Großauftrag zum Um- und Neubau von Kernaggregaten in Duisburg und Bochum
von Hubert Hunscheidt
Mit dem Umbau der Gießwalzanlage, dem Neubau einer bestehenden Stranggießanlage, beides in Duisburg und dem Bau eines neuen Doppelreversiergerüsts am Standort Bochum, ist der größte Teil der Aufträge jetzt vergeben worden. Den Zuschlag erhielt die Primetals Technologies Ltd., ein weltweit führendes Unternehmen in den Bereichen Engineering und Anlagenbau für die Metallindustrie.
Bernhard Osburg, Sprecher des Vorstandes bei thyssenkrupp Steel: „Wir gehen jetzt sofort in die Umsetzung der beschlossenen Investitionen, um möglichst schnell die damit verbundenen positiven Portfolio-Effekte zu realisieren. Wir freuen uns, mit Primetals Technologies einen exzellenten Partner für die Umsetzung der anstehenden Großprojekte an unserer Seite zu haben. Primetals hat uns mit einem stimmigen, ganzheitlichen und innovativen Konzept für die Um- und Neubauten überzeugt.“ Satoru Iijima, CEO von Primetals Technologies: „Wir freuen uns, thyssenkrupp bei der Verwirklichung seiner zukunftsweisenden Strategie zu unterstützen“. „Dieser Großauftrag von thyssenkrupp markiert einen neuen Höhepunkt in der jahrzehntelangen Zusammenarbeit unserer Unternehmen und ist selbst weltweit in dieser Größenordnung selten zu finden“, ergänzt Olaf Meininghaus, Key Account Manager für thyssenkrupp bei Primetals Technologies.
Alle Neu- und Umbaumaßnahmen sollen bis Anfang 2025 abgeschlossen sein. Die Investitionssumme liegt im höheren dreistelligen Millionenbereich.
Auftrennung der Gießwalzanlage: Neukonfigurierung einer zentralen Schnittstelle im Produktionsnetzwerk
Kernstück der Qualitätsoffensive bei thyssenkrupp Steel ist die Auftrennung der Gießwalzanlage im Werkteil Bruckhausen in eine neue Stranggießanlage und ein in wesentlichen Komponenten neues Warmbandwerk. Das derzeitige, 20 Jahre alte Aggregat, besteht aus einem integrierten Gieß- und Walzteil. Nun reichen seine qualitativen Fähigkeiten perspektivisch nicht mehr aus, um kommende Anforderungen der Kunden zu erfüllen. Produktionsvorstand Dr. Arnd Köfler: „Die Schnittstelle zwischen Flüssigphase und Warmbanderzeugung ist ein Kernstück unseres integrierten Produktionsverbundes. Wir machen diesen Bereich nun fit für die nächste Generation. Durch die Trennung und den Neubau von Gieß- und Walzteil, können wir unsere Fähigkeiten bei höherfesten Stählen und bei Premiumoberflächen nochmals steigern. Außerdem flexibilisieren wir durch die Abtrennung des Walzteils in ein separates Warmbandwerk unsere Brammenproduktion.“
Aufbau der neuen Anlagen weitgehend bei laufendem Betrieb
Die Neu- und Umbauten sind so geplant, dass die Produktionsunterbrechungen durch den Aggregatewechsel so gering wie möglich gehalten werden. Viele wesentliche Komponenten werden vorab gefertigt und anschließend montiert. Gleichzeitig können einige bestehende Anlagenteile in die neuen Aggregate integriert werden, wie zum Beispiel der Pfannendrehturm, der auch für die neue Stranggießanlage die Verteilung des aus dem Stahlwerk kommenden flüssigen Stahls besorgt. Der Übergang vom bestehenden Gießteil der Gießwalzanlage auf die neue Stranggießanlage soll ab September 2023 durchgeführt werden. Das neue Warmbandwerk, als größte Baumaßnahme des Investitionspakets, wird parallel zum laufenden Betrieb vorbereitet und ebenfalls ab Spätsommer 2023 ans Produktionsnetzwerk angeschlossen. Das Warmbandwerk erhält erprobte wie innovative und energieeffiziente Lösungen im neuen Vorstraßenbereich, eine modernisierte Fertigstraße