Hoher Auftragsbestand beginnt zu bröckeln
von Hubert Hunscheidt
Dr. Nils Jannsen, Leiter Konjunktur Deutschland am IfW Kiel, kommentiert die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Auftragsbestand im Verarbeitenden Gewerbe, wonach dieser im November um 1,2 Prozent gesunken ist:
„Der Auftragsbestand der Industrie beginnt langsam zu bröckeln. Im November geht er bereits das zweite Mal innerhalb von drei Monaten zurück. Maßgeblich ist, dass die Auftragseingänge deutlich gesunken sind, während die Industrieproduktion stabil blieb. Insgesamt befinden sich die Auftragsbestände der deutschen Industrie aber weiter auf ausgesprochen hohem Niveau und werden die Konjunktur im laufenden Jahr stabilisieren.
Seit Beginn der Pandemie sind die Auftragsbestände zunächst kräftig gestiegen, weil die Unternehmen angesichts der massiven Lieferengpässe die neu eingehenden Aufträge nicht im gewohnten Tempo abarbeiten konnten. Von diesem hohen Auftragspolster müssen die Unternehmen nun zunehmend zehren, weil die Auftragseingänge nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine – und der damit einhergehenden deutlichen Eintrübung der weltweiten Konjunktur – um rund 15 Prozent gesunken sind. Mittlerweile dürften die Auftragseingänge ihren Hochpunkt überschritten haben. Insgesamt lag der Auftragsbestand im November allerdings immer noch um über 30 Prozent über dem Niveau von Anfang 2020.
Sofern die Auftragseingänge für einen längeren Zeitraum weiter deutlich zurückgehen, könnten die hohen Auftragsbestände zwar rasch aufgezehrt sein, insbesondere wenn es zusätzlich noch zu umfangreichen Stornierungen kommen sollte. Derzeit spricht aber mehr dafür, dass sich die Auftragseingänge wieder stabilisieren. So hat sich die Stimmung unter den Industrieunternehmen Umfragen zufolge zuletzt wieder aufgehellt. Insgesamt dürfte das dicke Auftragspolster ausreichen, um die Talsohle bei den Auftragseingängen ohne größere Rückgänge bei der Industrieproduktion zu durchschreiten. Für das Gesamtjahr 2023 stehen die Chancen für eine Ausweitung der Industrieproduktion trotz der zuletzt schwachen Auftragseingänge gut.“
Quelle: Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW) / Foto: marketSTEEL