IfW: Griechenland muss effektiv nicht mal die Hälfte zurückzahlen

von Hans Diederichs

Nachdem Griechenlands Ex-Premier Alexis Tsipras am Sonntag überraschend die Parlamentswahl in Griechenland gewonnen hat und offenbar eine erneute Koalition mit den Rechtspopulisten anstrebt, stellt sich die Frage, wie es mit den Reformanstrengungen weitergeht. Zu Griechenlands effektiven Zahlungsverpflichtungen hat das IfW Kiel vergangene Woche einige interessante Berechnungen präsentiert.

Griechenland zahlt für seine Schulden Zinsen weit unter Marktniveau, mit der Tilgung muss das Land frühestens in den 2020er Jahren beginnen. Im Zuge des dritten Hilfspaketes ist nun sogar von einem weiteren Zahlungsaufschub von 20 oder sogar 30 Jahren die Rede.

Was diese Erleichterungen faktisch kosten, erklärt Stefan Kooths, Leiter des IfW- Prognosezentrums: „Der Schuldenerlass, über den in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wird, findet längst statt. Bei gängigen Annahmen schrumpft der Barwert der von den Europartnern bilateral und über die EFSF gewährten Kredite auf weniger als die Hälfte des nominalen Kreditbetrages zusammen."

Griechenland spart schon jetzt sehr viel Geld

In ihren Berechnungen gehen die Ökonomen von einer Diskontrate von 5 Prozent aus, wie sie auch die Weltbank verwendet. Sie ist Ausdruck der Zeitpräferenz und der Opportuni­tätskosten, quantifiziert also den entgangenen Nutzen durch eine alternative Verwendung des Kapitals, entweder in Form von Ausgaben, z.B. für Bildung oder Infrastruktur, oder in Form einer Rendite durch Investitionen am Kapitalmarkt.

Als durchschnittlichen Kreditzins für Griechenland veranschlagen die Ökonomen über die gesamte Laufzeit eine Rate von 1,5 Prozent. Die Zinsen für die bilateralen Kredite ergeben sich aus einem Aufschlag auf den dreimonatigen Euribor und liegen derzeit bei etwa 0,5 Prozent, während sich die EFSF-Zinssätze aus den Refinanzierungskosten der Fazilität ergeben und zudem bis 2023 gestundet wurden.

Weitere Erleichterungen nicht ausgeschlossen

Unter diesen Annahmen beträgt der Gegenwartswert der für die ausstehenden Kredite von nominal 184 Mrd. Euro fälligen Rückzahlung lediglich 87 Mrd. Euro. Da die Eurostaaten einen nominalen Schuldenschnitt ausgeschlossen haben und sich die Zinsen kaum noch weiter senken lassen, ohne Jahr für Jahr bei den Geberländern offene Verluste auszu­weisen, wurde eine zusätzliche Verschiebung der Zahlungen in die Zukunft ins Spiel gebracht.

Ein weiterer Zahlungsaufschub um 20 oder 30 Jahre, wie er zuletzt vom IWF vorgeschlagen wurde, würde bei den beschriebenen Annahmen den Gegenwartswert der Rückzahlungen weiter schmälern, auf dann 43 Mrd. Euro (20 Jahre) bzw. 30 Mrd. Euro (30 Jahre).

IfW-Forscher Kooths: "Griechenland bleibt schwebend insolvent"

Stefan Kooths zieht folgendes Fazit: „Die Entscheidung zwischen einem sofortigen Schuldenschnitt und einer weiteren Lockerung der Zins- und Tilgungskonditionen mag zwar aus der fiskalischen Warte der Geberländer als ökonomisch äquivalent erscheinen. Im Gegensatz zu einem direkten Schuldenschnitt, bei dem sich Griechenland sofort wieder am Kapitalmarkt refinanzieren könnte, bleibt das Land bei der indirekten Form des Schuldenerlasses, also durch Zugeständnisse bei den Zins- und Tilgungskonditionen, schwebend insolvent. Dies versetzt die Geberländer in die Lage, den Reformdruck aufrecht zu erhalten. Eine Garantie für den Erfolg der Reformpolitik ist dies indes nicht.

Die komplette Studie ist im aktuellen Wirtschaftsdienst Heft 9/2015 veröffentlicht und enthält auch alternative Berechnungen mit höheren und niedrigeren Diskontraten.

Quelle: IfW Kiel; Foto: Gerd Fischer  / pixelio.de

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