Industrie steht in Deutschland vor großen Herausforderungen
von Hubert Hunscheidt
Der BDI rechnet für das laufende Jahr mit einem erneuten Rückgang der Industrieproduktion und einer Stagnation der Exporte: „Die Industrie in Deutschland hat sich von den Kosten- und Nachfrageschocks, von zeitweise extrem hohen Energiepreisen und von der Inflation noch nicht erholt“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Montag zum Auftakt der Hannover-Messe.
Die deutsche Industrieproduktion kämpft mit anhaltenden Rückgängen. „Deutschland fällt 2024 voraussichtlich weiter zurück. Wir rechnen mit einem Minus in der Industrieproduktion um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, so Russwurm. Bei den Warenexporten scheint der Rückgang gestoppt zu sein: Nachdem diese im vergangenen Jahr um 1,5 Prozent gesunken sind, rechnet der BDI im Jahresverlauf mit einer schwarzen Null. Damit ist allerdings vom Außenhandel, einem der wichtigsten Wachstumstreiber der deutschen Wirtschaft, auch in diesem Jahr nicht mit einem positiven Impuls zu rechnen. „Trotz moderater Erholungsaussichten dürfen wir uns nichts vormachen: Insgesamt zeigen die Produktionszahlen schon seit Jahren einen besorgniserregenden Abwärtstrend“, resümiert der BDI-Präsident.
Während die Weltwirtschaft im laufenden Jahr voraussichtlich mit moderaten drei Prozent zulegen wird, wie im Vorjahr, reicht es in Deutschland hingegen mit etwas Glück nur für ein kleines Wachstumsplus von 0,3 Prozent. Es sei unverkennbar, so Russwurm: „Für den Industriestandort bleiben die Herausforderungen groß. Stärkeres Wachstum und erfreulich guten Profit erzielen deutsche Unternehmen derzeit vor allem an ihren Produktionsstandorten im Ausland.“
Russwurm betonte die Dringlichkeit, Wachstumskräfte zu stärken: „Mit dem geringen Trendwachstum von einem halben Prozent wird Deutschland die großen Herausforderungen aus Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demographie nicht stemmen können - finanziell nicht und wegen daraus zwangsläufig folgender Verteilungsfragen auch nicht in der gesellschaftlichen Diskussion. Nur wenn es gelingt, mehr Wachstumsdynamik zu erzeugen, können wir Ressourcen für die Transformation mobilisieren, unsere Infrastruktur auf Vordermann bringen, die Attraktivität des Standorts für in- und ausländische Unternehmen erhöhen und das hohe Niveau unseres Sozialsystems sichern.“
Der Industriepräsident machte auf den dringenden politischen Reformbedarf aufmerksam, ohne dessen Unterstützung die Unternehmen es unnötig schwer haben. Drei konkrete Punkte nannte Russwurm, um die Wachstumskräfte in Deutschland zu entfesseln:
„Wir brauchen wettbewerbsfähige und langfristig planbare Energiepreise. Die Stromnetzentgelte müssen deutlich gesenkt werden und die Regierung muss die angekündigte Kraftwerksstrategie und die Wasserstoffstrategie schnell konkretisieren und mit Priorität umsetzen. Die Unternehmen benötigen außerdem dringend weniger Bürokratie. Das Bürokratieentlastungsgesetz Nummer vier stellt keinen Befreiungsschlag dar. Zusätzlich müssen die Unternehmensteuern auf ein wettbewerbsfähiges Niveau von 25 Prozent gesenkt werden. Die aktuelle Belastung von knapp 30 Prozent ist ein ernstzunehmender negativer Standortfaktor.”
Die Hannover-Messe sei trotz der enormen Herausforderungen eine Plattform für Optimismus und Innovation. „Viele Aussteller werden zeigen, wie hoch innovativ und kompetitiv sie unterwegs sind und mit welchen technologischen Ideen die Wirtschaft zur Lösung der Standortprobleme beiträgt. Die Messe wird mit beeindruckenden Produkten, Lösungen und Ideen beweisen, dass die Technologiestärke, Innovationskraft, Branchenkompetenz und das Fertigungs-Knowhow der deutschen Industrie weiterhin hocherfolgreich und enorm gefragt in der Welt sind“, betonte er.
Quelle und Foto: Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)