Grüner Wasserstoff für die Stahlproduktion
von Hubert Hunscheidt
Am 13. und 14. September 2022 veranstaltete die Swiss Steel Group (SSG) im LWL-Industriemuseum Henrichshütte Hattingen das 1. Wasserstoff-Symposium. Die Fachvorträge renommierter Referenten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik waren auf insgesamt vier Sessionen verteilt, die sich an folgenden Schwerpunkten orientierten:
- Strategie Wasserstoffbereitstellung
- Wasserstoffbeständige Stähle
- Industrieller Einsatz von Wasserstoff
- Bereitstellung und Einsatz von Wasserstoff am Beispiel der Deutschen Edelstahlwerke
Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Frank Koch, CEO der Swiss Steel Group, die anwesenden Teilnehmer. Nach einem kurzen Blick auf die traditionsreiche Geschichte der Henrichshütte erläuterte er die Bedeutung und Verwendung von Wasserstoff von dessen Herstellung bis hin zum Einsatz bei der Stahlherstellung. Damit umriss er mit wenigen prägnanten Worten den Inhalt des Symposiums.
„Zukunft Wasserstoff – Lösungen der Swiss Steel Gruppe“, war das Thema von Dr. Till Schneiders, Vice President Technology & Quality, Deutsche Edelstahlwerke Specialty Steel GmbH & Co. KG. Er referierte über die Aktivitäten der SSG, erläuterte die Bedeutung des Wasserstoffs als wichtiger Baustein für den Stahlherstellungsprozess. Er betonte, dass die Aktivitäten der SSG sich auf den Einsatz von Wasserstoff und auf Stähle für die Wasserstofftechnologie erstrecken. Nach Dr. Schneiders hielt Till Mansmann MdB, der Innovationsbeauftragte „Grüner Wasserstoff“ des Bundesministeriums für Forschung und Bildung seinen Richtung weisenden Vortrag zum Thema „Forschung und Entwicklung für einen erfolgreichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft“. Im Anschluss daran referierte Dr. Philipp Wasmuth von der Open Grid Europe GmbH über das Thema „Wasserstoff zur Diversifizierung und Dekarbonisierung der europäischen Energieversorgung“. Er befasste sich mit der Frage „Wie groß ist die Dekarbonisierungsaufgabe?“ angesichts des erheblichen Dekarbonisierungsbedarfs bis zur Erreichung der Klimaziele. Des Weiteren ging er auf die Produktionsorte von Wasserstoff ein und erwähnte die erste Importroute für Wasserstoff aus den Niederlanden, die 2025 fertiggestellt sein soll. Das nachfolgende Thema war „Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem – Herausforderungen und Zielkonflikte“. Es sprach Dr. Julian Röder, Arbeitsgruppenleiter, R-Universität Bochum, Lehrstuhl Energiesysteme und Energiewirtschaft. Er hält Wasserstoff für unabdingbar zum Erreichen der Treibhausgasneutralität bis 2045 und fordert den Ausbau der erneuerbaren Energien und eine deutliche Erhöhung der Energieeffizienz. Im Anschluss an Dr. Röder sprach Robert Baron, Director Corporate Strategy Swiss Steel Group, zu dem Thema “Wasserstoff: Vom Buzzword zur Realität”. Dabei wandte er sich den Herausforderungen der verschiedenen Emissionsbereiche zu. Dabei handele es sich um die Verbrennung von Gas und Kohle ebenso wie um die Fußabdrücke hinzu gekaufter Energie und gekauften Rohmaterials. Neben dem Herstellungsprozess von grünem Wasserstoff sprach er über den Wasserstoffbedarf der deutschen Stahlindustrie und die Anforderungen, die mit der Wasserstoffproduktion verbunden sind.
In den folgenden Vorträgen geht es konkret um die Wissenschaft von Stahl. Der erste Referent war Jens Jürgensen von der Ruhr Uni Bochum. Er sprach über die „Material challenges and solutions for the use of hydrogen as an energy source”. Er erläuterte, dass viele Werkstoffe – vornehmlich Metalle – anfällig seien für wasserstoffbedingte Risse bzw. Versprödungen und erklärte, wie diese Risiken durch die richtige Werkstoffwahl vermieden bzw. vermindert werden könnten. Ihm folgte der Vortrag von Dr.-Ing. Gregor Manke, Geschäftsführer der Euro-Labor GmbH. Er hatte das Thema „ „Local Hydrogen Analysis – zerstörungsfreie Wasserstoffmessungen“ gewählt, was den Vortrag von Jens Jürgensen hervorragend ergänzte. Er machte deutlich, dass die Wasserstoffanalytik ein wichtiger, wenn nicht gar essenzieller Bestandteil der Werkstoffwahl sei. Denn Wasserstoff sei in der Regel innerhalb eines Werkstoffs nicht homogen verteilt, was die Belastbarkeit eines Bauteils erheblich beeinträchtige. Ideal dazu passte im Anschluss das Referat von Dr. Hans-Günter Krull, Leiter Forschung und Entwicklung, Deutsche Edelstahlwerke Specialty Steel GmbH & Co. KG. Er hatte das Thema „Werkstoffauswahl für den Einsatz von Wasserstoff“ gewählt. Darin ging er auf die Einflussgrößen auf die Druckwasserstoffbeständigkeit ein und betonte, dass plastische Verformung eines Bauteils unbedingt vermieden werden müsse, da Stähle mit einer Streckgrenze oberhalb 900 MPa grundsätzlich bezüglich RRA als kritisch zu bewerten seien. Den Themenkomplex rundete der Vortrag von Dr. Thorsten Michler, Gruppenleiter Lebensdauerkonzepte für Wasserstoffanwendungen, Fraunhofer IWM, ab. Er sprach über „Edelstähle für Wasserstoffanwendungen – ein Überblick“. Dr. Michler legte Wert auf die Feststellung, dass die in seinem Vortrag dargestellten Ergebnisse und Zusammenhänge nur für den Anwendungsfall gasförmiger, trockener Wasserstoff (GH2 gälten. In seinem Vortrag ging er zunächst auf verschiedene Edelstähle ein und erläuterte anschließend die Entwicklung einer speziellen druckwasserstoffbeständigen Legierung.
