör zur Seite.
Über Schultze & Braun
Schultze & Braun ist ein führender Dienstleister für Insolvenzverwaltung und Beratung im Sanierungs- und Insolvenzrecht. Mit über 500 Mitarbeitern an mehr als 30 Standorten in Deutschland und dem europäischen Ausland unterstützt Schultze & Braun Unternehmen vor Ort, bundesweit und international in allen rechtlichen, steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen.
Quelle: Schultze & Braun GmbH & Co. KG / Foto: Gienanth GmbH