ifo Konjunkturprognose Herbst 2023: Konjunktur in Deutschland kühlt weiter ab

von Hubert Hunscheidt

Lage der deutschen Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft trat im ersten Halbjahr 2023 auf der Stelle. Die hohe Inflation zehrte an der Kaufkraft der privaten Haushalte und ließ die Europäische Zentralbank die Leitzinsen kräftig anheben. Darunter litten die Konsum- und die Baukonjunktur, da die realen Haushaltseinkommen gesunken und die Finanzierungskosten gestiegen sind. Aber auch der Industriekonjunktur ging die Luft aus. Zwar verloren die angebotsseitigen Engpässe, die die Produktion im vergangenen Jahr noch spürbar hemmten, zunehmend an Bedeutung. Allerdings machte sich nachfrageseitig zunehmend die Abkühlung der Weltkonjunktur bemerkbar. Denn vielerorts bremsten Notenbanken die Konjunktur durch rasche und kräftige Leitzinsanhebungen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Zudem ist eine merkliche Kehrtwende bei der Produktion in den energieintensiven Industriezweigen in Deutschland trotz kräftig gesunkener Energiepreise bislang ausgeblieben.

Prognose der deutschen Wirtschaft

In den vergangenen Monaten hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft spürbar eingetrübt. Nahezu kein Wirtschaftsbereich blieb davon verschont. Anders als noch im Sommer erwartet, dürfte daher die Erholung in der zweiten Jahreshälfte ausbleiben und sich die konjunkturelle Abkühlung fortsetzen. Den Bauunternehmen, insbesondere im Bereich des Wohnungsbaus, dürften allmählich die Aufträge ausgehen, da sich die umfangreichen Stornierungen bestehender Aufträge und der Rückgang neuer Aufträge bis zuletzt fortgesetzt haben. Daher wird die Bauproduktion in den kommenden Quartalen wohl zurückgehen. Auch vom Verarbeitenden Gewerbe dürften zunächst keine konjunkturellen Impulse ausgehen. Die Nachfrage nach Industriewaren in wichtigen Absatzmärkten wird schwach bleiben und erst gegen Jahresende wieder anziehen. Der private Konsum dürfte sich im zweiten Halbjahr wieder allmählich erholen. Der Anstieg der verfügbaren Haushaltseinkommen wird kräftig bleiben und bei langsam sinkenden Inflationsraten auch zu einem Kaufkraftplus führen.

Insgesamt wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,4% zurückgehen. In den kommenden beiden Jahren wird die Wirtschaftsleistung dann um 1,4% und 1,2% zulegen.

Die konjunkturelle Schwäche wird den Beschäftigungsaufbau weitgehend zum Erliegen bringen und die Arbeitslosigkeit zunächst weiter steigen lassen. Die Arbeitslosenquote wird in diesem und im kommenden Jahr mit durchschnittlich 5,6% um 0,3 Prozentpunkte höher liegen als noch im Jahr 2022. Erst im Jahr 2025 dürfte die Quote wieder auf 5,3% zurückgehen. Trotz der konjunkturellen Erholung wird die Beschäftigung dann allerdings nicht mehr steigen. Hier macht sich der demografische Wandel bemerkbar, der das Erwerbspersonenpotenzial ab dem Jahr 2025 sinken lässt. Im Einklang damit wird auch die Wachstumsrate des Produktionspotenzials in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts spürbar auf nur noch 0,5% sinken.

Die Inflationsrate wird weiter zurückgehen von durchschnittlich 6,0% in diesem Jahr auf 2,6% im kommenden und 1,9% im übernächsten Jahr. Insbesondere die Gas- und Strompreise werden für die Verbraucher günstiger werden und Anfang kommenden Jahres unter die von der Bundesregierung festgelegten Preisdeckel sinken. Daher dürfte die Energiekomponente im Prognosezeitraum den Preisauftrieb senken. Die Kerninflationsrate (also der Anstieg der Verbraucherpreise ohne Energie) wird sich langsamer zurückbildenund in den kommenden beiden Jahren mit 3,1% und 2,4% über der Gesamtinflationsrate liegen. Insbesondere die Teuerung bei den arbeitsintensiven Dienstleistern wird nur langsam zurückgehen, weil steigende Lohnkosten den Preisdruck hochhalten.

Das Defizit im Staatshaushalt wird sich in den kommenden beiden Jahren nur wenig auf 1,9 bzw. 1,6% der Wirtschaftsleistung zurückbilden, nach 2,2% in diesem Jahr. In der ifo Konjunkturprognose Sommer 2023 wurde noch von einer rascheren Konsolidierung ausgegangen. Hier schlägt unter anderem zu Buche, dass nun ein deutlich höherer Mittelabfluss aus dem Klima- und Transformationsfonds erwartet wird. Zudem wurden die Zuschüsse an Mikrochip-Hersteller im Staatshaushalt berücksichtigt. Der Leistungsbilanzsaldo wird bis zum Jahr 2025 wieder auf 7,1% der Wirtschaftsleistung steigen, nachdem er im vergangenen Jahr als Folge der kräftigen Verteuerung der Importe vorübergehend auf 4,2% gesunken war.

Risiken:

  • Entwicklung der Energiepreise
  • Baukonjunktur
  • Strukturelle Veränderungen

Quelle: ifo Institut / Foto: Fotolia

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