Den ersten Vortrag zu dem Themenkomplex „Industrieller Einsatz von Wasserstoff“ hielt Dr. Klaas Kunze, Leiter Entwicklung Wasserstoffspeicher, BMW AG. Sein Thema war „Der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb in der PKW-Anwendung und Einsatz von Stahlwerkstoffen im Hochdruckspeichersystem“. Er stellte u. a. den BMW iX5 HYDROGEN und dessen Wasserstoff-Antrieb vor. Ergänzt wurde das Referat durch den Vortrag von Dr. Heinrich Bülte, Leiter Thermodynamik & Emissionen im Bereich F&E, Deutz AG, der sich dem „Wasserstoffmotor für die Stromerzeugung und für den Einsatz in mobilen Arbeitsmaschinen“ zuwandte. Die Entwicklung von einem Wasserstoff getriebenen Motor sei erfolgreich unterwegs, erklärte Dr. Bülte. Der Motor arbeite wie ein Diesel, aber es gebe immer noch ausreichend Potenzial für weitere Verbesserungen.
Die beiden folgenden Vorträge waren einem wissenschaftlich versierten Publikum vorbehalten. „Aktuelle Fragestellungen bei der Bewertung von Turbomaschinenkomponenten für Anwendungen mit Druckwasserstoff“, von Dr. Roland Herzog, Head of Material Technology, MAN Energy Solutions SE, war einer dieser Vorträge. Der zweite Vortrag wurde von Stefan Wanjura, Advisory Key Expert, Siemens Energy Global GmbH & Co. KG zum Thema „Betrachtung der Auswirkungen von Druckwasserstoff auf die brennstoffführenden Komponenten großer Gasturbinen am Beispiel einer ausgewählten Komponente“ gehalten.
Prof. Dr. Tim Hosenfeldt, Senior Vice President Zentrale Technologien, Schaeffler AG, sprach im Anschluss daran über „Werkstoffbasierte Innovationen zur Bereitstellung und Nutzung von Wasserstoff“. Er stellte fest, dass Werkstofffinnovationen entscheidend seien für den zukünftigen Erfolg sowohl bei technologischer Führerschaft als auch bei Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Dabei werde Stahl eine führende Rolle spielen. Davor Spoljaric, Senior Vice President Application Technology, Messer SE & Co. KGaA ging in seinem Referat „Kostenoptimierte Bereitstellung und effektiver Einsatz von ‚grünem‘ Wasserstoff: die schrittweise Dekarbonisierung am Stahlwerk“ davon aus, dass die EU die Schwerindustrie bis 2030/35 verpflichten werde, erneuerbaren Wasserstoff zu nutzen.
Gregor Ebbers, Leiter Abteilung Investitionen / Sonderaufgaben, Deutsche Edelstahlwerke Specialty Steel GmbH & Co. KG, hielt einen vielbeachteten Vortrag zu dem Thema „Grüner Wasserstoff in der Stahlerzeugung – Herausforderungen bei der operativen Umsetzung“. Dabei erläuterte er die Ziele der Swiss Steel Group wie folgt: Verringerung des CO2-Ausstoßes und Schaffung einer CO2-neutralen Prozesskette in der Stahlerzeugung. Seit geraumer Zeit beschäftigte sich die Swiss Steel Group mit Wasserstoff als Substitut für Erdgas. Innerhalb der nächsten 3 – 5 Jahre sollten Pilot- und Referenzanlagen an ausgewählten Standorten der Swiss Steel Group entstehen.
„Beheizung von Thermoprozessanlagen mit Wasserstoff oder Wasserstoff-Erdgas Gemischen“. Dieser Beitrag von Dr. Joachim Wünning, Geschäftsführer, WS Wärmeprozesstechnik GmbH, bildete den Schlusspunkt des Symposiums. Dr. Wünning beschrieb die gängigen Heizmethoden und erklärte, warum elektrische Beheizung auch mit Wasserstoff möglich ist.
Quelle und Foto: Steeltec AG