mit anschließender hochinnovativer Bandkühlung, sowie neue Automatisierungs- und Prozessmodelle. Übergreifende Industrie 4.0-Lösungen wie eine durchgängige Prozessoptimierung und Qualitätsüberwachung über die Anlagen hinweg stärken dabei die Zukunftssicherheit des Gesamtvorhabens. Arnd Köfler: „Durch die Neukonfigurierung dieses Bereichs erzielen wir neben den Qualitätssteigerungen auch eine bessere Auslastung unseres vorgeschalteten Stahlwerks, weil wir die Gieß- und Walzkapazitäten erhöhen können. Dies verbessert die Gesamtperformance unseres Produktionsnetzwerks noch einmal an einer zentralen Stelle, mit nachhaltig positiven Auswirkungen auch auf die Versorgungsicherheit unserer Kunden.“
Ein weiteres Aggregat, das im Zuge der jetzt anstehenden Maßnahmen ebenfalls neu gebaut wird, ist die Stranggießanlage 3. Sie ersetzt die bestehende Stranggießanlage 1 im Duisburger Werkteil Beeckerwerth und wird ebenso wie diese unter anderem für verbesserte Oberflächenqualitäten sorgen. Der Neubau ist im Anschluss an den Umbau der Gießwalzanlage für das Jahr 2024 geplant.
Neues Doppelreversiergerüst am Standort Bochum erhöht Fähigkeiten bei höherfesten Stählen und bei Elektroband
Primetals erhielt ebenfalls den Auftrag zum Bau eines Doppelreversiergerüsts am Standort Bochum. Das Werk an der Essener Straße wird in den nächsten Jahren zu einem Kompetenzzentrum für Elektromobilität ausgebaut. Auch hier geht der Trend hin zu immer dünneren und hochsilizierten Materialien, die unter anderem erhöhte Anforderungen an die Kaltwalztechnologie stellen. Das neue Doppelreversiergerüst erfüllt diese Ansprüche und verbessert die am Standort vorhandenen Fähigkeiten bei sogenanntem nicht kornorientierten Elektroband noch einmal deutlich. Das Walzgerüst wird durch eine beliebig steuerbare Anzahl von vor- und zurückführenden – reversierenden – Walzvorgängen besonders dünne Materialien walzen können. Dies ist bei Blechen, die in Elektromotoren und Generatoren eingesetzt werden besonders wichtig, weil so die Magnetisierungsverluste minimiert werden können. „Auch hier greifen die Einzelmaßnahmen der Strategie 20-30 ineinander“, erläutert Produktionsvorstand Dr. Arnd Köfler: „Die Versorgung des neuen Doppelreversiergerüsts wird über das neue Warmbandwerk 4 sichergestellt. Wir werden so die Qualitätssteigerungen in der gesamten Prozesskette nutzen, um etwa bei höherfesten Mehrphasenstählen oder bei den optimierten Elektrobandgüten der Zukunft punkten zu können.“
Investitionen ermöglichen Portfolio-Offensive im Rahmen der Stahlstrategie 20-30
Die jetzt in Auftrag gegebenen Maßnahmen bilden eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung der Stahlstrategie: Vorstandsprecher Bernard Osburg „Mit dem größten Investitionspaket aus unserer Strategie 20-30 gehen wir jetzt in die Offensive, um in wesentlichen Wachstums- und Fokussegmenten führend zu bleiben und unsere Position auszubauen. Unsere Kunden werden in der Zukunft andere und noch leistungsfähigere Produkte benötigen: Geringere Toleranzen, erhöhte Anforderungen an Crashsicherheit, Stahl für leistungsfähigere Elektromotoren. Die Investitionen in unsere Anlagen werden uns befähigen, diese Ansprüche zu bedienen. Für den Zeitraum der Um- und Neubauten werden unsere Kunden im Übrigen auf keines ihrer gewohnten Produkte verzichten müssen. Ein weiterer wichtiger Punkt: Im Rahmen unserer Transformation zu klimaneutralem Stahl, werden wir auch die neuen hochwertigen Güten perspektivisch in „grün“ anbieten können.“
Quelle und Foto: thyssenkrupp Steel Europe AG