Grüner Stahl als Chance für das Ruhrgebiet
von Hubert Hunscheidt
Fünf Kernforderungen an die Politik für eine erfolgreiche Transformation stehen im Fokus
Anfang Mai hat die Bundesregierung die deutschen Klimaziele deutlich verschärft. Bis 2045 ist nun vollständige Klimaneutralität vorgegeben, fünf Jahre früher als geplant und fünf Jahre früher als in der EU. Die Verkürzung des Zeitrahmens stellt die Industrie vor große Herausforderungen. Gleichzeitig liegen in einem schnellen Umstieg auf grünen Stahl erhebliche Chancen für den Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet, für Wertschöpfung und soziale Sicherheit. thyssenkrupp Steel ist bereit, einen signifikanten Beitrag zur Nutzung dieser Chancen und zum Erreichen der Klimaziele zu leisten. Das Unternehmen hat ein klares Konzept zur Dekarbonisierung der Stahlherstellung vorgelegt. Nun gilt es, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Umsetzung zu ermöglichen. Deswegen geht das Unternehmen in den direkten Austausch mit Politik und IG Metall darüber, worauf es jetzt ankommt, um keine Zeit zu verlieren. Mit Gastgeber Bernhard Osburg, Sprecher des Vorstands von thyssenkrupp Steel, diskutieren: Bärbel Bas (SPD), Marie-Luise Dött (CDU), Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen), Bernd Reuther (FDP), Christian Leye (DIE LINKE) und Heiko Reese, Stahl-Experte der IG Metall. Die Diskussion ist heute ab 17:00 über die Website von thyssenkrupp Steel oder diesen Link zu erreichen.
Kein Erkenntnis- aber ein Umsetzungsproblem
„Wir können und wollen einen massiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. Aber wir brauchen jetzt die richtigen Maßnahmen und Instrumente zur Begleitung der neuen Klimaschutzgesetzgebung. Wir haben jetzt die historische Chance, durch eine intelligent geförderte Transformation echte Fortschritte beim Klimaschutz zu machen und gleichzeitig im Wettbewerb um grüne Technologien vorne zu bleiben, kommentiert Bernhard Osburg, Stahlchef von thyssenkrupp Steel.
Um unmittelbar Tempo aufzunehmen, schlägt Osburg vor, noch in dieser Legislaturperiode im Rahmen des von Wirtschaftsminister Altmaier vorgeschlagenen Transformationsdialogs mit konkreten Maßnahmen zu starten. „Wir brauchen jetzt die Sicherheit, dass die Politik unseren Transformationspfad verlässlich und konkret über die nächsten Jahre begleitet. Aus Plänen müssen Fakten werden.“
Klimaschutz im Stahl am effektivsten
Deutschlands größter Stahlhersteller plant bereits 2030 drei Millionen Tonnen grünen Stahl zu produzieren und so 30 Prozent der anfallenden CO2Emissionen einzusparen. Dazu sind Investitionen von rund 2 Milliarden Euro nötig – bei einem bislang unklaren regulatorischen Umfeld und einem noch nicht existierenden Markt für grüne Stahlprodukte. „Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht dürften wir die Transformation unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht starten“, erläutert Osburg. „Aber die Bekämpfung des Klimawandels ist mehr als das: es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb ist der derzeitige breite Konsens, das Thema anzugehen, viel wert. Wir müssen das Zeitfenster nutzen und beweisen, dass praktischer industrieller Klimaschutz funktioniert“, so Osburg. „Und wir haben im Stahl einen enormen Hebel zur Hand. Eine Tonne Wasserstoff, die in der Stahlproduktion eingesetzt wird, vermeidet 26 Tonnen CO2. Verglichen mit diesem Effekt sind die Investitionen zum Bau der dafür notwendigen Anlagen überschaubar. Aber unsere Investitionszyklen sind lang. 2030 heißt für uns im Grunde morgen. Daher müssen wir jetzt starten.“
Fünf Kernforderungen als Voraussetzung für eine erfolgreiche Transformation
thyssenkrupp sieht fünf zentrale Felder, auf denen unmittelbarer Handlungsbedarf besteht:
- Faire Wettbewerbsregeln, damit nicht weiterhin hochsubventionierter Stahl aus Drittstaaten mit niedrigen Sozial- und Umweltstandards den Europäischen Markt überflutet;
- Die Stärkung von „Carbon Leakage“-Maßnahmen: Die Freizuteilung von CO2 -Zertifikaten im EU-Emissionshandel muss ohne Reduzierung erhalten bleiben. Sonst drohen Mittelabflüsse im mittleren dreistelligen Millionenbereich bis zu einer Milliarde Euro. Liquidität, die dann für die Transformation fehlt;
- Die Schaffung eines Transformationsfonds. Ein solcher Fonds sollte alle Industriebranchen umfassen, die vor einer grundlegenden Transformation stehen. Noch in dieser Legislaturperiode sollten dazu die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden;
- Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von grünem Stahl durch Etablierung eines entsprechenden Marktes – vergleichbar mit der Förderung für Elektroautos. Notwendig sind wettbewerbsfähige Preise;
- Stärkung der Nachfrageseite nach grünem Stahl: Nötig sind verbindliche Quoten und Standards für betroffene Branchen und Produkte.
Bernhard Osburg: „Bei vielen Themen haben wir mit der Politik einen guten Diskussionsstand erreicht, oder die Maßnahmen sind reif zur Umsetzung. Daher sollten wir nun gemeinsam dafür sorgen, dass gerade vor dem Hintergrund der verschärften Klimaschutzgesetzgebung Bewegung in die Transformation kommt.“
Quelle: thyssenkrupp Steel Europe AG / Foto: fotolia